Von der CO2-Steuer zur nachhaltigen Wirtschaft
In der gegenwärtigen politischen Situation hat sich die Diskussion über wirksame Instrumente zur Eindämmung des Klimawandels zugespitzt. Die DGS hat sich klar für eine CO2-Steuer ausgesprochen. Der Beirat der DGS sieht sich veranlasst, die Dringlichkeit zu betonen, die sozial-ökonomischen Implikationen zu beleuchten sowie der Politik Alternativen zu einer CO2-Steuer vorzuschlagen.
Vor mehr als 12 Jahren erschien 2007 ein interessanter Vorschlag zum Thema Klimaschutz: Wer Kohlenstoff in Form von Erdöl, Erdgas oder Kohle bergmännisch fördert oder importiert und so in den Markt einer Volkwirtschaft einbringen will, benötige eine Lizenz in Form eines zu kaufenden und handelbaren Zertifikats. Die Menge der Zertifikate werde stetig verknappt, so dass sich die Emissionen an CO2 automatisch vermindern. Der Autor Dr. Gerd Eisenbeiß, ehemaliges Vorstandsmitglied für den Bereich Energie des Forschungszentrums Jülich, schlug vor, alle auf den Markt kommenden kohlenstoffhaltigen Energieträger zu erfassen, nach ihrem Kohlenstoffgehalt zu bewerten und danach Kohlenstoff-Lizenzen zu erteilen. Vor der Entstehung von CO2 müsse man ansetzen, dann brauche man nicht mehr jedes Auto, jede Heizung, jede Glühlampe und jede Kleinanlage zu erfassen, um die Emission der Treibhausgase mit einem Preis zu versehen. Wenn solche Kohlenstoff-Lizenzen gekauft und gehandelt werden müssten, dann würde die Menschheit sofort weniger CO2 erzeugen (1).
Auch dass die Einnahmen des Staates aus den Lizenzeinnahmen zur sozialen Kompensation der höheren Kosten einzusetzen seien, war Teil des Vorschlags. Scheinbar schwierige Fragen wie etwa die Bewertung von Bio-Energien würden automatisch beantwortet, weil bei einer Pflanze nur jene im Dünger und im Maschineneinsatz direkt oder indirekt enthaltenen Kohlenstoffanteile lizenzpflichtig seien, nicht aber aus der Luft gebundener oder recycelter Kohlenstoff. Leider ist die Politik auf diesen genialen Vorschlag nicht eingegangen – wohl wegen den sich ergebenden Preiseffekten in allen Lebensbereichen. Bis heute huldigt man der Illusion, Klimaschutz könne ohne kostenbedingte schwerwiegende Struktureffekte in der Wirtschaft und die Zumutung beträchtlicher Änderungen im Lebensstil der Menschen gelingen (2).
Heute ist sowohl die globale, als auch die deutsche klimapolitische Situation im Grunde unverändert - außer dass viel Zeit verschenkt wurde und zwischenzeitlich noch einmal so viel Treibhausgase emittiert wurden, dass sanfte Wege in effektiven Klimaschutz nicht mehr möglich erscheinen.
Obwohl es große Fortschritte bei der Entwicklung und Anwendung Erneuerbarer Energien gibt, ist die zerstörerische Kraft des Klimawandels so deutlich geworden, dass immer mehr Städte den „Klimanotstand“ ausgerufen haben. In Europa weiten sich Bewegungen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion aus. Es ist dringend geworden, die Emission von Treibhausgasen teuer zu machen, um sie rasch und wirkungsvoll zu reduzieren. Es scheint sekundär, ob dies durch ein Kohlenstoff-Lizenzverfahren oder eine CO2-Steuer geschieht. In beiden Fällen muss mit einer stetigen Preisanhebung eine Lenkungswirkung in der Wirtschaft erreicht werden. Aus aktuellen Gründen, wird sich dieser Artikel aber nur mit einer CO2-Lenkungsabgabe befassen.
