Nachhaltige Recyclingkonzepte der Photovoltaikindustrie
Wie grün ist das „Grüne Image“ der Solarbranche und was ist unter nachhaltigem Recycling zu verstehen? Die Photovoltaik-Industrie ist eine dynamische und zukunftsträchtige Wachstumsbranche. Die Modulproduktion hat sich in den letzten Jahren verzehnfacht, bei einer Kapazitätssteigerung der Firmen um 1000%. Von Beginn an hat die Solarindustrie ob der umweltfreundlichen Energieerzeugung ihrer Produkte ein „Grünes Image“. Aber die Erwartungen steigen auch an diese Branche. Nachhaltige Unternehmensführung und effiziente und saubere Produktions- und Recyclingprozesse sind von Interesse. Dabei steht außer Frage, dass PV-Module während ihrer aktiven Zeit der Produktion von „grünem Strom“ umweltfreundlich sind. Murphy & Spitz Consult GmbH führten 2011 eine »Nachhaltigkeitsstudie Solarindustrie« durch und merken an, dass sich diese Branche durch begeisterte Menschen auszeichnet, die wissen, dass sie an der nachhaltigen Energiewende mitwirken. Doch zur Begeisterung gehören auch nachhaltige Strategien und Handlungsweisen und diese haben Murphy & Spitz bei sieben Pureplayern der Solarbranche aus den USA, China und Deutschland anhand objektiver Kriterien analysiert. Ein Aspekt nachhaltigen Handelns ist das Altmodul-Recycling, das im Zusammenhang mit dem Produktlebenszyklus von Solarmodulen betrachtet verdeutlicht, wie der Prozess-Schritt Recycling die Ökobilanz von PV-Modulen verbessert. Zu beachten ist, dass ob der vielfältigen Modul-Typen verschiedene Produktions- und Recycling-Methoden angewendet werden und sich Module in ihrem Aufbau und im Wafermaterial unterscheiden. Grob lassen sich kristalline Silizium-Module und Dünnschichtmodule differenzieren.
Seit den 1990er Jahren werden Solarmodule in größerem Umfang und in Großanlagen installiert. Zwar ist das Recycling der Module wegen deren langer Lebenszeit von rund 30 Jahren ein Thema, dass zunächst in weiter Ferne scheint, angesichts der zu erwartenden Alt-Modulmengen und der Tatsache, dass diese Recyclingtechnologien noch gar nicht ausgereift und finanziell gesichert sind, ist Handlungsbedarf geboten. Die in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland installierten 15 Gigawatt werden als rund 1,5 Millionen Tonnen Modulschrott rücklaufen. Legt man einen Berechnungswert von 175 Euro Recyclingkosten pro Tonne Modulschrott zugrunde, ist das eine finanzielle Herausforderung in Millionenhöhe, die man, wie es der Nachhaltigkeitsexperte Andreas Wade von First Solar ausdrückt, „nicht auf die kommenden Generationen verschieben sollte“. Dass Recycling nicht einfach eine lästige Entsorgungsfrage ist, sondern eine Möglichkeit die Ökobilanz von Modulen zu verbessern, wird ersichtlich, wenn die Energy-Pay-Back-Time und der Carbon Footprint von Modulen in die Betrachtung einbezogen werden.
Verantwortung für das Alt-Modul-Recycling
2007 wurde eigens zur Entwicklung von Lösungen für die Recyclingfrage der freiwillige Branchenverband PV-Cycle gegründet, dessen Sammel- und Recycling-Konzept seit Juni 2010 aktiv ist. Das wichtige Thema der Finanzierung des Recyclings blieb jedoch immer wage, lediglich eine Versicherungslösung wurde für 2012 angestrebt. Im Januar 2012 entschied die Europäische Union die Recyclingfrage gesetzlich und nahm Solarmodule als „Sonderkategorie vier, separat zu sammelnder Produkte“, in die novellierte europäische Elektroschrottrichtlinie WEEE auf. Damit soll sichergestellt werden, dass die in 20–30 Jahren zu erwartenden Alt-Module der Wiederverwertung zugeführt werden und diese auch finanziell abgesichert ist. Nach der aktuellen EU-Entscheidung bleibt die Rolle des Branchenverbands PV-Cycle ungewiss. Jedoch könnte sich für diesen eine zweite Chance ergeben, wenn sich der Verband zu einem Servicedienstleister wandelt. PV-Cycle selbst lässt durch die Pressestelle verlauten, dass man alles dafür tun werde, den gesetzlichen Anforderungen der WEEE-Richtlinie gerecht zu werden. Aktuell verzeichnet der Branchenverband insgesamt 236 Mitglieder, die sich aus Modulherstellern sämtlicher Länder zusammensetzen. Die Mitglieder von PV-Cycle decken rund 90 Prozent des europäischen Solarmarkts ab. Dazu zählen aber auch US Firmen, wie beispielsweise First Solar und führende chinesischer Hersteller wie Yingli, Trina Solar, Suntech, Solarfun.
