Ende der EEG-Vergütung
Post-EEG- vs. Ü20-Anlagen: Photovoltaik-Anlagen, die das Ende ihrer EEG-Förderdauer - 20 Jahre plus Inbetriebnahmejahr - erreichen, sind weiterhin EEG-Anlagen. Der immer wieder verwendete Begriff "Post-EEG"-Anlage ist daher sachlich falsch - er sollte nur verwendet werden, wenn von vornherein ohne EEG-Förderung gebaut wurde, die Anlagen also tatsächlich aus einer "Nach-EEG-Ära" stammen. Für diese gibt es bereits erste Ansätze, z.B. wenn die Stromabnahme nicht mehr über eine EEG-Vergütung, sondern über Stromlieferverträge (PPA: Power Purchase Agreement) geregelt wird. Aber auch bei diesen Anlagen werden, etwa bei dem Recht zum vorrangigen Netzanschluss, weiterhin Regelungen des EEG in Anspruch genommen. Ein weiterer Begriff, die "Altanlage" ist bereits besetzt, denn so wurden im EEG 2000 die Anlagen bezeichnet, die bereits vor Inkrafttreten des EEG in Betrieb genommen wurden, vgl. § 2 Abs. 3 Satz 4 EEG 2000. Dieser Artikel verwendet daher ausschließlich den Begriff "Ü20-PV-Anlagen".
Alte Technik - noch betriebssicher?
Die meisten Ü20-PV-Anlagen, die uns bekannt sind und von denen wir im Rahmen des DGS-Projekts "PVLOTSE" erfahren haben, sind noch "gut in Schuss" und liefern ihrem Alter entsprechende Erträge. So ist in vielen Fällen über die 20 Jahre ein gewisses Nachlassen der solaren Erträge feststellbar, die Degradation der Solarmodule aber offensichtlich weitaus geringer als es die damaligen Prognosen und Garantiebedingungen erwarten bzw. befürchten ließen.
Allerdings hatte sich in den meisten Fällen niemand regelmäßig um die Überprüfung der technischen Sicherheit gekümmert - vereinzelt wurde von unregelmäßigen Sichtkontrollen berichtet, nur in den seltensten Fällen wurden zur Kontrolle des Anlagenzustands elektrische Messungen durchgeführt. Um weiterhin einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, ist daher der 20. Geburtstag einer PV-Anlage eine gute Gelegenheit, diese einer sicherheitstechnischen Überprüfung (Sichtkontrolle, Wiederholung der Inbetriebnahme-Messungen, Funktionskontrolle der Schutzeinrichtungen, etc.) zu unterziehen, um Alterungsschäden an den stromführenden Leitungen oder den Solarmodul-Befestigungen auszuschließen.
Weiterhin gut funktionierende PV-Anlagen sollten daher auch nach 20 Jahren weiterbetrieben werden, solange die technische Sicherheit gewährleistet werden kann. Nach weiteren 10, 15 oder 20 Jahren kann über den Ersatz einer dann "uralten" PV-Anlage nachgedacht werden. Aber bereits jetzt gute oder sehr gute PV-Anlagen außer Betrieb zu nehmen und zu verschrotten, führt das Ziel einer 100%-Versorgung durch Erneuerbare Energien ad absurdum.
Die Säulen des EEG
Die Förderung durch das EEG basiert auf drei wesentlichen Säulen, die im ursprünglichen Gesetz aus dem Jahr 2000 enthalten waren und bis heute in der aktuellen Fassung zu finden sind:
- Garantierter Netzanschluss (unverzüglich, vorrangig, ...), vgl. § 3 Abs. 1 EEG 2000 bzw. aktuell § 8 EEG 2017;
- Garantierte Abnahme des eingespeisten Stroms (unverzüglich, vorrangig, ...), vgl. § 3 Abs. 1 EEG 2000 bzw. aktuell § 11 EEG 2017;
- Garantierte Vergütung des eingespeisten Stroms (finanzielle Förderung durch Zahlung kostendeckender Preise, ...), vgl. § 3 Abs. 1 EEG 2000 bzw. aktuell § 19ff EEG 2017.
EEG-Vergütungsdauer
Die Vergütungslaufzeit beträgt 20 Jahre zzgl. Inbetriebnahmejahr, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 EEG 2000 (i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 EEG 2017) bzw. aktuell § 25 EEG 2017. Das EEG 2000 trat am 01.04.2000 in Kraft. Für PV-Anlagen mit tatsächlicher Inbetriebnahme ab dem 01.04.2000 bis zum 31.12.2000 endet mit dem 31.12.2020 die EEG-Vergütungspflicht. Dies gilt auch für ältere PV-Anlagen, die - überwiegend in den 1990er Jahren zu Zeiten des Stromeinspeisegesetzes - bereits vor dem Inkrafttreten des EEG in Betrieb genommen wurden und die unabhängig von ihrem tatsächlichen Errichtungsdatum das fiktive Inbetriebnahmejahr 2000 erhalten haben, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 EEG 2000.