Ein CO2-Preis als Lenkungsabgabe
Die DGS hat sich am 5. Mai 2019 für einen CO2-Preis von 180 €/t CO2 ausgesprochen (3). Das ist ungefähr das 10fache des derzeitigen Preisniveaus im Emissionshandel der EU. Die DGS ist zwar keine NGO für Klimaschutz, seit vielen Jahren stellen die Mitglieder aber fest, dass alle notwendigen Technologien bereits erforscht und entwickelt wurden, um fossile Energien wie Kohle, Erdöl und Erdgas in den nächsten Jahren vollständig zu ersetzen. Mit diesen Techniken könnte das Klimaproblem zumindest technisch rasch gelöst werden. Besonders in Deutschland haben Wissenschaftler und Techniker sie so weit entwickelt, dass sie nicht nur wirtschaftlich auf Augenhöhe mit Kohle und Atom sind, sondern teilweise sogar preiswerter als alle fossilen und nuklearen Energien (sofern diese nicht subventioniert werden): Durch das EEG im Strombereich ist das sehr deutlich geworden. Der Strom aus abgeschalteten Atomkraftwerken wurde inzwischen durch Solar- und Windstrom ersetzt. Im Wärmebereich für Heizung von Wohn- und Arbeitsgebäuden sowie für Prozesswärme in der Industrie ist das noch nicht in dem Maße gelungen, weil die Anfangsinvestitionen noch relativ hoch sind. Erst eine Massenproduktion würde hier die notwendigen Skaleneffekte und Kostensenkungen bringen. Doch die Bundesregierung blockiert den Ausbau der Erneuerbaren durch völlig unsinnige Ausbaubegrenzungen – angeblich, um die Energiewende bezahlbar zu machen und erreicht damit faktisch genau das Gegenteil.
Mit einer CO2-Abgabe würden alle, CO2-freien, bzw. neutralen Energieträger und Produktionsprozesse gegenüber Technologien, die mit fossilen CO2-Emissionen verbunden sind, mit einem Schlag preiswerter: Bei einer geringen Steuer zunächst nur wenig, mit einem wachsenden Steuervolumen aber immer deutlicher. Bei 180 Euro/t CO2 würden Heizöl, Benzin und Diesel ca. um 57 Cent/Liter teurer, Erdgas (4) um 36 Cent/m3 und Kohlestrom um 21 Cent/KWh (5). Sie könnte andere Umweltsteuern ersetzen, zum Beispiel die Ökosteuer.
Subventionen für fossile Energieträger schrittweise streichen
Nicht nur Strom sondern vor allem solare Wärmegewinnung und solare Kraftstoffe könnten ihre grundsätzliche Wirtschaftlichkeit deutlicher werden lassen, wenn die Subventionen für fossile Energien wegfielen und CO2- und Klimagasemissionen einen Preis hätten, der sich an den Kosten der Umweltschäden bemessen würde. Fair wäre, wenn alle Wettbewerber im Energiebereich die Kosten tragen, die sie selbst verursachen. In einer Marktwirtschaft sollte das eigentlich kein Thema sein. Zwar sind Subventionen sozial heute noch notwendig, um z. B. Strom und Wärme für Bedürftige bezahlbar zu halten. Doch mit 48 Mrd. Euro pro Jahr wird das fossile Zeitalter letztlich gewaltsam aufrechterhalten – die Bundesregierung subventioniert mit vielerlei Vergünstigungen die Klimakatastrophe, obwohl im Pariser Klimaabkommen der Abbau von Subventionen unterschrieben wurde.
Die für den sozialen Frieden gebotene Langsamkeit des Subventionsabbaus und der für den Klimaschutz gebotenen Schnelligkeit ist mit fortschreitender Erderwärmung immer schwerer zur Deckung zu bringen (6). Die Klimafolgenforscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenfoschung (PIK) sprechen vom größten Marktversagen in der Geschichte: Die Preise sagen zu lange schon nicht mehr die ökologische Wahrheit. Wir bezahlen weniger als es uns kostet. Daher haben die Preise keine Lenkungswirkung in eine ökonomisch-ökologische Richtung.