Produktlebenszyklus, Energie-Pay-Back-Time und Modul-Footprint
Der Produktlebenszyklus von PV-Modulen umfasst den Energie- und Materialverbrauch, die Produktqualität (Wirkungsgrad, Lebenszeit) und das Recycling als Möglichkeit, Sekundärmaterialien zu gewinnen und im geschlossenen Materialkreislauf der Neuproduktion zuzuführen. Organisation, Finanzierung und technologische Umsetzung des Recyclings wirken demzufolge auf die Produkteffizienz. Der Recycling-Erfolg wird daran gemessen, wie viel Prozent des Materials für die Modulneuproduktion rückgewonnen werden kann. Die damit erzeugten Wafermaterialien (z.B. Silizium, Cadmium-Tellurid) und Trägersubstanzen (Solarglas, Aluminium) verbessern die Ökobilanz der Neumodule. Diskutiert die Branche mancherorts, dass sich das Recycling von Silizium-Modulen aufgrund der fallenden Siliziumpreise quasi ad absurdum führe und gar nicht mehr lohne, verdeutlicht diese ganzheitliche Lebenszyklus-Betrachtung, dass durch Recycling 30–70 Prozent der erforderlichen Produktionsmaterialien und -energien eingespart werden können. Der Einspareffekt gilt für alle Module. Ein Beispiel zeigt Tabelle 1.
Auch die Studie „Energieeffizienz in der Produktion“ des Fraunhofer Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass mittelfristig in der industriellen Produktion bis zu 30 Prozent Energie eingespart werden können, rund 210 Petajoule pro Jahr. Das entspricht in etwa der Hälfte des Stromverbrauchs der privaten Haushalte in Deutschland oder vergleichsweise der Leistung von vier Kraftwerken mit je 1,4 Gigawatt Leistung. Prof. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer Gesellschaft betont, dass die branchenübergreifende „Orientierung auf ein möglichst vollständiges Recycling neue Chancen für unternehmerisches Handeln“ eröffne. Recycling von Rohstoffen führe zukünftig zu mehr Unabhängigkeit von Rohstoff- und Energie-Importen und fördere eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Produktion (www.fraunhofer.de/audio: online ab 05. April 2011). Der Chef des UN-Umweltprogramms Achim Steiner fordert Entwickler auf, schon beim Design eines Geräts an die spätere Widerverwertung zu denken, denn es sei zwei- bis zehnfach effizienter, Metall zu recyceln als es aus dem Boden zu holen. Energieeinsparung funktioniert allerdings nur bei effizienten und fehlerfreien Produktionsprozessen, das gilt auch für das Recycling. Die wiedergewonnenen Materialien werden in Kaskaden der Neuproduktion zugeführt. Restmaterialien werden für andere Produkte verwendet, beispielsweise fällt beim Dünnschicht-Modulrecycling eine große Menge Glas an (Trägersubstanz), die aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen (hoch lichtdurchlässiges Solarglas) noch nicht der Modul-Neuproduktion zugeführt werden kann. Nachhaltiges PV-Modul-Recycling kann also nicht isoliert und nicht verkürzt als „Entsorgung“ betrachtet werden, sondern als Teil-Schritt des gesamten Produktlebenszyklus, auch wenn sich dieser zeitlich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt.
Energie-Pay-Back-Time
Die Qualität von PV-Modulen wird maßgeblich an der Energie-Pay-Back-Time gemessen. Darunter wird die Zeitspanne verstanden, die ein aktiv arbeitendes Modul benötigt, bis es die für seine Herstellung verwendete Energie emissionsfrei erzeugt hat. Je geringer der Energieaufwand für die Produktion ist, desto geringer ist diese Zeitspanne.