Wer war bzw. wird Abnehmer?
Mit dem Ende der Vergütungslaufzeit entfällt der bisherige, vom Gesetz vorgegebene Abnehmer "Netzbetreiber" für den eingespeisten EE-Strom. Nach derzeitiger Rechtslage darf der Strom aus einer Ü20-PV-Anlage nur noch dann in das öffentliche Stromnetz einspeist werden, wenn der Einspeiser dafür einen Abnehmer hat, der diesen Strom in seinen Bilanzkreis aufnimmt, vgl. § 21b Abs. 1 EEG 2017, und eine "Viertelstundenmessung" der Ist-Einspeisung erfolgt, vgl. § 21b Abs. 3 EEG 2017.
Erstes Fazit
Auch nach dem Ende der EEG-Vergütung bleibt eine Ü20-PV-Anlage eine EEG-Anlage. Siehe dazu auch die Ausführungen der Clearingstelle EEG|KWKG. Deren Fazit: Man darf eine Ü20-PV-Anlage weiter betreiben, an das Stromnetz angeschlossen lassen und den erzeugten Strom in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Allerdings muss sich der Anlagenbetreiber für den eingespeisten Strom einen Abnehmer suchen, denn die Vergütungspflicht des bisher dazu gesetzlich verpflichteten Netzbetreibers entfällt.
Überschuss- statt Volleinspeisung
Mit dem Wegfall der gesetzlichen EEG-Vergütung kann die PV-Anlage grundsätzlich als Volleinspeiseanlage weiterbetrieben werden. Für den weiterhin eingespeisten Strom aus einer "ausgeförderten" Ü20-PV-Anlage erhält man, zumindest aus heutiger Sicht, keine Einspeisevergütung mehr. Daher ist es wirtschaftlich sinnvoll, den erzeugten Solarstrom so weit wie möglich selbst zu verbrauchen, d.h. den Netzanschluss der Ü20-PV-Anlage von einer Volleinspeisung auf eine Überschusseinspeisung zu ändern.
Bei einer Überschusseinspeisung muss weiterhin die Solarstrom-Erzeugung erfasst werden, damit für den Eigenverbrauch die anteilige EEG-Umlage abgerechnet werden kann. Der Wechsel von Volleinspeisung auf Überschusseinspeisung führt nicht zu einer neuen Inbetriebnahme der Ü20-PV-Anlage, so dass diese aus technischer Sicht Bestandsschutz genießt und keine Ertüchtigung im Hinblick auf die VDE-AR-N 4105:2018 erforderlich ist.
Der Haken bei der Einspeisung
Gemäß der aktuellen Rechtslage ist eine "wilde" Einspeisung nicht zulässig. Sobald für Ü20-PV-Anlagen die Einspeisevergütung gemäß EEG wegfällt, bleibt - wie oben ausgeführt - nur die "sonstige Direktvermarktung". Diese erfordert eine Messung und Bilanzierung der Ist-Einspeisung mit viertelstündlicher Auflösung der Ü20-PV-Anlage und den Abruf der Ist-Einspeisung und die Fernsteuerbarkeit nach § 20 Abs. 2 EEG 2017, was bei Kleinanlagen unter 30 kWp - und insbesondere Kleinstanlagen unter 10 kWp - zu unverhältnismäßig hohen Kosten führt.
Derzeit sind nur wenige Direktvermarkter aktiv, die kleine und kleinste PV-Anlagen unter Vertrag nehmen. Die dabei erzielten Erlöse aus der ungeförderten Direktvermarktung sind teilweise sogar geringer als die durch die Direktvermarktung entstehenden Kosten wie Direktvermarkter-Entgelt, Nachrüstung der Fernsteuerbarkeit oder Nachrüstung der Viertelstundenmessung. Die Direktvermarktung ist bei diesen kleinen PV-Anlagen deshalb wirtschaftlich sinnlos.
Die EEG-Umlage
Der Eigenverbrauch aus PV-Anlagen mit einer Nennleistung bis 10 kWp ist für max. 10 MWh/Jahr von der 40%igen EEG-Umlage befreit. Mit dem Ende der EEG-Vergütung endet diese Privilegierung des Eigenverbrauches und es muss - zumindest nach derzeitiger Rechtslage - die 40%ige EEG-Umlage auf den eigengenutzten PV-Strom abgeführt werden, vgl. § 61 Abs. 1, § 61a Nr. 4 und § 61b EEG 2017.