Keine kostenlose Müllentsorgung
Die Bevölkerung in Deutschland trennt den Müll seit Jahrzehnten. Nur der Müll aus den Verbrennungsanlagen, Kohlekraftwerken und dem Kraftverkehr wird fröhlich und kostenlos in die Atmosphäre entsorgt. Dort sorgt er für den Klimawandel, für unerträgliche Hitze, für Dürre in der Landwirtschaft, Überschwemmungen und Artensterben. Durch eine CO2-Lenkungsabgabe bekäme diese Entsorgung ebenfalls einen Preis. Anfangs vielleicht einen politisch motiviert geringen, um die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft nicht zu überfordern. Die DGS empfiehlt einen Preis von 180 €/t CO2, damit das Preissignal so deutlich ausfällt, dass es sofort eine Lenkungswirkung (7) entfaltet. Aus diesem Grunde sollte die CO2-Steuer besser Lenkungsabgabe heißen (8).
Warum jetzt eine rasche Senkung der Emissionen in Deutschland?
Auf der Klimakonferenz in Paris haben sich die Völker der Welt das Ziel gesetzt, die Erwärmung der Biosphäre auf möglichst 1,5°C zu begrenzen. Ein Grad ist bereits erreicht. Bleiben noch 0,5°C. Um diese Grenze global bis zum Jahre 2050 nicht zu überschreiten, muss sofort gehandelt werden. Diese Herausforderung kann von den reichen Industrieländern leichter bewältigt werden. Sie haben sich daher mit Unterschrift unter das Klimaabkommen dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen schon bis 2036 auf null zu reduzieren.
Wo ist die Ökosteuer geblieben?
Es besteht in der Politik Konsens, dass die Einnahmen aus einer CO2-Abgabe den Bürgern wieder zurückerstattet werden – so wie seit 20 Jahren die Einnahmen der Ökosteuer. Mit der Einführung der Ökosteuer 1999 hat man das schon einmal erfolgreich probiert: 18 Mrd. € entlasten bis heute die Rentenkasse und damit die Löhne. Dennoch ist das Geld vollständig aus den Augen und aus dem Bewusstsein der Bürger verschwunden und scheint im Staatssäckel gelandet zu sein. Der Lohnzuwachs ist durch die Inflation inzwischen wieder aufgefressen worden. Zwar wurden von der Ökosteuer auch die Erneuerbaren in Form von solarthermischen Anlagen gefördert, die damals prompt einen kurzen Höhenflug antraten, aber das weiß heute schon keiner mehr. Weil die Steuer ab 2009 nicht wie geplant kontinuierlich erhöht wurde, konnte sich keine nachhaltige Lenkungswirkung in der Wirtschaft entfalten. Inzwischen ist das Gesamtvolumen der Öko- und anderer Umweltsteuern (falscher Name – denn nicht die Umwelt soll besteuert werden, sondern die Schadstoffe) aber dennoch auf ca. 57 Mrd. Euro angestiegen.
Wer zahlt eigentlich die Energiewende?
Die CO2-Zertifikate aus dem ETS (dem Europäischen Emissionshandel), die die EVU (Energieversorgungsunternehmen) 2005 hätten eigentlich kaufen sollen, wurden ihnen zum Teil vom Staat geschenkt. Die EVU gaben das Geschenk aber nicht an die Verbraucher weiter, sondern erhöhten die Preise. Seitdem bezahlen die Haushalte das „Geschenk“ des Staates mit ihren Strom- und Gaspreisen. Mehr noch, die Kosten der Erneuerbaren – die so genannte EEG-Umlage, die an der Börse entsteht (9) – wird vor allem von den Haushalten bezahlt. Zwar profitiert die Industrie von sinkenden Börsenpreisen wenn viel Ökostrom gewonnen wird, aber die damit wachsende EEG-Umlage wird ungerechterweise überwiegend auf die Bürger umgelegt, weil viele Industriezweige ausgenommen sind. Seitdem „subventionieren“ die Bürger Deutschlands die Produktionskosten der Industrie mit 5 Mrd. Euro jährlich. Die EU-Kommission billigte die Vorgehensweise auf Druck Deutschlands. Die Bürger bezahlen die Energiewende fast vollständig selbst. Das Vertrauen in derlei Steuern, Abgaben und unfairer Umlagen ist wegen dieser Erfahrungen verständlicherweise sehr begrenzt!
