Direkt- und Eigenversorgung mit Bürgerstrom
Auf dem Tisch liegt die erste Ausgabe der SONNENENERGIE des Jahres 2019. Das bietet Gelegenheit für einen Rückblick wie auch darauf, was uns in diesem Jahr am Herzen liegen sollte. 2018 fiel auf, dass die Regierung, obwohl noch gar nicht so lange im Amt, den Gesetzesausstoß in Sachen Energiepolitik mächtig intensiviert hat. Peter Altmaier scheint als Energieminister nahezu omnipräsent und drückt auf die Tube. Während in vielen Bereichen des Klima- und Umweltschutzes, aber auch der Verkehrs- oder Verbraucherschutzpolitik das Prinzip der Freiwilligkeit als hehres Ideal gelobt und zur Grundlage der Gesetzgebung gemacht wird, verhält es sich in der Energiepolitik genau anders herum. Altmaier bevorzugt das Ordnungsrecht. Dafür stehen Gesetze wie das Digitalisierungsgesetz, das Energiesammelgesetz, das Marktstammdatenregister und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz. Themen, über die wir 2018 berichtet haben. Erst in den Zusammenhang gesetzt, wird deutlich, dass dahinter ein Konzept steht, das systematisch abgearbeitet wird.
Es ist nicht so, wie früher kritisiert wurde, dass die Energiewende einfach abgewürgt und zurechtgestutzt wird. Das mag in den ersten Perioden der Merkel-Regierungen der Fall gewesen sein, als die Erneuerbaren noch zum gemeinsamen Feindbild der Koalitionäre gehört hatten. Inzwischen ist es deutlich, dass Altmaier eine Energiewendepolitik für die Großen der Energiebranche macht. Gegen Solar und Wind haben die nichts mehr einzuwenden, solange sie glauben, diese dominieren und profitabel nutzen zu können. Dafür wird das Ordnungsrecht bemüht. Und aus den ursprünglichen Anfängen einer Energieeffizienztheorie im fossilen Heizungsbereich ist längst eine übergeordnete Megastrategie des Fuel Switch hin zum Erdgas geworden. Sie ist zum strategischen Gerüst der Außen- und Europapolitik geworden und wird verbissen vorangetrieben. Da will man sich in der Koalition weder von Trump noch von einer Mehrheit der EU-Staaten abbringen lassen.
Wir sollten uns klar machen, dass es nicht die eine Energiewende gibt, sondern konkurrierende und konträre Konzepte. Die Kleinteiligkeit der Bürgerenergie, die Vielzahl der Solardachanlagen und Windräder passen nicht in die Denke der Konzernlenker und Regierungsstrategen. Ihnen geht es um Anlage großer Kapitalvolumina. Mittelständische Anleger haben da keine Fürsprecher. In der EU wird dem deutschen Kurs nicht gefolgt, er wird vielfach konterkariert. So hat das EU-Parlament im November 2018 im Rahmen der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschlossen, dass die Verbraucher europaweit das Recht haben sollten, Strom selbst zu erzeugen, zu speichern und zu verkaufen, ohne dass sie dabei mit diskriminierenden Vorgaben, unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden oder Abgaben und Umlagen belastet werden dürfen.
Es könnte der Anfang für eine Neustrukturierung des Strommarktes werden. Eine dezentrale, vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger getragene Energiewende hat demokratische, soziale, ökologische und ökonomische Vorteile gegenüber einem zentralen Energiesystem. Mit diesem bürgerschaftlichen Kurs ist die DGS im vergangenen Jahr gewachsen und wird dies auch 2019 tun. Unsere Aktivitäten und Konzepte reichen vom Steckersolarmodul bis hin zu energieautarken Mehrfamilienhäusern und Wärmelösungen für Kommunen. Dabei sollten wir uns auch von der Rebellion der Schüler inspirieren lassen, die freitags eine andere Priorität als Schulunterricht entdeckt haben. Wir sollten zu den jungen Leuten von "Fridays for Future" gehen und mit ihnen über die Solarisierung sprechen. Wer, wenn nicht wir, könnte das besser tun? Dazu passt, jenseits der großen Energiethemen, auch scheinbar Nebensächliches: DGS-Mitglieder sollten 2019 ausschließlich bei Ökostromanbietern kaufen.
Klaus Oberzig