Die neue EU-Regelung zur Eigenversorgung mit EE-Strom sieht vor, dass eigenerzeugte Elektrizität - zumindest aus Anlagen mit einer Nennleistung bis 30 kW - keinen Abgaben, Umlagen oder Gebühren unterworfen sein darf (vgl. Art. 21 Abs. 2 a) ii) EE-Richtlinie). Wann und in welcher Form diese EE-Richtlinie in deutsches Recht überführt wird, ist derzeit nur begrenzt absehbar: Die Umsetzungsfrist läuft bis zum 30.06.2021. Sofern die Bundesregierung diese Frist ausschöpft, wäre für das für die ersten Ü20-PV-Anlagen ein halbes Jahr zu spät (siehe auch Artikel auf Seite 18 in dieser Ausgabe).
Ausblick
Der Weiterbetrieb ist in den meisten Fällen aus technischer Sicht sinnvoll, scheitert aber - nach gegenwärtiger Rechtslage - an wirtschaftlichen Hürden. Vielleicht gelingt es in den nächsten Monaten, eine "vernünftige" Folgeregelung für eine Einspeisevergütung von Ü20-PV-Anlagen zu finden:
Ein zentraler Baustein ist der - auch bereits heute rechtlich zulässige - Eigenverbrauch des erzeugten Solarstroms. In den meisten Fällen ist es aber unmöglich, eine Eigenverbrauchsquote von 100% zu erreichen, so dass es weiterhin zu einer Einspeisung des Überschuss-Stromes kommen wird.
Ein weiterer zentraler Baustein wäre eine den Betriebskosten (u.a. Zählergebühr, Wartung, Versicherung, Reparaturen, etc.) angepasste Einspeisevergütung in Höhe von ca. 5 Cent/kWh, mindestens jedoch in Höhe der monatlichen Durchschnittswerte der Börsenstrompreise.
Der Netzbetreiber könnte weiterhin für das Zahlen der Einspeisevergütung, egal ob Voll- oder Überschusseinspeisung, zuständig sein - er ist es ja bisher schon und die entsprechende "Infrastruktur" zur Zählung und Abrechnung sowie zur Zuordnung in Bilanzkreise ist vorhanden und könnte ohne großen Aufwand weiter genutzt werden.
Für Ü20-PV-Anlagen bis 100 kWp sollte bei Inanspruchnahme der "sonstigen Direktvermarktung" keine Viertelstundenmessung vorgeschrieben werden - sie war es für diese PV-Anlagen ja bisher nicht und ihre Nachrüstung ist mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden.
Darüber hinaus sollte die EEG-Umlage - wie von der EU-Richtlinie vorgegeben - für den Eigenverbrauch aus PV-Anlagen bis 30 kWp entfallen.
Was tun?
Soweit nicht bereits regelmäßige sicherheitstechnische Überprüfungen stattgefunden haben, sollte in den nächsten 12 Monaten das Durchführen einer Wiederholungsprüfung ins Auge gefasst werden.
Darüber hinaus gilt "Wait and Watch", also: Abwarten und beobachten. Sofern sich bis zum Jahresende 2020 gesetzlich nichts tut:
(1) Umrüstung der Ü20-PV-Anlage ab Beginn des Jahres 2021 von Voll- auf Überschusseinspeisung, um den Solarstrom zukünftig zumindest anteilig selbst zu verbrauchen. Zusätzlich kann der Eigenverbrauch durch die Anschaffung eines stationären Speichers oder eines Elektrofahrzeuges erhöht werden.
(2) Suchen eines Direktvermarkters für den weiterhin eingespeisten Solarstrom.
(3) Weiterbetrieb der Ü20-PVAnlage als "Null-Einspeise-Anlage" mit entsprechender Abregelung.
Wichtig: Der Wechsel in die Direktvermarktung ist dem Netzbetreiber mindestens einen Monat vorher mitzuteilen, vgl. § 21c EEG 2017. Jetzt ist außerdem eine gute Gelegenheit, den Betrieb der Ü20-PV-Anlage "in spe", soweit das noch nicht erfolgt sein sollte, in das Marktstammdatenregister (vgl. § 6 EEG 2017) der Bundesnetzagentur nachzumelden. Zusätzlich ist später der Wechsel der Einspeiseart und/oder der Wechsel in die Direktvermarktung zu melden.
Bitte: Unterzeichnen Sie die - auch von der DGS unterstützte - Online-Petition des Solarenergie-Förderverein Deutschland, der eine deutliche Vereinfachung des gesetzlichen Regelwerkes für den Weiterbetrieb von Ü20-PV-Anlagen fordert: www.weact.campact.de/petitions/kein-aus-fur-solaranlagen-nach-20-jahren.
Quellen
Ich bedanke mich bei folgenden Juristen dafür, dass ich sie immer wieder mit meinen EEG-rechtlichen Fragen behelligen darf: Bettina Hennig (von Bredow Valentin Herz, Berlin), Lukas Kostrach (Rödl+Partner, Nürnberg), Margarete von Oppen (Arnecke Sibeth Dabelstein, Berlin).
Christian Dürschner