Wirtschaftspolitische Überlegungen
Die Politik weiß zwar, dass eine CO2-Bepreisung ein geeignetes Instrument ist, um die Energiewende zu beschleunigen. Doch sie ist ängstlich. Sie fährt lieber eine soziale Angstkampagne, die bei einer Mehrheit der Deutschen auf Grund ihrer Erfahrungen verfängt, obwohl über 90 % für mehr Erneuerbare und für mehr Klimaschutz sind! Wie passt das zusammen? Eine Mehrheit der Bevölkerung glaubt eben nicht mehr, dass das CO2-Steuergeld etwas bewirken kann, da die gegenwärtig 57 Mrd. pro Jahr nicht viel gebracht haben. Sie glauben nicht, dass das Geld, das zurückerstattet werden soll, ihnen einen ökonomischen oder ökologischen Vorteil bringt. Vielmehr befürchtet man bei einem relativ geringen Einstiegspreis von z. B. 35 Euro/t CO2, wie vom BMUB vorgeschlagen, eine allgemeine Inflation – also eine Anhebung aller Preise, nicht nur derjenigen, die mit CO2-intensiven Produkten und Verfahren zusammenhängen. Die Lenkungswirkung hin zu einer ökologischeren Wirtschaftsweise wäre wieder aufgehoben.
Statt Abgabe - eine Klimadividende
Prof. Maja Göpel schlägt daher den Begriff Klimaprämie oder Klimadividende vor: „…denn die die Idee ist doch, bestehende Energiesteuern und -abgaben so umzustrukturieren, dass Menschen und Unternehmen profitieren, die sich klimafreundlich verhalten und CO2-arme oder -freie Angebote entwickeln.“ Prof. Ottmar Edenhofer, einer der Direktoren des PIK, hat berechnet, dass bei einem CO2-Preis von 60 €/t CO2 jeder Mensch in Deutschland 162 €/Jahr ausbezahlt bekäme. Edenhofer bezieht in seine Überlegungen nur die Bereiche ein, die nicht vom ETS erfasst sind. Das sind Haushalte und Verkehr, die gegenwärtig ca. 3 t CO2 pro Kopf betragen. Insgesamt verursacht jeder Mensch in Deutschland eine Emission von 8,9 t CO2. Bei einer CO2-Steuer von 60 €/t müsste sich nach Edenhofers Vorschlag theoretisch die Rückzahlung auf 180 € /Kopf und Jahr belaufen. Doch lediglich eine Pauschale von 162 € soll an jeden Menschen rückgezahlt werden, und zwar weil (10):
- nur rückverteilt werden soll, was die Haushalte direkt an CO2 emittieren. Die indirekten Emissionen, die im Konsum von Gütern und Dienstleistungen stecken, sollen nicht berücksichtigt werden.
- die neue CO2-Abgabe nicht zusätzlich auf die bisherigen Umweltsteuern erhoben werden, sondern die bisherigen Energiesteuern auf Strom, Brenn- und Kraftstoffe ersetzen soll.
- eine Stromsteuersenkung finanziert werden soll, die auch den Haushalten zugute käme, indem Wärmepumpen und Stromspeicher preiswerter werden.
