Photovoltaik und Netzstabilität
Herausforderungen an das Verteilernetz durch Photovoltaikanlagen: Photovoltaik-(PV)-Anlagen tragen immer stärker zur Energieversorgung in Deutschland bei. Dadurch ergeben sich neue Herausforderungen zur Gewährleistung der Netzstabilität. Die Verteilnetze waren in der Vergangenheit rein zur Versorgung von Verbrauchern ausgelegt. Durch die zunehmende Verbreitung der PV-Anlagen ergeben sich neue Anforderungen an das Netz, da sich die dezentral erzeugte Energie und die momentane dezentrale Lastanforderung der Verbraucher nur zu einem gewissen Grad decken und somit teilweise Strom bis in die Hochspannungsebene zurückgespeist wird. Entsprechend unterliegt auch der Energiefluss im Netz einer jahres- und tageszeitlichen Schwankung.
Die Leitungen in einem Gebiet müssen nicht auf die Summe der maximalen Anschlussleistungen ausgelegt werden, da diese Leistungen nicht gleichzeitig von allen Verbrauchern benötigt werden. Bei reiner Versorgung (Strombezug der Kunden) konnten die Leitungen aufgrund der anzusetzenden Gleichzeitigkeiten deutlich niedriger dimensioniert werden. Durch den Zubau der Eigenerzeugungsanlagen ergibt sich eine neue Anforderung. Wie sich gezeigt hat, sind für die Netzdimensionierung oftmals die stromeinspeisenden Kunden ausschlaggebend. Das Netz muss so ausgelegt sein, dass es den höchsten resultierenden Lastfluss übertragen kann.
Für eine effiziente Netzplanung müssen somit Kennzahlen für die Gleichzeitigkeit der Einspeisung und der anzurechnenden Leistung je PV Anlage gefunden werden. Die maximal übertragbare Leistung wird zum einen durch die thermische Belastbarkeit der Betriebsmittel begrenzt. Weiterhin führt jeder Lastfluss zu einem Spannungsabfall über der Netzimpedanz. Somit sinkt bei Energiebezug die Spannung zum Verbraucher hin. Durch den umgedrehten Lastfluss steigt allerdings die Spannung an den Netzverknüpfungspunkten der Erzeugeranlagen an. Der Netzbetreiber muss jedoch stets die normativen Grenzwerte des Spannungsbandes (DIN 50160) am Hausanschluss einhalten.
Meteorologische Szenarien für das Auftreten der maximalen Netzbelastung
Im E.ON Bayern Projekt „Netz der Zukunft“, das in Zusammenarbeit mit der Hochschule München und der TU München bearbeitet wird, sollen genau diese neuen Belastungen der Netze analysiert werden. Eine vorbereitende Untersuchung der Lastgänge von 150 bayernweit verteilten PV-Anlagen ergab bereits deutliche Unterschiede in der Verteilung der jeweiligen maximalen Anlagenleistung in den Jahren 2009 und 2010. Bild 2 verdeutlicht, dass die maximale Einspeiseleistung zwar gehäuft in den Sommermonaten auftritt, aber nicht zwangsläufig um den Sonnenhöchststand Ende Juni.
Es ist ersichtlich, dass die Einspeiseleistung von verschiedenen systemtechnischen und meteorologischen Parametern abhängt. Die höchste Leistung ergibt sich bei hoher Einstrahlung, und zugleich niedrigen Temperaturen. Die angegebene Nennleistung der Module (STC Leistung) wird bei einer Globalstrahlung von 1000 W/m2 und einer Zelltemperatur vom 25°C ermittelt. Dieser Fall ist in unseren Breiten ein seltener Betriebspunkt. Mit steigender Temperatur sinkt die Leistung bei kristallinen Modulen um etwa 0,4%/K. Betrachtet man die vorherrschenden Wetterbedingungen vor diesem Hintergrund, ergeben sich für die Maximalleistung zwei konkurrierende Szenarien.
- Bei klarem Himmel werden im Sommer in unseren Breiten Einstrahlungsleistungen um 950 W/m2 erreicht. Der Tagesgang der Globalstrahlung weist in diesem Fall die Form einer Glockenkurve auf. Die erzeugte Leistung der verteilten PV-Systeme zeigt aufgrund der homogenen Wettersituation eine hohe Gleichzeitigkeit. Aufgrund der langsam anwachsenden Strahlung und der hohen Umgebungstemperatur treffen diese Einstrahlungswerte auf hohe Modultemperaturen und die Anlagenleistung bleibt somit deutlich unter der STC Leistung.
- Das zweite Szenario ergibt sich an Tagen mit wechselnder Bewölkung. Durch Reflexionen an tiefen Wolken entstehen Überhöhungen der Globalstrahlung, die bis auf Werte oberhalb der Solarkonstante anwachsen. Zusätzlich treffen diese Einstrahlungsüberhöhungen aufgrund der thermischen Zeitkonstante der Module auf niedrige Zelltemperaturen. Die hieraus resultierenden Leistungsspitzen werden jedoch durch die maximale Wechselrichterleistung begrenzt. Die Gleichzeitigkeit ist bei diesem Phänomen bedingt durch den Wolkenzug geringer als die klarer Tage.
