Guerilla-PV
Stromschläge und Brände durch PV-Module für die Steckdose verhindern: In der letzten Ausgabe der Sonnenenergie 01/2013 veröffentlichte das solarengagierte DGS-Mitglied Harald Wersich eine kurzen Artikel „Guerilla-PV“ über den Einsatz von Wechselstromsolarmodulen. Diese PV-Module speisen mittels Modulwechselrichter über einem Stecker einfach in die Steckdose ein. Die Energiewende für jeden – einfach Plug und Play? Diese so simple Lösung birgt auch Gefahren und widerspricht den Regeln der Technik. Welches Gefahrenpotenzial besteht und welche Normen eingehalten werden müssen erläutert dieser Artikel.
Fehlendes Schutzkonzept: Gefahr für Leib und Leben
Die charmante Vorstellung, dass jeder, ob im Mietshaus oder Eigenheim, ohne großen Aufwand und ohne Installationsfirma seinen eigenen Solarstrom erzeugen und nutzen kann, findet sicher viele Anhänger. Umso mehr, da jetzt die EEG-Einspeisevergütung sowie die PV-Stromgestehungskosten immer mehr unter den Strompreis sinken. Allerdings sollte sich jeder bewusst sein, welche Risiken dabei bestehen und welche Schäden sowie auch Gefahren für Leib und Leben dadurch entstehen können. Zum einen könnte an den blanken Kontakten des Schukostecker vom Modulwechselrichter eine berührbare lebensgefährliche Spannung abgegriffen werden. Dies wird allerdings bei den meisten Modulwechselrichtern durch eine integrierte Inselnetzerkennung verhindert. Diese sorgt dafür, dass bei Fehlen der Netzspannung der Wechselrichter nicht einschaltet bzw. ausschaltet. Beim Herausziehen des Steckers aus der Steckdose unter Last kann es aber dennoch zu einer Personengefährdung kommen.
Eine weitere Gefahr besteht durch die Überlastung von Leitungen oder anderen elektrischen Komponenten wie Steckdosen, Unterverteiler etc... Werden mehrere AC-Module parallel angeschlossen steigt der Gesamtstrom um die Anzahl der Module. Werden diese an einen Endstromkreis (= Verbraucherstromkreis der mit einer Überstromschutzeinrichtung, z.B. Sicherung, abgesichert ist) angeschlossen, kann sich der Gesamtstrom auf einen unzulässigen Wert erhöhen. Ein Verbraucherstromkreis ist üblicherweise mit 16 A abgesichert und die Wechselstrom-Leitungen sind dem entsprechend mit einem 1,5 mm2 – Querschnitt ausgelegt. Wechselstrommodule mit Stecker werden z.B. mit 245 W (wie in dem Artikel von Harald Wersich beworben) angeboten. Der PV-Nennstrom (hier etwa 1 A) kann sich bei Einstrahlungsspitzen um 30 bis 40 % des Nennwertes IMPP STC erhöhen. Daraus ergibt sich, dass bei dem 245 W-Wechselstrommodul der Sicherungswert bei einer Anzahl ab elf Wechselstrommodulen überschritten wird. Wenn gleichzeitig ein Verbraucher betrieben wird, kann der Endstromkreis überlastet werden ohne dass die Überstromsicherung auslöst. Dadurch kann dann ein Brand an der Leitung oder der Steckdose entstehen.
Aber auch wenn weniger Wechselstrommodule angeschlossen werden, wird bei gemischtem Einsatz im Endstromkreis mit Verbrauchern das elektrische Schutzkonzept der Verbraucheranlage außer Kraft gesetzt. Wenn ein Überstrom fließt weil ein elektrisches Gerät einen Defekt hat und oder so viele Verbraucher angeschlossen werden, dass die zulässigen 16 A überschritten werden, kann es dazu kommen, dass die Überstromsicherung nicht auslöst, weil die Wechselstrommodule den restlichen zur Überlast führenden Strom liefern (siehe Bild). Bei nur einem Modul ist das Risiko noch gering, es steigt allerdings rapide an je mehr Module eingesetzt werden.
Normativer Hintergrund und länderspezifische Unterschiede
Deshalb muss unbedingt die internationale Norm IEC 60364-5-55 bzw. die entsprechende harmonisierte nationale Norm VDE 0100-551 beachtet werden. Danach darf die Sicherheit und einwandfreie Funktion der anderen Stromquellen nicht beeinträchtigt werden. Wenn die Stromerzeugungseinrichtung (PV-Wechselstrommodul) im Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen einschließlich dem Stromverteilungsnetz eingesetzt wird, muss der Schutz gegen thermische Einflüsse nach VDE 0100-420 und gegen Überstrom nach VDE 0100-430 in allen Fällen wirksam sein. Dementsprechend müssen die Leitungen und sonstigen elektrischen Betriebsmittel: Steckdosen, Verteilungen … vor Überlastungen geschützt werden. Außerdem darf das Stromnetzsystem der Verbraucheranlage nicht durch die Einspeisung verändert werden.