Dieses Beispiel für die vom PIK errechnete Dividende gibt eine Orientierung für eine soziale Kompensation. Aber eine undifferenzierte Rückzahlungspauschale wird für diejenigen nicht ausreichend sein, die sich nicht ohne weiteres umweltfreundlicher verhalten können. Je höher die CO2-Abgabe ist, desto belastender kann sie für viele Menschen in einer Übergangszeit werden. Bei 180 €/t CO2 wird es notwendig sein, in Härtefällen bis zu 540 Euro zurückzuzahlen (11). Für eine Mehrheit der Bevölkerung kann die Dividende aber zur verstärkten Nutzung der Erneuerbaren in den Haushalten führen. Doch ob es zu alternativen „so zusagen CO2-freien“ und daher preiswerteren Angeboten von Waren, Dienstleistungen und Industriegütern kommt, hängt davon ab, ob Industrie und Landwirtschaft die CO2-Steuer an die Verbraucher weitergeben dürfen oder nicht. Im letzteren Fall, der zwar richtig wäre, befürchtet die Politik aber ein erhebliches Risiko in der Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) durch die Industrie ins Ausland, was global gesehen niemandem helfen würde.
Welche Lenkungswirkung sich ergibt, hängt auch davon ab, ob sich an den indirekten Subventionen in Form von Steuervergünstigungen für CO2-intensive Industrieprozesse und -produktionen etwas ändert oder nicht. Wenn man diese nicht abbaut, müsste die CO2-Steuer eigentlich so hoch sein, dass sie die Subventionen von 48 Mrd. Euro übersteigt. Eingenommen würden bei obigem Beispiel von 60 €/t CO2 aber nur ca. 15 Mrd. Euro. Daher müssten Ökonomen beurteilen, ob die Steuer nicht doch 180 Euro pro Tonne CO2, wie vom Umweltbundesamt und der DGS vorgeschlagen wird, betragen müsste, um eine Lenkungswirkung zu erzeugen.
CO2-Emissionen durch Einsparungen reduzieren oder vermeiden
Eine Reduzierung des Energieverbrauchs wäre eine Alternative. Wenn man z. B. mit 50 % weniger Energie heizen könnte, dann wäre die Kostenbelastung für Erdöl oder Erdgas um 50 % billiger. Wenn man mit Solarwärme oder mit Solarstrom heizt, wäscht und das Geschirr spülen würde, fällt keine CO2-Steuer an und man bekäme dennoch eine Prokopf-Pauschale aus den Einnahmen ausgezahlt.
Eine CO2-Steuer begünstigt eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
Die Angstkampagne der Regierung, der Wirtschaft und der Politik hat aber noch einen ganz anderen Grund: Auch in der Wirtschaft und den Banken hat sich herumgesprochen, dass es ein Klimaproblem gibt. Dabei ist den Wirtschafts- und Finanzmanagern inzwischen folgendes klar geworden: Wenn es so ist, dass die Emissionen von Klimagasen in die Atmosphäre begrenzt sind (zumindest mit wachsenden Kosten verbunden), dann ist auch das Wirtschaftswachstum begrenzt – jedenfalls in alter fossiler Manier. Da aber die Banken mit mindestens 5 Bio. Euro in den Vermögenswerten der Erdöl-, Erdgas und Kohlewelt stecken, könnte dies für sie schwierig werden: Die Investitionen würden plötzlich wertlos! Banken könnten reihenweise zusammenbrechen. Das ist die wahre Angst der Politiker vor einer CO2-Besteuerung. Vor der Aufgabe, die Wachstumsmaschinerie zum Stillstand zu bringen, haben Politik und Wirtschaft Angst. Man fürchtet ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine Demokratie oder keine funktionierende kapitalistische Wirtschaft mehr. Es ist aber notwendig, das Wirtschaftswachstum in eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu transformieren, denn darin besteht die wahre, die große Herausforderung für uns alle.
