Alles ist möglich!
Der Traum von einem vollständig mit Erneuerbaren Energien versorgten Europa: Lassen Sie uns mal ein wenig von einem vollständig mit Erneuerbaren Energien versorgten Europa träumen. Da wir aber nicht ganz die Realität vergessen wollen, schauen wir uns vorher doch einmal an, was denn tatsächlich benötigt wird. Fangen wir mit dem kleinsten Bereich an, dem Strom. Hoppla, möchte man sagen, Strom hat nur 20% vom Kuchen, warum reden die Politiker dann ausschließlich davon? Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Zum Glück gibt es da ja noch den Transportsektor, dessen Zukunft ist ja auch elektrisch. Heizen und Kühlen, Gott sei Dank, kein Problem mit Wärmepumpen und Kompressionskältemaschinen.
Steigender Stromanteil
Wir überschlagen mal kurz: Elektrofahrzeuge brauchen etwa 1/3 der Endenergie, das macht einen zusätzlichen Bedarf von zirka 10% Strom. Bei den beliebten, preisgünstigen Wärmepumpen und Splitgeräten zur Kühlung nehmen wir großzügig eine Leistungsziffer bzw. COP von 2,5 an und erhalten noch mal 20% zusätzlichen Strombedarf. Summa summarum ergibt das 50% Strom gegenüber 20% heute, das ist gerade Mal das 2,5 fache. Betrachten wir nun mal nur den Öko Primus Deutschland, so wird von dem 20% Anteil heute bereits ein Fünftel (= 4%) aus den Erneuerbaren gewonnen. D.h. wir brauchen nur noch zusätzlich etwa 12-mal so viel erneuerbaren Strom und ein paar Speicher dazu. Das ist jedoch auf deutschem Boden kaum zu machen und war schon immer die Rede von unserem Energiekommissar Oettinger. Glücklicherweise gibt es da ja noch die großen Stromversorger, die uns gerne „Desertec Strom“ verkaufen würden, schade nur, dass die Menschen dort ausgerechnet jetzt Demokratie wollen und sich daher die schönen Pläne verzögern.
Spätestens jetzt ist es Zeit, mit dem Träumen aufzuhören bzw. sich nicht mehr von den Politikern und Energieriesen einlullen oder einschüchtern zu lassen. Energieversorgung ist ein Geschäft, und selbst erzeugte und verbrauchte Solarenergie – egal ob thermisch oder elektrisch – stört dieses Erfolgsmodell nachhaltig. Hermann Scheer hat mit seiner Pioniertat dem EEG weltweit für die PV einen Boom und eine Innovationslawine ausgelöst, dass es den Energieversorgern schwindlig wird. Das Problem der Speicherung von Solarstrom ist jedoch weiter ungelöst.
Solarwärme wäre auch denkbar
Die Solarthermie hingegen hat keine Lobby und noch weniger einen charismatischen Kämpfer für die Gleichberechtigung unter den Erneuerbaren. Die Erzeugung von Wärme aus Sonnenlicht benötigt auch Speicher, aber sie werden von guten Systemen nach dem technischen Stand auch bereitgestellt. Sie sind damit der PV systemtechnisch doch um Welten voraus. Warum ist die Solarthermie dann nicht erfolgreich? Ganz einfach: Kollektoren werden von der Politik eher wie die Wärmedämmung behandelt, da gilt es nun mal Vorschriften zu befolgen. Während die PV, Windenergie, KWK aus Biomasse etc. lukrative Geschäftsmodelle darstellen, hat man die Solarthermie hier clever ausgegrenzt. Kein Tarif für die erzeugte kWh, kein vorrangiges Einspeisen in Nah- und Fernwärmnetze mit garantierter Vergütung, stattdessen fördern die nicht nachprüfbaren gesetzlichen Vorschriften eher die Abwehrhaltung möglicher Nutzer gegenüber der solaren Wärmerzeugung. Sie endet nicht selten in Kollektorfeldern von Briefmarkengröße, die einen sinnvollen Ausbau für mindestens 20 Jahre verhindern. Einzig die großen Heiztechnikhersteller haben es in der Vergangenheit immer wieder verstanden, die Solarthermie gerade so zu fördern oder nicht zu fördern, dass sie nicht stirbt, aber auf der anderen Seite daraus auch keine nennenswert Konkurrenz für die etablierten Öl- und Gassparten erwächst. Geschickt wurde die Solarthermie eingesetzt, um in Kombinationsfördermodellen des Marktanreizprogramms die konventionellen Kessel im Windschatten der Solarenergie mit zu verkaufen. Die spezialisierten Kollektor- und Systemhersteller haben sich diesem Diktat unterworfen und meist kapituliert, andere innovative Firmen haben sich hingegen im fruchtlosen Kampf um eine leistungsgerechte Förderung mit einem bisweilen ignoranten BMU aufgerieben und wenden sich Ländern zu, die sie mit offenen Armen empfangen. Engagierte Experten, die sich für solar-dominierte Heizungen mit über 50% Solaranteil stark machen werden einfach ignoriert. Auch viele qualitativ hochwertige Wirtschaftlichkeitsrechnungen haben es nicht vermocht, die Kunden zu überzeugen. Sparen ist eben eine Last, wie man an Griechenland sieht, damit kann man lediglich Schwaben und Schotten begeistern. Kassieren dagegen steht hoch im Kurs, das tut jeder gern, selbst wenn das Sparen am Ende die größere Rendite bringt.
Aber es ist noch nicht zu spät. Auch Angela Merkel ist von der Erkenntnis, dass Atomenergie gefährlich ist, geradezu überwältigt worden. Und noch ein Wunder: Ein nach eigenen Angaben in Energiefragen völlig kenntnisfreier Jurist wurde zum EU Kommissar für Energie berufen. Sie sehen also, nicht aufgeben, alles ist möglich!
Stefan Abrecht