Gebäude der Zukunft (II)
Teil II des Vergleichs – Netto-Plusenergie-Gebäude mit Elektromobilität: Die Planung und Realisierung zukunftsorientierter Gebäude setzt voraus, dass in einem integralen Team aus Architekten und Ingenieuren, Energieeffizienz, Komfort und Umweltverträglichkeit zum Maßstab des gesamten Prozesses werden. Vom Konzept bis zum Inbetriebnahme gilt es energetische Anforderungen und gestalterische Zielsetzungen zu entwickeln und zu verfolgen. Das ist der Anspruch, mit dem das Netto-Plusenergie- Gebäude mit Elektromobilität Berghalde als reines „Stromhaus“ umgesetzt wurde.
In einer ganzheitlichen Gebäudebilanz werden neben der notwendigen Heizwärme, der gesamte Strombedarf für den Anlagenbetrieb und den Haushalt und der Energieaufwand für die private Mobilität berücksichtigt und regenerativ gedeckt. Für den erweiterten Fokus sind als besondere Herausforderung die Schnittstellen zwischen der solaren Stromerzeugung und den Stromverbrauchern im Haus und der E-Mobilität und zwischen der Gebäudetechnik und der netzgebundenen Infrastruktur zu lösen.
Architektur
Die Randbedingungen sind eine Südhanglage und ein 900 m² großes Grundstück, die Anforderungen lauten hoher architektonischer Anspruch maximale Energieeffizienz und bilanzieller Überschuss aus regenerativen Energien bei hervorragendem Wohnkomfort. Der Neubau folgt der Form der Topographie, gräbt sich auf der Nordseite in den Hang ein und bietet mit einem schlichten Pultdach parallel zur Geländeneigung die ideale Voraussetzung für die Integration aktiver Solarenergiesysteme. Das Gebäudekonzept wird damit integraler und formgebender Bestandteil der Architektur. Eine einfache, geometrische Formensprache setzt sich im Innenraum bis zur Planung von Einbaumöbeln fort und wird durch die reduzierter Material und Farbwahl unterstützt. Bis ins Detail werden bauphysikalische Vorgaben nach reduzierten Verlusten und dem Schutz vor sommerlicher Überhitzung in Einklang gebracht mit den ästhetischen Anforderungen.
Über großzügige südorientierte Fensterflächen nutzen die Wohnräume Tageslicht sowie passiv solare Gewinne und lassen die Blickbeziehungen ins Tal raumbestimmend werden. Nord-, Ost- und Westfassaden sind geschlossener gehalten und nehmen in dem zonierten Baukörper Schlaf- und Nebenräume auf.
Energiekonzept
In einem interdisziplinären Planungsprozess wurde das Energiekonzept entwickelt. Durch die aktive Solarenergienutzung ist der jährliche regenerative Energieertrag bilanziell größer, als der Gesamtenergiebedarf für den Gebäudebetrieb und den Haushaltsstrom. Dabei sollen die solaren Stromerträge mindestens 50% des Gesamtstrombedarfs decken. Voraussetzung sind Komponenten der Gebäudetechnik und -ausstattung mit Batteriespeichern und ein intelligentes Stromlast-Management, das die Funktionen und Anforderungen miteinander verknüpft.
Der jährliche Bedarf für Heizung, Warmwasser, Haushaltsgeräte und Nutzerausstattung beträgt rd. 8.500 bis 9.500 kWh. Erneuerbare Energien liefern die PV-Anlage mit ca. 14.500 bis 16.000 kWh/a und die Solarthermie-Anlage mit rd. 3.000 bis 3250 kWh/a Der bilanzielle Strom-Überschuss von rd. 6.000 bis 7.000 kWh/a wird zu ca. einem Drittel für den Betrieb von Elektromobilen (E-Smart ca. 12.000 km/a, / E-Roller) genutzt.
Technikbeschreibung
Durch die südorientierte Ausrichtung des Gebäudes und hochwertige Verglasungen werden passiv solare Gewinne optimiert und ein hohes Maß an Tageslichtnutzung ermöglicht. In Verbindung mit einer hochwärmegedämmten, luftdichten Gebäudehülle und einer kontrollierten Lüftung werden die Transmissions- und Lüftungswärmeverluste reduziert. Die kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung erfolgt über ein Kompaktlüftungsgerät mit einem Volumenstrom von max. 300 m3/h. Versorgt werden die Wohn- und Schlafräume mit frischer Außenluft, gleichzeitig wird die Abluft zur Wärmerückgewinnung aus den Nebenräumen, Küche, Bad und WC abgesaugt. Ein Erdreichwärmetauscher (Luftkollektor) übernimmt die Vorkonditionierung der Außenluft, im Winter werden frostfreie 3°C erreicht.