Carbon Footprint
Der Carbon Footprint setzt sich durch die Material- und Energieaufwände der einzelnen Produktionsschritte zusammen. Bild 4 zeigt den Anteil der einzelnen Prozessschritte am Carbon Footprint von Dünnschichtmodulen. Dieser Modul-Typ hat aufgrund des geringeren Energie- und Materialaufwands einen kleineren Carbon Footprint, als die in der Produktion material- und energieaufwändigeren kristallinen Siliziummodule. Für die Umweltrelevanz ist dabei wichtig, welche Stoffe als Halbleiter ausgewählt werden. Zur Zeit werden für Dünnschichtmodule vorwiegend amorphes Silizium (a-Si), Kupfer-Indium-Diselenid (CIGS) und Cadmium-Tellurid (CdTe) verwendet. Letzteres Verfahren ist aktuell im gesamten Produktlebenszyklus (inkl. Recycling) am ausgereiftesten. Zukünftig wird die Weiterentwicklung des Wirkungsgrades, der bei Dünnschichtmodulen geringer ist als bei Silizium-Modulen, über das sich durchsetzende Verfahren entscheiden.
Kriterien nachhaltiger PV-Module
Die Nachhaltigkeit eines PV-Moduls kann in ökonomische, ökologische und soziale Gesichtspunkte differenziert werden. Dr. Schoenheit von der 1995 gegründeten imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen mbH an der Universität Hannover betrachtet ein PV-Modul als ökonomisch nachhaltig, wenn es einen hohen Nutzen für die Bedürfnisbefriedigung des Käufers erzielt. Darunter ist die zuverlässige Erzeugung umweltfreundlicher Energie, über eine garantierte Zeitspanne zu verstehen (Wirkungsgrad und Lebensdauer). Ökologisch betrachtet ist ein PV-Modul demnach nachhaltig, wenn es möglichst ressourcenschonend in der Produktion, Nutzung und Entsorgung ist (Footprint). Aus sozialer Perspektive sei ein PV-Modul nachhaltig, wenn es gesellschaftlich global akzeptiert ist, inklusive seiner vorbildlichen nationalen Herstellungsbedingungen und Vermarktungsstrategien.
First Solar: Cadmium-Tellurid Dünnschicht-Module
Ein gutes Beispiel für die Bedeutung der gesellschaftlichen Akzeptanz ist die Diskussion um Cadmium-Tellurid (CdTe)-haltige PV-Dünnschichtmodule des US-amerikanischen Unternehmens First Solar. Das Unternehmen wurde 1999 gegründet und stellt vertikal integrierte Dünnschichtmodule mit Cadmium-Tellurid als Halbleiter her. Die Produktionsstandorte sind in Frankfurt/Oder, in Kulim (Malaysia) und in Perrysburg, Ohio (USA). Die Kapazität lag 2009 bei 1.228 MW (1.416 MW in 2010). Das Unternehmen beschäftigt 5.500 Menschen. 2005–2009 wurde die Verwendung des giftigen CdTe als Halbleitermaterial von Wettbewerbern der „Silizium-Modul-Produktion“ heftig kritisiert, mit der Forderung, diese Verwendung zu verbieten. Anlässlich dieser Diskussion wurde die Gesellschaft darauf aufmerksam, dass Solarmodule Giftstoffe und Schwermetalle enthalten. Vielfältige Studien prüften die Verwendung von CdTe und kamen zu dem Ergebnis, dass die sorgfältige Verwendung unbedenklich für Mensch & Umwelt sei, wenn bei Produktion und Recycling bestimmte Empfehlungen berücksichtigt würden. Die EU schloss sich dieser Einschätzung an und enthielt bisher Solarmodule von der RoHS-Richtlinie 1), die die Verwendung von Giftstoffen in elektronischen Geräten regelt, mit der Option dies 2021 erneut zu prüfen.
