Photovoltaik

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BALKONKRAFTWERKE

GUERILLA-PV: PV-KLEINSTANLAGEN KÖNNEN TEIL DER GRUNDLAST IM HAUSHALT DECKEN

von Ralf Haselhuhn, Harald Wersich und Matthias Hüttmann

Ein PV-Modul von 245 Watt und ein Wechselrichter gleicher Größe, durch Kabel und Stecker mit dem privaten Hausnetz verbunden, können den (Bezugs)Zähler langsamer laufen lassen, wenn die Sonne scheint. Das Modul findet seinen Platz auf dem Balkon oder an die Wand gelehnt, nach Süden ausgerichtet und befestigt, damit es nicht weggeweht wird oder umfällt.

Ein PV-Modul von 245 Watt und ein Wechselrichter gleicher Größe, durch Kabel und Stecker mit dem privaten Hausnetz verbunden, können den (Bezugs)Zähler langsamer laufen lassen, wenn die Sonne scheint. Das Modul findet seinen Platz auf dem Balkon oder an die Wand gelehnt, nach Süden ausgerichtet und befestigt, damit es nicht weggeweht wird oder umfällt.

SO KOMMT MAN ZU SEINER BALKON SOLARANLAGE

Es ist sinnvoll bei der Errichtung auch einer kleinen Stromerzeugungsanlage wie der Guerilla-PV systematisch vorzugehen. Dabei stellen sich zuallererst die Fragen:

  • Wie können Sie die Anlage in ihr Haushaltsnetz integrieren?
  • Wo kann die Anlage aufgestellt werden (Balkon, Garten, Hauswand) möglichst nach Süden ausgerichtet?

Der Schaltplan

Bild 1 zeigt eine Schaltung, mit der die Anlage ohne Gefährdung der Nutzer mit entsprechender Absicherung an den einen eigenen Einspeisekreis des Haushaltsnetzes angeschlossen werden kann. Der Schaltplan ist der Anbindung eines Elek­troherds an einen abgesicherten Stromkreis angelehnt. Wichtig: Die In­stallation ist ausschließlich Aufgabe einer Elektrofachkraft, sprich eines Elektro-Installateurs mit einschlägiger Photovoltaik-Erfahrung.

Die Bestandteile

Die einzelnen Komponenten der PV-Anlage sind in Bild 1a zusammengestellt: Neben dem PV-Modul benötigen Sie einen Modulwechselrichter, optional einen Wechselstromzähler sowie einige Kabel für die elektrischen Verbindungen. Je nach den örtlichen Verhältnissen muss das Modul am Balkongeländer, an der Wand o.ä. befestigt werden.

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Bild 1: Schaltung der Guerilla-PV: Verbindung mit dem Haushaltsnetz © Bild: Wersich + DGS

Wo gibt es diese Teile zu kaufen?

Grundsätzlich können Sie diese Anlagen als komplettes Set zusammengestellt von der „Stange“ kaufen. Im Internet gibt es hierzu bereits jede Menge Angebote. Man sollte jedoch beachten, dass ein solches System nichts für den noch so versierten Heimwerker ist. Guerilla-PV ist im Gegensatz zu einer solar betriebenen Gartenteichpumpe kein Plug & Play-Baumarktprodukt. Viele der angebotenen Balkon-PV-Produkte suggerieren zwar eine einfache Inbetriebnahme (Plug & Save, Easy Kit, ...), allerdings ist es sinnvoller den Kauf über den örtlichen Handwerker, dem Elektro- oder PV-Installateur, abzuwickeln, da dieser die Anlage schließlich fachgerecht installieren muss. Aus Bild 1a wissen Sie, welche Bestandteile ihre Ausschreibung, also ihre Forderung an den Installateur, ihnen ein Angebot zu unterbreiten, enthalten muss. Der Weg über das Handwerk muss selbstverständlich nicht heißen, ein als Komplettset zu erwerbendes Produkt auszuwählen.

Muster: Angebote einholen

Ich habe vor, mir eine Kleinst-Anlage zur Solarstromerzeugung („Guerilla-PV“) anzuschaffen und bitte Sie um ein Angebot über:

  1. PV-Modul bis zu 250 Watt
  2. Modul-Wechselrichter passender Leistung
  3. Befestigungsmaterial und Montage (mechanisch)
  4. Kabel und Anschluss ans Haushaltsnetz
  5. optional einen Wechselstromzähler (ungeeicht)

Preise für das gesamte Paket frei Haus, inklusive Anschluss ans Haushaltsnetz.

Die nächsten Schritte

Ist die Anlage geliefert, fertig montiert, liefert Ihnen die Frühlingssonne bereits die ersten Kilowattstunden Strom, die Sie selbst im Haushalt nutzen. Haben Sie einen Wechselstromzähler optional in­stalliert, können Sie jeden Abend ablesen, wie viel Ihres konventionellen Stroms aktuell durch Solarstrom verdrängt wurde. Vergessen Sie bei dieser Gelegenheit nicht, ihren Haushaltszähler (Bezugszähler) abzulesen, er sagt ihnen, wie viel Strom Sie „verbraucht“ haben, also aus dem Netz bezogen haben.

STROMSCHLÄGE UND BRÄNDE DURCH PV-MODULE FÜR DIE STECKDOSE Verhindern

Fehlendes Schutzkonzept: Gefahr für Leib und Leben

Die charmante Vorstellung, dass jeder, ob im Mietshaus oder Eigenheim, ohne großen Aufwand und ohne Installationsfirma seinen eigenen Solarstrom erzeugen und nutzen kann, findet sicher viele Anhänger. Umso mehr, da jetzt die EEG-Einspeisevergütung sowie die PV-Stromgestehungskosten immer mehr unter den Strompreis sinken. Allerdings sollte sich jeder bewusst sein, welche Risiken dabei bestehen und welche Schäden sowie auch Gefahren für Leib und Leben dadurch entstehen können. Zum einen könnte an den blanken Kontakten des Schukostecker vom Modulwechselrichter eine berührbare lebensgefährliche Spannung abgegriffen werden. Dies wird allerdings bei den meisten Modulwechselrichtern durch eine integrierte Inselnetzerkennung verhindert. Diese sorgt dafür, dass bei Fehlen der Netzspannung der Wechselrichter nicht einschaltet bzw. ausschaltet. Beim Herausziehen des Steckers aus der Steckdose unter Last kann es aber dennoch zu einer Personengefährdung kommen.

Eine weitere Gefahr besteht durch die Überlastung von Leitungen oder anderen elektrischen Komponenten wie Steckdosen, Unterverteiler etc... Werden mehrere AC-Module parallel angeschlossen steigt der Gesamtstrom um die Anzahl der Module. Werden diese an einen Endstromkreis (= Verbraucherstromkreis der mit einer Überstromschutzeinrichtung, z.B. Sicherung, abgesichert ist) angeschlossen, kann sich der Gesamtstrom auf einen unzulässigen Wert erhöhen. Ein Verbraucherstromkreis ist üblicherweise mit 16 A abgesichert und die Wechselstrom-Leitungen sind dem entsprechend mit einem 1,5 mm2 – Querschnitt ausgelegt. Wechselstrommodule mit Stecker werden z.B. mit 245 W angeboten. Der PV-Nennstrom (hier etwa 1 A) kann sich bei Einstrahlungsspitzen um 30 bis 40 % des Nennwertes IMPP STC erhöhen. Daraus ergibt sich, dass bei dem 245 W-Wechselstrommodul der Sicherungswert bei einer Anzahl ab elf Wechselstrommodulen überschritten wird. Wenn gleichzeitig ein Verbraucher betrieben wird, kann der Endstromkreis überlastet werden ohne dass die Überstromsicherung auslöst. Dadurch kann dann ein Brand an der Leitung oder der Steckdose entstehen.

Aber auch wenn weniger Wechselstrommodule angeschlossen werden, wird bei gemischtem Einsatz im Endstromkreis mit Verbrauchern das elektrische Schutzkonzept der Verbraucheranlage außer Kraft gesetzt. Wenn ein Überstrom fließt weil ein elektrisches Gerät einen Defekt hat und oder so viele Verbraucher angeschlossen werden, dass die zulässigen 16 A überschritten werden, kann es dazu kommen, dass die Überstromsicherung nicht auslöst, weil die Wechselstrommodule den restlichen zur Überlast führenden Strom liefern (siehe Bild 2). Bei nur einem Modul ist das Risiko noch gering, es steigt allerdings rapide an je mehr Module eingesetzt werden.

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Bild 2: Entstehung eines Fehler- oder Überlaststromes beim Einsatz von Wechselstrommodulen mit Steckern ohne Auslösung der Überstromschutzeinrichtung © Grafik: DGS, Ralf Haselhuhn

Normativer Hintergrund und länderspezifische Unterschiede

Deshalb muss unbedingt die internationale Norm IEC 60364-5-55 bzw. die entsprechende harmonisierte nationale Norm VDE 0100-551 beachtet werden. Danach darf die Sicherheit und einwandfreie Funktion der anderen Stromquellen nicht beeinträchtigt werden. Wenn die Stromerzeugungseinrichtung (PV-Wechselstrommodul) im Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen einschließlich dem Stromverteilungsnetz eingesetzt wird, muss der Schutz gegen thermische Einflüsse nach VDE 0100-420 und gegen Überstrom nach VDE 0100-430 in allen Fällen wirksam sein. Dementsprechend müssen die Leitungen und sonstigen elektrischen Betriebsmittel: Steckdosen, Verteilungen … vor Überlastungen geschützt werden. Außerdem darf das Stromnetzsystem der Verbraucheranlage nicht durch die Einspeisung verändert werden.

Nach der deutschen harmonisierten Version der VDE 0100-551 dürfen Stromeinspeiser (Wechselstrommodule bzw. Modulwechselrichter) nur auf der (Netz-)Versorgungsseite aller Schutzeinrichtungen angeschlossen werden. Nach der internationalen Version dürfen sie auch auf der Lastseite eines Endstromkreises eingesetzt werden.

Leiter der Endstromkreise müssen folgende Anforderung erfüllen:

Iz ≥ In + Ig

Iz   Strombelastbarkeit der Leitungen des Endstromkreises

In   Bemessungsstrom der Schutzeinrichtung des Endstromkreises

Ig   Bemessungsausgangsstrom der Stromerzeugungseinrichtung (Summe der Ausgangsströme aller Modulwechselrichter)

Das bedeutet, dass der Endstromkreis dessen Leitungen für 16 A ausgelegt sind, dann z.B. mit 10 A abgesichert wird und der Modulwechselrichter über eine Unterverteilung mit z.B. einer 6 A-Sicherung angeschlossen wird. So kann der maximale Strom von 16 A in dem Endstromkreis nicht überschritten werden. Konsequenz ist, dass in diesem Endstromkreis, wenn die Wechselstrommodule keinen Strom liefern (z.B. nachts) die maximale Belastung durch die Verbraucher auf 10 A begrenzt ist. Die Norm verbietet allerdings die Stromerzeuger über Steckdosen mit dem Endstromkreis zu verbinden. Eine Ausnahme in Europa stellen die Niederlande dar, dort dürfen bis maximal 600 W Stromeinspeiser über Steckdosen mit einem Endstromkreis verbunden werden. In den dort veröffentlichten Anschlussbeispielen wurde dieser Endstromkreis dann direkt über einer separate Überstromeinrichtung an die Unterverteilung angeschlossen. Eine einfache Mischung von Stromerzeugern und Stromverbrauchern im Endstromkreis wird dort wegen der Sicherheitsproblematik aber auch nicht empfohlen.

Um Fehlerströme zu verhindern muss nach IEC 60364-5-55 eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nach VDE 0100-410, die alle aktiven Leiter einschließlich Neutralleiter unterbricht, vorgesehen werden. Außen- und Neutralleiter von Endstromkreisen der Stromerzeugungseinrichtung dürfen nicht hinter der Schutzeinrichtung des Endstromkreises mit Erde verbunden werden. Während in anderen Ländern die Einspeisung von Stromerzeugungseinrichtungen, also mit Modulwechselrichtern, in Endstromkreise wie beschrieben möglich ist, ist es normativ in Deutschland nach der zitierten VDE 0100-551 (IEC HD 60364-5-55 nationaler Anhang) sowie der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 „Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ nicht zulässig. Letztere ist einzuhalten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Überschussstrom in das öffentliche Netz eingespeist wird. Ansonsten ist es möglich einen separaten NA-Schutz (Netz- und Anlagenschutz nach VDE-AR-N 4105 ) vor jeder Paralleleinspeisung mit Wechselrichter zu schalten oder die Wechselrichter haben diesen NA-Schutz integriert. Zudem müsste als Bezugszähler ein Stromzähler mit Rücklaufsperre zum Einsatz kommen.

