Da kommt noch Garstiges auf uns zu
Die Weltbank warnt vor einer Verschärfung des Hungers auf der Erde und die Bundesregierung beschließt, die Speicherförderung zu kappen. Beides Meldungen zu Beginn der zweiten Novemberwoche 2015, die niemanden wirklich mehr aufhorchen lassen. Der BSW findet die Entscheidungen der Bundesregierung wieder unverständlich, verfasst pflichtgemäß Presseerklärungen dagegen und in den Massenmedien gewinnt wieder die „Flüchtlingskrise“ die Oberhand im Themenstrudel.
Die Krise der anderen
Nach herrschender Lesart haben diese Meldungen nicht viel miteinander zu tun. Abgesehen vom chirurgisch feinen Sezieren, mit dem die Zusammenhänge der Krise des westlichen fossilen Industriesystems in verdauliche Einzelmeldungen zerlegt werden, fällt die schnelle Übersetzung in unappetitlich verdrehte Begriffe auf. Flüchtlingskrise? Folgt man der deutschen Sprache und der Logik, hätten die Flüchtlinge die Krise verursacht und nicht diejenigen, die mit ihren Ressourcenkriegen Flucht und Vertreibung herbei gebombt haben.
Metaphern dieser Art werden uns immer häufiger übergestülpt, sie sind die Blendgranaten gegen immer schneller rotierende Widersprüche. Mit Vorliebe zielen sie auch gegen die Erneuerbaren Energien. Seit Merkels Wende zur Energiewende fällt auf, dass das vorgebliche Pro für die Erneuerbaren mit vergifteten Zusätzen angereichert wird: Energiewende ja, aber mit „Brückentechnologie“, mit „Strompreisbremse“ und mit „Atempause“.
Ziel oder Limit?
Diese immer unverblümter vorgetragenen Angriffe finden sich auch im Vorfeld der anstehenden Klimakonferenz im Dezember in Paris. So verdreht neben der Weltbank auch die Kanzlerin das 2-Grad-Limit schon mal zum 2-Grad-Ziel und suggeriert, bis dahin sei ja genügend Gelegenheit, Klimaschützendes zu tun. Im Spiegel wird daraufhin der Bericht eines Forschungsinstitutes Climat Central zitiert, der von einem Zeitraum zwischen 200 und 2.000 Jahren beim Meeresanstieg ausgehe. Ein amerikanischer Thinktank, der selbst gar keine Klimaforschung betreibt. Auch wenn die verdrehten Metaphern der fossilen Propagandisten gewissermaßen auf leisen Sohlen ins Gehirn schleichen sollen, ändern sie nichts daran, dass die Verbrennungsfetischisten mit ihrem neoliberalen Wirtschaftsmodell die Welt langsam aber sicher aus den Angeln heben. Die Maxime, nach der auch die Bundesregierung handelt, den staatstragenden Energiekonzernen eine Zukunft und ihr angelegtes Kapital retten zu wollen, wird sich auch auf der Pariser Klimakonferenz nachvollziehen lassen, trotz medialer Nebelschleier.
Als ob Klimawandel allein ein Problem höherer Temperaturen und eines in ferner Zukunft steigenden Meeresspiegel sei. Auch höhere Temperaturen sind übrigens eine verträgliche, wenn nicht gar positiv besetzte Metapher. War nicht dieser Sommer für viele Menschen in Deutschland angenehm – naja, lassen wir mal die Landwirte außen vor, sprechen nicht vom weltweiten Artensterben, den globalen Wetterextremen und vergessen die Flüchtlingsströme. Aber geht das? Oder anders ausgedrückt, werden die Propagandisten des Status quo nicht in immer kürzeren Abständen von der realen Entwicklung der Welt Lügen gestraft?
CO2 Senke ohne Limit?
Beim Leugnen des rasanten CO2-Anstiegs in der Atmosphäre war eines der Argumente, die Weltmeere würden einen Großteil dieses Klimagases „absorbieren“. Man sprach euphorisch von der „CO2-Senke“. Jedem Mineralwassertrinker leuchtet aber auch ein, dass Kohlendioxid im Wasser dessen pH-Gehalt verändert. Inzwischen ist die Versauerung der Meere eine bedrohliche Tatsache und keine hilfreiche Senke zum Hinauszögern des Klimawandels. Der über Jahrtausende stabile pH-Gehalt der Weltmeere lag bei 8,2. Inzwischen ist er auf 8,1 abgesunken. Meeresforscher haben errechnet, bei einem „Weiter-wie-bisher“-Emissionsszenario werde er bis zur Jahrhundertmitte auf 8,0 und bis zum Jahrhundertende auf 7,8 fallen. Da die pH-Skala logarithmisch ist, bedeutet eine Abnahme um 0,1 Prozent, dass die Meere um 30 Prozent saurer sind. Wer also ein 2-Grad-Ziel propagiert, sollte wissen, dass er für den Zusammenbruch der maritimen Nahrungskette eintritt. Ob wir noch Zeit haben, wie die Kanzlerin meint, oder nicht, ist also nicht die Frage. Wir sind mittendrin. Und die vergifteten Metaphern der Fossilen verbrennen bald schneller, als sie neue erfinden können.
Klaus Oberzig