Quantifizierung der maximal auftretenden Leistung
Die erzeugte Leistung hängt zusätzlich von den systemtechnischen Bedingungen der einzelnen Anlagen ab. Hier spielt die Ausrichtung und die Orientierung eine wichtige Rolle. PV Anlagen erzielen in Deutschland den höchsten Jahresertrag bei einer Südausrichtung mit einer Neigung von 28 Grad. Aufdachanlagen weichen aufgrund der Gegebenheiten der realen Dächer meist von diesem Optimum ab. Ein weiterer Faktor ist die Auslegung des Wechselrichters, er bildet die Übergabestelle zum Netz. Somit limitieren seine Grenzwerte die maximal übertragbare Leistung. Eine Analyse der installierten PV-Systeme im Projektgebiet Seebach bei Deggendorf zeigt eine sehr stabile Verteilung des Verhältnisses aus der maximalen AC Leistung des Wechselrichters und der STC Leistung des PV Generators von ca. 0,89 über alle Anlagen. Hierbei liegen kleine Anlagen etwas niedriger, mit wachsender Anlagengröße zeigt sich ein leicht steigender Trend.
Untersuchungen im Rahmen des Projektes haben gezeigt, dass an klaren Tagen die maximale Einspeiseleistung bei etwas über 80% der installierten Modulleistung liegt. Die maximale Globalstrahlung an einem klaren Tag lässt sich für den Sonnenhöchststand und typischen Parametern für die Atmosphäre berechnen. Unter Zuhilfenahme langjähriger Datenreihen der Umgebungstemperatur und typischen Anlagenparametern kann somit eine repräsentative PV Anlage berechnet werden. Die Modultemperatur hängt weiterhin stark vom Anlagentyp und dem Standort ab. Hier ist eine Differenzierung zwischen Freiflächenanlagen und Aufdachanlagen notwendig. Die durchgeführten Berechnungen bestätigen die gemessen Werte.
Die Begrenzung durch den Wechselrichter kommt also bei typischen Anlagen an klaren Tagen nicht zu tragen. Eine Begrenzung der Leistung durch den Wechselrichter tritt nur an bewölkten Tagen ein.
Ein weiteres Ziel im Projekt ist das Ermitteln der (geringeren) Gleichzeitigkeit der Einspeisung. Um diesen Effekt genauer zu untersuchen, kann zusätzlich auf die hoch aufgelösten Betriebsdaten eines PV Großkraftwerkes der Gehrlicher Solar AG zurückgegriffen werden. Die Anlage besteht aus 11 Teilsystemen mit Siemens Zentralwechselrichtern und erstreckt sich über 70 Hektar eines ehemaligen Militärflughafens bei Rothenburg/Oberlausitz. Betrachtet man das Verhalten eines einzelnen Wechselrichters im Verhältnis zum Gesamtsystem lässt sich eine deutliche Glättung feststellen. In Bild 1 wird für einen exemplarischen Tag die Einspeiseleistung eines Wechselrichters in rot und für die Summe aller Wechselrichter in blau dargestellt. Während die Teilanlage noch deutlich über die Nennleistung einspeist, weist die Summe aller Teilsysteme nur noch Spitzen um etwa 90% auf.
Fazit
Die vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass Photovoltaikanlagen bei Netzberechnungen im Nieder- und Mittelspannungsnetz nicht mit der installierten STC Modulleistung und einer Gleichzeitigkeit von eins berücksichtigt werden müssten. Für Aufdachanlagen im Niederspannungsnetz stellen 85% der installierten Modulleistung eine realistische Annahme dar. Bei Freiflächenanlagen sollte der Faktor aufgrund der meist optimalen Ausrichtung und Hinterlüftung angehoben werden. Da dieser Anlagentyp überwiegend an das Mittelspannungsnetz angeschlossen ist, bietet es sich an, Photovoltaikanlagen an dem Mittelspannungsnetz mit 90% ihrer Nennleistung zu berücksichtigen.
„Netz der Zukunft“
Da ein Großteil des deutschen PV-Anlagenzuwachses in Bayern erfolgt, wurde von der E.ON Bayern AG das Projekt „Netz der Zukunft“ gemeinsam mit der Hochschule München und der TU München initiiert. Hierzu werden in einem Netzgebiet in Niederbayern eine große Anzahl von Messpunkten in der Mittelspannungs- und Niederspannungsebene errichtet, um detaillierte Power Quality (PQ) Messdaten zu gewinnen. Mit diesen Daten können Rückschlüsse auf den Spannungsgang und die Leistungsflüsse in den Verteilnetzen und somit auf die Engpässe im Versorgungsnetz gezogen sowie Kenngrößen für die veränderte Netzdimensionierung abgeleitet werden. Die nächsten Veröffentlichungen sind auf der 26th European Photovoltaic Solar Energy Conference and Exhibition in Hamburg und auf der ETG-Fachtagung „Herausforderungen für Mittel- und Niederspannungsnetze, Neue Aufgaben – alte Netze“ in Würzburg geplant.
Georg Wirth, Gerd Becker, Robert Pardatscher, Rolf Witzmann