Als Energiequelle zur Deckung der verbleibenden Verluste bzw. des Wärmebedarfs, wird das Erdreich als Wärmequelle über drei vertikale Erdsonden mit einer Länge von je 100 m erschlossen. Eine Wärmepumpe mit einer elektrischen Leistungsaufnahme von 2,2 bis 3,5 kWel nutzt diese als Energiesenke und speist einen Pufferspeicher mit einem Volumen von 800 l. Angeschlossen sind Flächenheizsysteme, die mit extrem geringen Systemtemperaturen (VLTemp. 28 bis 32°C) betrieben werden, sodass im Gesamtsystem eine hohe Effizienz mit entsprechend hohen Jahresarbeitszahlen möglich werden. Die Trinkwasserbereitung erfolgt solarunterstützt aus dem Pufferspeicher durch einen externen Wärmetauscher im Durchflussprinzip.
Alle relevanten Versorgungskomponenten im Gebäude sind mit der Gebäudeleittechnik verbunden. Neben den systemeigenen Regelungseinheiten (DDC Wärmepumpe) erfolgt die übergeordnete Ansteuerung durch eine frei programmierbare Gebäudeleittechnik (GLT). Sämtliche Funktionen, die von der GLT erfasst oder ausgelöst werden, lassen sich visualisieren, sodass die Betriebszustände für den Nutzer transparent werden.
Neben der effizienten Gebäudetechnik gehören besonders energiesparende Haushaltgeräte und Beleuchtungssysteme (LED) zum Gesamtkonzept, die ihren Strombedarf über die Photovoltaik direkt, aus den hauseigenen Batteriekapazitäten oder zu Spitzenzeiten über das öffentliche Netz decken. Ein eigens für das Projekt entwickeltes Stromlast-Management stimmt die regenerativen Erträge und die Bedarfsgrößen sowie die Nutzung der Komponenten inkl. der Elektromobiliät aufeinander ab. Ziel ist dabei die Maximierung der Eigenstromversorgung.
Energieerzeugung
Das Pultdach neigt sich mit 18 Grad nach Süden. Vollflächig sind Photovoltaik-Module mit einer Spitzenleistung von ca. 15 kWp und eine solarthermische Kollektoranlage mit einer Absorberfläche von 7 m2 installiert. Der jährliche Stromertrag ist mit rd. 15.000 kWh/a vorausberechnet, bezogen auf die Wohnfläche entspricht das ca. 55 kWh/(m2Wfl.a). Für den Betrieb der Gebäudetechnik inkl. Beleuchtung und, die Haushaltsgeräte ca. 33 kWh/(m2Wfl.a), sodass sich bilanziell ein regenerativ erzeugter Überschuss von ca. 22 kWh/(m2Wfl.a) ergibt.
Das Gebäude bleibt trotz großer gebäudeintegrierter PV-Anlage und den Batterien an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen und ist als Energielieferant Teil eines virtuellen Kraftwerks bzw. eines sogenannten Smart Grids. Eine autarke Versorgung ist nicht beabsichtigt und bei der in Deutschland vorhandenen Infrastruktur nicht zielführend im Hinblick auf die künftige Energieversorgung bzw. auch noch unwirtschaftlich.
Energiespeicherung
Neben der vorrangig direkten Eigenstromnutzung im Gebäude wird der solar erzeugte Strom für die Beladung des Elektro-PKW und des Elektrorollers verwendet. Ladestationen sind dazu in der Garage installiert. Sollte der solare Ertrag oder die in den Batterien gespeicherte Energiemenge zur Deckung des Bedarfs nicht ausreichen, erfolgt ein Netzstrombezug. Übersteigen im Sommer die regenerativen Erträge die Speicherkapazitäten werden die Überschüsse in das Netz eingespeist. Damit wird das Stromnetz entlastet und nicht zu hundert Prozent als Stromspeicher genutzt, wie dies durch den überwiegenden Teil der in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen erfolgt.
Die Batterie mit einer Speicherkapazität von 7 kWh (max. 2 kW Leistung) versorgt die elektrischen Kleinverbraucher, wie die Beleuchtung, die IT und das Telefon, während die größere Batterie (20 kWh, 8 kW) auch die Haushaltsgeräte in Zeiten zu denen die PV-Anlage keinen Strom liefert versorgen kann.
Monitoring
Zur Darstellung der Betriebsergebnisse und zur Optimierung der komplex zusammenhängenden Gebäudefunktionen ist ein umfassendes Monitoring-System mit Stromzählern, Wärmemengenzählern, Temperatur- und Feuchtefühlern sowie einer Wetterstation installiert, dass alle Werte seit Fertigstellung im Oktober 2010 aufzeichnet. MSR- und GLT-Technik bilden dabei eine komplette Einheit. Durch den Energieversorger wurde zusätzlich ein digitaler intelligenter Zwei-Richtungs-Stromzähler, ein sogenannter Smart Meter eingebaut.
Das Monitoring wird durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Forschungsinitiative `Zukunft Bau` gefördert. Die bisherigen Messergebnisse zeigen, dass die berechneten solaren Energieerträge und Stromverbräuche passen und die angestrebte Eigenstromnutzung von mindestens 50% erreicht wird. Die folgende Grafik zeigt die erfassten Ertrags- und Verbrauchsdaten im Gebäude über einen ausgewählten Zeitraum von drei Tagen im Oktober 2011. Zusätzlich sind der Anteil der Eigenstromnutzung und die Ladekapazität der Batterie dargestellt.
Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch