Solare Kühlung
Teil 1: Grundlagen: Die solare Kühlung gehört zu den faszinierendsten und potentialstärksten Anwendungen der thermischen Solartechnik. Der saisonale Charakter von Angebot und Bedarf, beim solaren Heizen ein Nachteil, wird beim solaren Kühlen zum Vorteil: in Zeiten hoher Sonneneinstrahlung besteht der größte Kühlungsbedarf. Derzeit werden europaweit zahlreiche Aktivitäten und Anstrengungen sowohl auf industrieller wie auch auf wissenschaftlicher Seite unternommen, um diese Anwendung im Markt voranzubringen.
Wie funktioniert solare Kühlung?
Für das Verständnis der solaren Kühlung ist es notwendig, den allen solaren Kühlungsprozessen zugrundeliegenden Vorgang der Verdunstungskühlung zu verstehen, der zunächst nichts mit Sonnenenergie zu tun hat: die Verdunstung einer Flüssigkeit benötigt Energie, die dieser entzogen wird und zu einer Abkühlung führt (um 1 Liter Wasser zu verdunsten, ist eine Energiezufuhr von 2.500 kJ = 0,7 kWh notwendig). Dieser Effekt wird in zahlreichen praktischen Anwendungen genutzt, z.B. beim Kühlen von Weisswein in einem feuchten Tongefäß.
Intensiviert werden kann dieser Vorgang, wenn der Umgebungsluftdruck verringert wird, denn die zum Verdampfen bzw. Sieden einer Flüssigkeit erforderliche Temperatur nimmt mit sinkendem Druck ab. Beispielsweise ist für Wasser bei einem Unterdruck von 30 mbar der Sättigungsdampfdruck bereits bei einer Temperatur von ca. 22°C erreicht, d.h. Wasser verdampft bzw. siedet hier bereits bei Raumtemperaturen (s. Bild 2). Dieses Prinzip wird im Übrigen auch in den Heat-Pipe Vakuumröhrenkollektoren genutzt.
Wird nun zusätzlich dafür gesorgt, dass durch „Absaugen“ des Wasserdampfes der Verdampfungsvorgang aufrechterhalten wird, ist eine kontinuierliche Kühlung möglich. Dieser „Absaugvorgang“ wird in konventionellen Kältemaschinen durch einen Kompressor, in solar betriebenen Kältemaschinen durch flüssige oder feste Sorptionsmaterialien erreicht. Der Kreis wird geschlossen, indem es zu einer Kondensation des Dampfes kommt und der Flüssigkeitsnachschub damit gewährleistet ist.
Die bekannteste Form der Kältemaschinen stellt der Kühlschrank dar. Die Wärmeaufnahme – gleichbedeutend mit einer Abkühlung des Innenraums – erfolgt im Verlauf der Phasenumwandlung des Kältemittels von flüssig zu gasförmig im sogenannten Verdampfer. Der strombetriebene Kompressor verdichtet das gasförmige Kältemittel adiabatisch?1), wodurch es sich erwärmt. Im Kondensator verflüssigt sich das Kältemittel schließlich bei Wärmeabgabe an die Umgebung (s. Bild 3). In Kältemaschinen werden Kältemittel (Isobuton, FKW´s wie R134a) eingesetzt, die zwar kein Ozonabbau- jedoch ein hohes Treibhauspotenzial besitzen, das um den Faktor 100 bis 15.000 über dem von Kohlendioxid liegt (GWP von R134a: 1.430 2)).
Ein für die Effizienz des Kühlungsprozesses wesentlicher Vorgang ist die Abfuhr der bei der Kondensation frei werdenden Kondensationswärme. Beim Kühlschrank erfolgt diese über die an der Rückwand angebrachten Kühlrippen.
Solar angetriebene Kältemaschinen
In solaren Kältemaschinen wird im Prinzip der elektrische durch einen thermischen Kompressor ersetzt. Man unterscheidet hier zunächst geschlossene von offenen Verfahren. In den geschlossenen Kältemaschinen ist das Ergebnis eines Absorptions- oder Adsorptionsvorgangs kaltes Wasser (Kaltwassersatz) bzw. eine indirekte Luftkonditionierung. Bei den offenen Systemen kann aufgrund des Kontaktes zur Umgebungsluft eine direkte Konditionierung in Bezug auf Temperatur und Feuchte erfolgen. Hierbei können entweder flüssige oder feste Sorptionsmaterialen eingesetzt werden (s. Bild?4). In Teil 1 dieser Artikelserie werden die geschlossenen Systeme vorgestellt.
Absorptionskältemaschinen (AbKM)
In solar betriebenen AbKM besteht der thermische Verdichter aus den Komponenten Absorber und Generator, die das Lösungsmittel enthalten (Bild 5).
Im Verdampfer verdampft das Kältemittel bei niedrigen Temperaturen und niedrigem Druck. Im Absorber findet unter Wärmeabgabe eine Vermischung des Kältemitteldampfes mit dem Lösungsmittel statt. Üblicherweise eingesetzte Kälte-/Lösungsmittelkombinationen sind Wasser/Lithiumbromid oder Ammoniak/Wasser. Vom Absorber gelangt die an Kältemittel reiche Lösung in den Generator, dort wird durch Wärmezufuhr mittels Solaranlage das Kältemittel aufgrund des im Vergleich zum Lösungsmittel niedrigeren Siedepunktes ausgetrieben. Das nun an Kältemittel arme Lösungsmittel fließt dabei in den Absorber zurück. Schließlich findet im Kondensator unter Wärmeabgabe die Kondensation des Kältemittels statt, das im Anschluss über ein Expansionsventil in den Verdampfer fließt und der Prozess von Neuem beginnt. Die Wärme, die bei der Absorption und Kondensation entsteht, muss über ein Rückkühlwerk (Kühlturm) abgeführt werden.
Adsorptionskältemaschinen (AdKM)
Im Gegensatz zu den AbKM wird hier der Kühlungsprozess nicht durch Absorption in einem Lösungsmittel sondern durch Adsorpion, d.h. Anreicherung an der Oberfläche eines festen Sorptionsmaterial, z.B. Zeolith angetrieben. In Bild 6 ist der Kreisprozess schematisch dargestellt:
Die AdKM besteht aus vier vakuumdicht verkapselten Kammern. In Phase 1 wird das Sorptionsmittel sowohl durch Wärmezufuhr aus der Solaranlage (linke Kammer) getrocknet als auch durch Aufnahme (Adsorption) des Wasserdampfes aus dem Verdampfer „gesättigt“. Im Verdampfer findet die Kühlung statt. Bevor sich dieser Vorgang umkehrt (Phase 3) findet ein Wärmetransfer zwischen den mit dem Sorptionsmittel gefüllten Kammern statt, um die bei der Adsorption frei werdende Wärme zur Trocknung des feuchten Sorptionsmaterials zu nutzen (Phase 2). In Phase 3 wird nun die linke Kammer aktiv, um den Wasserdampf zu adsorbieren. In Phase 4 wird als Vorbereitung für Phase 1 die Wärme aus dem Adsorptionsprozess (linke Kammer) zur Regenerierung in der rechten Kammer genutzt. Damit ist der Kreis geschlossen. Vorteile gegenüber der Absorptionskältetechnik sind hierbei die ausschließliche Verwendung von Wasser und die Nichtnotwendigkeit eines Rückkühlwerks.
Effizienz von Kältemaschinen
Ein wichtiges Kriterium für die Leistungsfähigkeit von (solaren) Kältemaschinen ist das Verhältnis von erzeugter Nutzkälte zu notwendiger Antriebswärme, der sogenannte COPth. Wesentlichen Einfluss auf die Effizienz von Kältemaschinen hat in diesem Zusammenhang neben der Antriebstemperatur die Rückkühltemperatur, bei der die in den Vorgängen Absorption/Adsorption und Kondensation anfallende Wärme abgeführt wird.
Der COPth liegt derzeit für AbKM bei 0,6–0,78, für AdKM bei 0,5–0,6 3). Beispielhaft sei hier der COPth der Kältemaschine LTC 09 von Invensor mit den genannten Abhängigkeiten gezeigt (Bild7).
Abschätzung der Kollektorfläche
Grundsätzlich ist zunächst die Ermittlung der Kältelast PKälte (z.B. nach VDI 2078) erforderlich. Wird das Ziel verfolgt, die Kühllast ausschließlich durch die Antriebsenergie der Solaranlage bei hoher Einstrahlung abzudecken, ist folgendes Vorgehen möglich: Von einem mittleren Kollektorwirkungsgrad µKoll, einem COPth und einer maximalen Globalstrahlung Gmax ausgehend, berechnet sich die Kollektorfläche mit Hilfe der Gleichung:
AKoll = (PKälte / COPth) x 1/(µKoll x Gmax)
Beispiel:
Kälteleistung PKälte = 10 kW, mittlerer COPth = 0,66, mittl. Kollektorwirkungsgrad µKoll = 0,6, maximale Strahlungsleistung Gmax = 1 kW/m2. Dies ergibt als ersten groben Anhaltswert eine Kollektorfläche von AKoll = 25 m2. Unabhängig von dieser ersten Abschätzung sind im Vorfeld die Möglichkeiten einer Reduzierung der Kühllasten auszuschöpfen.
Je nach Anforderung stehen für die Auslegung solar angetriebener Kältesysteme computergestützte Simulationsprogramme zur Verfügung wie z.B. polysun?4) oder TRNSYS 5).
Fußnoten
- adiabatisch = ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung
- GWP = Global Warming Potential = relatives Treibhauspotenzial oder CO2-Äquivalent. Der Wert gibt an, wie viel eine festgelegte Menge eines Treibhausgases im Vergleich zu Kohlendioxid zum Treibhauseffekt beiträgt
- Solare Klimatisierung, Carsten Hindenburg, 2011
- www.velasolaris.com
- www.transsolar.com
Hinweis: In der 9. Auflage des DGS Leitfadens „Solarthermische Anlagen“ wird diesem Thema wieder ein eigenes Kapitel gewidmet.
Fortsetzung folgt.
Bernhard Weyres-Borchert