Das Beispiel zeigt, dass sich die soziale Akzeptanz einer Technologie wesentlich auf Produktionsdetails und deren Marktdurchdringung auswirken kann. Für First Solar resultierte aus diesem Umstand, die erweiterte Herstellerverantwortung zu übernehmen und zu gewährleisten, dass keine Module in den Abfallstrom geraten und Inhaltsstoffe bestmöglich rückgewonnen werden. First Solar entwickelte ein eigenes Recyclingverfahren und erfasst bereits beim Verkauf den Standort jedes Moduls. Pro Modul wird beim Verkauf eine Rücklage in einen drittverwalteten Recycling-Fonds abgeführt. First Solar ist damit das weltweit einzige Unternehmen, dass das Recycling der PV-Module insolvenzsicher seit 2005 vorfinanziert. Da 90 Prozent des Wafermaterials Cadmium-Tellurid (CdTe) rückgewonnen und der Modulneuproduktion zugeführt werden können, verbessert das Recycling auch die Ökobilanz der Module. Das Trägermaterial Glas wird der Produktion von Glaswolle und Dämmmaterial zugeführt. Laut den Ergebnissen der Nachhaltigkeitsstudie der Solarbranche von Murphy & Spitz 2011 ist First Solar erstklassig in Bezug auf Arbeitsschutz und Umweltschutz aufgestellt. Alle Standorte sind zertifiziert nach ISO 14001.
Für die Solar-Industrie allgemein resultierte aus dieser Schadstoff-Diskussion, dass die Hersteller, bisher auf freiwilliger Basis, Schwermetalle wie beispielsweise Blei (Bleilote) durch alternative Materialien ersetzen.
Solarworld: Recycling kristalliner Silizium-Module
Kristalline PV-Module haben einen Marktanteil von 80 Prozent. Der Marktführer Solarworld, bereits für sein Nachhaltigkeitsengagement ausgezeichnet, entwickelte ein thermisches Recyclingverfahren, mit dem rund 90 Prozent des Wafermaterials Silizium für die Neuproduktion rückgewonnen werden können. Solarworld wurde 1998 von Frank Asbeck gegründet. Das Unternehmen stellt Wafer, Zellen und mono- und polykristalline Module her. Produktionsstandorte sind Freiberg (Deutschland), Camarillo und Hillsboro (USA) sowie Seoul (Südkorea/Joint Venture mit 76,5% Beteiligung, seit 2010 50%). Das Unternehmen beschäftigt 2.000 Menschen.
Solarworld engagiert sich intensiv für Forschung und Weiterentwicklung von Recyclingverfahren für kristalline Silizium-Module. Im Herbst 2011 gründete das Unternehmen ein Joint Venture für das eigenständige Recycling durch Sunicon, ein Recyclingunternehmen an dem Solarworld selbst mit 24 Prozent beteiligt ist. Gleichzeitig trat Solarworld aus dem PV-Cycle Verband aus. Die Nachhaltigkeitsstudie von Murphy & Spitz kommt zu dem Ergebnis, dass Solarworld hinsichtlich Umweltschutz und Arbeitssicherheit gut aufgestellt sei und als einziger Modulhersteller einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentliche. Alle Standorte und auch das Joint Venture sind mittlerweile zertifiziert nach ISO 14001.
Fazit
Die Recycling-Technologie muss für alle Modultypen noch verbessert werden. Nachhaltiges Recycling ist ein Teil-Schritt des Produktlebenszyklus, der sich auf das Produktdesign und die Ökobilanz von PV-Modulen auswirkt. Es gibt einige PV-Unternehmen, die nicht Mitglied bei PV-Cycle sind und keine eigenen Ideen zum Recycling entwickelt haben, geschweige denn finanzielle Rückstellungen hierfür gebildet haben. Aus Sicht von Murphy & Spitz Research ist dies ein bemerkenswerter Punkt.
Fußnoten
- Die EG-Richtlinie 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten regelt die Verwendung von Gefahrstoffen in Geräten und Bauteilen. RoHS steht für „Restriction of (the use of certain) hazardous substances“ (Beschränkung [der Verwendung bestimmter] gefährlicher Stoffe)
- Sustainability: Keeping the Thin Film Industry green. Environment Sustainability of Thin Film PV 2nd EPIA International Thin Film Conference, München, November 2009 zitiert in: Murphy & Spitz Studie GmbH Umwelt 2011 (mit freundlicher Genehmigung von Mariska de Wild-Scholten)
Elke Kuehnle