Nach der deutschen harmonisierten Version der VDE 0100-551 dürfen Stromeinspeiser (Wechselstrommodule bzw. Modulwechselrichter) nur auf der (Netz-)Versorgungsseite aller Schutzeinrichtungen angeschlossen werden. Nach der internationalen Version dürfen sie auch auf der Lastseite eines Endstromkreises eingesetzt werden.
Dabei müssen die Leiter der Endstromkreise folgende Anforderung erfüllen:
Iz ? In + Ig
Iz = Strombelastbarkeit der Leitungen des Endstromkreises
In = Bemessungsstrom der Schutzeinrichtung des Endstromkreises
Ig = Bemessungsausgangsstrom der Stromerzeugungseinrichtung (Summe der Ausgangsströme aller Modulwechselrichter)
Das bedeutet, dass der Endstromkreis dessen Leitungen für 16 A ausgelegt sind, dann z.B. mit 10 A abgesichert wird und der Modulwechselrichter über eine Unterverteilung mit z.B. einer 6 A-Sicherung angeschlossen wird. So kann der maximale Strom von 16 A in dem Endstromkreis nicht überschritten werden. Konsequenz ist, dass in diesem Endstromkreis, wenn die Wechselstrommodule keinen Strom liefern (z.B. nachts) die maximale Belastung durch die Verbraucher auf 10 A begrenzt ist. Die Norm verbietet allerdings die Stromerzeuger über Steckdosen mit dem Endstromkreis zu verbinden. Eine Ausnahme in Europa stellen die Niederlande dar, dort dürfen bis maximal 600 W Stromeinspeiser über Steckdosen mit einem Endstromkreis verbunden werden. In den dort veröffentlichten Anschlussbeispielen wurde dieser Endstromkreis dann direkt über einer separate Überstromeinrichtung an die Unterverteilung angeschlossen. Eine einfache Mischung von Stromerzeugern und Stromverbrauchern im Endstromkreis wird dort wegen der Sicherheitsproblematik aber auch nicht empfohlen.
Um Fehlerströme zu verhindern muss nach IEC 60364-5-55 eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nach VDE 0100-410, die alle aktiven Leiter einschließlich Neutralleiter unterbricht, vorgesehen werden. Außen- und Neutralleiter von Endstromkreisen der Stromerzeugungseinrichtung dürfen nicht hinter der Schutzeinrichtung des Endstromkreises mit Erde verbunden werden. Während in anderen Ländern die Einspeisung von Stromerzeugungseinrichtungen, also mit Modulwechselrichtern, in Endstromkreise wie beschrieben möglich ist, ist es normativ in Deutschland nach der zitierten VDE 0100-551 (IEC HD 60364-5-55 nationaler Anhang) sowie der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 „Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ nicht zulässig. Letztere ist einzuhalten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Überschussstrom in das öffentliche Netz eingespeist wird. Ansonsten ist es möglich einen separaten NA-Schutz (Netz- und Anlagenschutz nach VDE-AR-N 4105 ) vor jeder Paralleleinspeisung mit Wechselrichter zu schalten oder die Wechselrichter haben diesen NA-Schutz integriert. Zudem müsste als Bezugszähler ein Stromzähler mit Rücklaufsperre zum Einsatz kommen.
Eine Ausnahme für Stromeinspeiser in Endstromkreisen macht die VDE 0100-551 nur für unterbrechungsfreie Stromversorgungen. Wenn für die Einspeisung von nur wenigen Modulen mit Modulwechselrichter unter Beachtung der oben genannten Sicherheitsanforderungen von der VDE 0100-551 abgewichen wird, muss die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (z.B. anhand der internationalen IEC 60364-5-55) und der Elektrosicherheit für jeden Fehlerfall nachgewiesen werden. Dieses ist für elektrotechnische Laien schwierig. Fehler beim „einfachen in die Steckdose stecken“ sind vorprogrammiert und die Risiken für Leib und Leben nicht zu unterschätzen. Die sicherste Anschlussart für PV-Anlagen ist der separate Anschluss an die Hausanschlussstelle und damit parallel zu den Verbraucherstromkreisen entsprechend den Anschlussbeispielen der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105.
Fazit
Am liebstem sind dem Autor lebendige und gesunde Solar-Guerillas, die nicht ihr Leben und das ihrer Familien aufs Spiel setzen.
Ralf Haselhuhn