Willkommen in der Ökodikatur
Die Handschrift der Ampelregierung ist momentan recht fahrig. Vieles, was beschlossen wurde, wirkt aktionistisch und wenig auf Nachhaltigkeit getrimmt. So vergeht kaum eine Woche, in der kein sozioökologisches Tabu gebrochen wird und Grundsätze über Bord geworfen werden. Alle nur denkbaren energetischen Schreckensgespenster werden aus der Klamottenkiste hervorgekramt und wiederbelebt. Es tut dabei offensichtlich auch nichts zur Sache, dass all das gammelige Obst miteinander vermischt, alte Äpfel und faule Birnen verglichen werden: der Kuhhandel treibt wilde Blüten.
Ebenso muss leider konstatiert werden, dass sich die Koalition nicht gerade als Denkfabrik erweist, vielmehr ist sie ein Hort der Reaktivierung einstiger Denkverbote. Dabei schöpfen die Hauptfiguren vor allem aus ihrem Erfahrungsschatz, sprich aus der Vergangenheit. Lösungen für die Zukunft werden dabei nicht im Heute, mit den vielfältigen Möglichkeiten der Erneuerbaren, gesucht, sondern entweder im Gestern vermutet oder in weiter Ferne angedacht.
Wir müssen uns verändern
Politik ist kein Mikado, wer sich zuletzt bewegt, noch lange kein Gewinner. Und wenn immer noch gepredigt wird, dass der Markt frei sei und er für uns die Dinge regelt, dann wird leider vieles im Sinne des Marktes organisiert. Aber Achtung: Der Markt hat nicht per se recht und bekanntlich auch keinen moralischen Anspruch. Dass er sich oftmals vergaloppiert ist bekannt. Ein kleines Beispiel ist der Boom der E-Bikes. Ohne diese als solches in Frage stellen zu wollen, ist es wichtig zu hinterfragen, wo und wann diese Räder ihren sinnvollen Einsatz haben. Ersetzen sie ein Auto oder ähnliches sind sie brillant, verdrängen sie das Fahrrad sportlicher Menschen oder gar Kinderräder, sind sie kontraproduktiv. Und wer sagt Heizen mit PV-Strom sei immer sinnvoll, weil günstiger, der hat den Fokus nicht unbedingt darauf ausgerichtet, ob etwas volkswirtschaftlich geeigneter und ökologisch zielführender ist. Auf eine einzige Lösung, die gerade die aktuell „billigste“ ist zu setzen, lässt außen vor, dass es auch zunächst unwirtschaftliche Dinge braucht, um diese später ökonomisch werden zu lassen. Und nur weil etwas wirtschaftlicher ist, muss es nicht besser sein. Die Wärmelücke wird durch Monotechnologie nicht kleiner, im Gegenteil. Wir müssen bestrebt sein, zu einer reellen Klimaneutralität zu kommen. Alibiaktionen bringen uns hier nicht weiter. Wir müssen uns nicht zwischen etwas entscheiden, sondern alles tun, um etwa auch in der Wärmewende voran zu kommen. Dass Brückentechnologien keine gute Wahl waren, wissen wir spätestens, nachdem diese Brücken eingestürzt sind.
Keine Experimente
Viele hatten 2021, kurz vor der Zielgeraden, noch einen Rückzieher gemacht und sicherheitshalber dem nicht gesprochenen Wort mehr geglaubt. Die Angst vor einer möglichen Ökodiktatur war offensichtlich zu groß. Die vermeintlich vernünftige Wählerentscheidung hat dazu geführt, dass sich auf allen Ebenen der kleinste gemeinsame Nenner als Kompromiss durchsetzt und es eben nicht dazu kommt, dass „Fortschritt gewagt“ wird. Die momentan vollzogene Zeitenwende ist eine Rolle rückwärts, ein Roll-Back der Möglichkeiten. „Vorwärts nimmer, Rückwärts immer“ wäre wohl ein besserer Slogan gewesen. Zu viele Dinge werden nicht angegangen, vieles erneut verschleppt und ignoriert. Machen drei Parteien Klientelpolitik, bleibt das Notwendige leider oftmals auf der Strecke.
Ökodiktatur
Die ist längst Realität. Sie kommt in Form von tödlichen Hitzewellen, verheerenden Monsterstürmen, anhaltenden verbreiteten Dürren, weltweiten Hungerkrisen, steigenden Meeresspiegel, kippenden Ökosystemen, verheerendem Artensterben, brennenden und verdorrenden Wäldern, versauerten Ozeanen und sicher auch immer mehr Menschen auf der Flucht. Gegen eine solche Diktatur des Faktischen nützt jedoch kein Feilschen und Schachern.
Matthias Hüttmann