Zwei Szenarien
- Eine Gesellschaft, die dazu tendiert, den Klimawandel zu ignorieren, untergräbt ihre sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen. Insbesondere eine Demokratie ist auf die Diskussion und Reaktion realer Fakten angewiesen. Die Bundesregierung sollte den Tatsachen ins Auge sehen und die Bevölkerung auf den jetzt kommenden Klimanotstand und auf eine CO2-Lenkungsabgabe vorbereiten. Demokratische Verhältnisse fußen auf Realismus und der Wahrheit in Sprache und Handeln. Schafft sich eine Gesellschaft eine eigene Wirklichkeit, die reale Tatsachen ausblendet, kann die Demokratie nicht überleben. Es besteht die Gefahr diktatorischer Verhältnisse, wie sie sich in den USA schrittweise entwickelt, um die alte Wirtschaftsordnung aufrecht zu halten. Sie würden das zivile, freiheitliche, demokratische Leben zerstören. Ein Wirtschafts- und Klimakollaps stünde bevor. In der Folge gäbe es weder Wirtschaftswachstum noch Arbeitsplätze.
- Die politisch Verantwortlichen erkennen endlich die Dringlichkeit des Handelns und beginnen mit einem massiven Einstieg in erneuerbare Energietechnologien für die Energiewende und in eine regenerative Kreislaufwirtschaft (siehe regenerativer Kapitalismus (12)). So gäbe es übergangsweise ein grünes Wirtschaftswachstum. Für ein solches Szenario fordert die DGS: eine Verzehnfachung der Anzahl der Windräder, eine Verhundertfachung der Photovoltaik für erneuerbaren Strom, ebenfalls eine solche der Kollektoranlagen für solare Wärme und eine für geothermische Energien, ein solares Modernisierungsprogramm für Gebäude und generell ein solares nachhaltiges Bauen. Das wäre ein Konjunkturprogramm ersten Ranges in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft mit 100.000en neuen Arbeitsplätzen (13). Das würde uns eine Atempause hinsichtlich der Verpflichtungen Deutschlands zur raschen Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2036 gewähren.
Wie nun die Politik den Menschen in Deutschland eine CO2-Steuer oder eine Klimadividende verkaufen kann, müssen sich diejenigen überlegen, die den Ausbau der Erneuerbaren und ein Solarzeitalter seit Jahren behindern. Manche möchten etwas Intelligenteres als eine CO2-Steuer einführen. Das ist gut möglich, denn eigentlich sollte man:
- rasch bis 2030 aus dem Kohlebergbau aussteigen,
- Kohlenstoff-Lizenzen an diejenigen verkaufen, die Kohlenstoff herstellen oder in Verkehr bringen.
- die Nutzungstechnologien Erneuerbarer Energien massiv ausbauen,
- Subventionen für fossile Energien abbauen und
- in neue Technologien zur Energieeffizienz und Energieeinsparung investieren.
Vor allem aber sollte die Politik endlich ein Gesamtkonzept für die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft, in eine ökologisch-ökonomische Kreislaufwirtschaft vorlegen und mit der Gesellschaft in eine Diskussion einsteigen, wie Deutschland bis 2036 Klimaneutralität erreichen kann.
Fußnoten
1) Süddeutsche Zeitung, 14. März 2007.
2) Alle Zitate von Eisenbeiss-Texten sind zu finden auf www.politikessays.de, Kapitel Energie, Verkehr&Klima
3) www.dgs.de/index.php?id=3908
4) www.klimaneutral-handeln.de/php/kompens-berechnen.php#rechner
5) www.volker-quaschning.de/datserv/CO2-spez/index.php
6) Gerd Eisenbeiß: „Klimaschutz und Erderwärmung“ 12. Mai 2019.
7) www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#textpart-5
8) Vorschlag des Solarenergie Fördervereins Aachen (SFV)
9) Die Umlage ist die Differenz zwischen Einspeisevergütung und Börsenpreis.
10) Prof. Ottmar Edenhofer vom 29. Mai 2019.
11) 3,0 t CO2/Kopf x 180 € = 540 €
12) https://thomashuebl.com/de/die-zukunft-des-kapitalismus-und-regenerative-wirtschaft/
13) Erfurter Erklärung der DGS: https://www.dgs.de/fileadmin/bilder/Pressemitteilungen/DGS-Erfurter_Erklaerung_CO2_Positionspapier.pdf
Gerd Stadermann und Martin Schnauss