Eine Ausnahme für Stromeinspeiser in Endstromkreisen macht die VDE 0100-551 nur für unterbrechungsfreie Stromversorgungen. Wenn für die Einspeisung von nur wenigen Modulen mit Modulwechselrichter unter Beachtung der oben genannten Sicherheitsanforderungen von der VDE 0100-551 abgewichen wird, muss die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (z.B. anhand der internationalen IEC 60364-5-55) und der Elektrosicherheit für jeden Fehlerfall nachgewiesen werden. Dieses ist für elek­trotechnische Laien schwierig. Fehler beim „einfachen in die Steckdose stecken“ sind vorprogrammiert und die Risiken für Leib und Leben nicht zu unterschätzen. Die sicherste Anschlussart für PV-Anlagen ist der separate Anschluss an die Hausanschlussstelle und damit parallel zu den Verbraucherstromkreisen entsprechend den Anschlussbeispielen der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105.

Kraftwerke auf dem Balkon lassen sich nicht verhindern

Unter bestimmten Umständen kann es bei, beziehungsweise nach der Installation einer Mini-PV-Anlage zu Gefahren kommen, die auch ein Fachmann nicht hundertprozentig ausschließen kann. Deshalb rät Bernd Dechert, Geschäftsführer Technik im ZVEH (Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke), seinen Betrieben besser auf Aufträge zu verzichten.

Eine Einschüchterung des Elektrohandwerks ist allerdings eine umstrittene Strategie zur Verhinderung von Kleinst-PV-Anlagen (Guerilla-PV). Die Frage die sich hier stellt: Kann man einerseits dazu auffordern – wie der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) in seiner Pressemitteilung vom 26.04.2013 – Kleinst-PV-Anlagen nicht selbst ans Haushaltsnetz anzuschließen, sondern dies fachgerecht durch Elektro­fachkräfte (Elektro-Installateure) machen zu lassen, wenn gleichzeitig der ZVEH seinen Handwerksbetrieben empfiehlt auf solche Aufträge zu verzichten?

Die aktuelle Situation: PV-Kleinstanlagen sind ein wichtiger Baustein der bürgernahen, dezentralen Energiewende. PV-Kleinstanlagen werden kommen, wenn sie nicht von Fachhandwerkern installiert werden, dann werden die Bürger es – mehr schlecht als recht – selber machen. Damit sind Risiken verbunden und Unfälle vorprogrammiert. Nur wer trägt dann die Verantwortung? Eine Verweigerung ist eine gefährliche Strategie!

Unserer Meinung nach ist es Aufgabe der Normungsgremien, des VDE, des ZVEH u.a. sich der Verantwortung für die Sicherheit elektrischer Anlagen bewusst anzunehmen und kreativ Konzepte und Richtlinien für die Integration der PV-Kleinstanlagen in die privaten Haushaltsnetze zu entwickeln. Das Elektrohandwerk benötigt diese Vorgaben, um diese PV-Kleinstanlagen sicher zu installieren und dafür auch Garantien übernehmen zu können.

Denn diese Aufträge müssen für das Handwerk nutzbar sein und dürfen nicht abgelehnt werden, da die Netzbetreiber ihnen einreden wollen, sie würden andernfalls ihre Zulassung verlieren.

Verschärft hat sich die Situation durch das Verbot des Einsatzes von Mikro-PV-Anlagen durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als nach dem Landesrecht zuständige Energieaufsichtsbehörde in einem Schreiben an den Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft vom 22.05.2013. Die Begründungen erfolgten hierbei auf Basis einer einseitigen Auslegung der technischen Richtlinien und des Energiewirtschaftsgesetzes. Diese sind nach DGS Einschätzung so nicht haltbar.

Fazit: Mini-PV-Anlagen werden kommen, das hat auch das EU-Parlament, bzw. der dortige Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie erkannt: Photovoltaik-Kleinstanlagen sind der Schlüssel zur bürgernahen Energiewende.

Fazit

Am liebstem sind uns lebendige und gesunde Solar-Guerillas, die nicht ihr Leben und das ihrer Familien aufs Spiel setzen.

Ralf Haselhuhn
rh@dgs-berlin.de

Harald Wersich
wersich@uni-kassel.de

Matthias Hüttmann
huettmann@dgs.de