Energiewende selbst machen
Für meine DGS-Arbeit waren in der vergangenen Wochen zwei Themen wichtig: Zum einen die Erkenntnis, dass der neue Koalitionsvertrag nahezu keine konkreten Maßnahmen als Antworten auf die Frage nach dem Klimaschutz aufzeigt. Zum anderen besuchte ich wieder eine Veranstaltung der Energiewirtschaft. Für mich folgert daraus, dass wir uns bei der DGS weiter dafür einsetzen müssen, dass unsere Forderungen für eine ambitionierte Energiewende in die Umsetzung kommen.
Energiewende war gesternDer Eindruck, dass die Energiewende läuft und soweit abgehakt ist, verstärkt sich immer mehr. Denn momentan beschäftigt man sich mit etwas anderem, das Zauberwort heißt Digitalisierung. Ebenso wird deutlich, dass der Kunde von einer digitalen Energiewelt kaum einen Nutzen hat und dieser zuerst bei Stromversorgern und Netzbetreibern liegt. Die Technik kann leistungsfähiger genutzt werden und die Versorger träumen von neuen Geschäften: Allein der Smart-Meter-Rollout, der wohl im Sommer beginnen wird, wird bei 40 Millionen Haushalten in Deutschland rund 3.800.000.000 Datensätze pro Tag produzieren!
Und die Erwartung der Branche? In einer energiewirtschaftlichen Zeitschrift lese ich dazu: "Welch ungeheures Potential für Datenanalysen und die Generierung echter Kundenmehrwerte, die die Endverbraucher begeistern und nachhaltig an "ihren" Energiedienstleister binden." Ich bin einmal gespannt, ob hier die Berater der Branche verstanden haben, was die Kunden wirklich wollen. Soll er sich wirklich über eine App freuen, die ihm bei der Einsparung einiger Euro Stromkosten hilft, aber für "nur" 14,99 pro Monat vom Versorger angeboten wird? Ein Hausbesitzer, der mit PV und Batteriespeicher seinen Stromverbrauch schon um 70% reduziert hat und sein Warmwasser mit Solarthermie macht, braucht der vielleicht gar keine teuren Zusatzleistungen mehr?
Die Stromwirtschaft betont die CO2-Minderungen, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden und nimmt trotzdem in diesem Jahr voraussichtlich das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 mit einem Gigawatt Leistung neu in Betrieb. Der Eon-Chef betonte kürzlich, wie schnell man im Bereich Photovoltaik wächst und präsentiert dann auch gleich eine tolle Innovation für Eon-PV-Kunden, bei der PV-Strom in die Cloud "eingespeichert" und dann in Dunkelheit und Winter wieder zurückbezogen werden kann. "100% Ihres selbstgemachten Sonnenstroms nutzen", sagt der Werbeprospekt. Nein, man speichert Solarstrom nicht saisonal, auch Eon nicht. Mit einer solchen Kommunikation erhöht man nicht die Glaubwürdigkeit von digitalen Lösungen. Spötter könnten sagen, dass eine Speichercloud grundsätzlich nur virtuell sein kann und dass man den PV-Strom, den man zu Eon schickt, als Millionen Jahre alte Sonnenenergie, die als Kohle gespeichert ist, zurückbekommt.
Es gibt viel zu tun
Wir müssen weitermachen. Die Energiewende muss auch in absehbarer Zeit hauptsächlich von den Bürgern geschultert werden, von Politik und Industrie sind nur wenige Impulse zu erwarten. Auch der Abbau von Hemmnissen und Bürokratie wird noch ein steiniger Weg. Deshalb finden sich in diesem Heft auch wieder einige Artikel, die Sie bei Ihrer eigenen Energiewende unterstützen: Unter anderem finden Sie in dieser Ausgabe interessante Entwicklungen bei Solarmodulen, steuerliche Hinweise zum PV-Einsatz aber auch bislang wenig diskutierte Fakten zu Energiedaten und fossilen Verbrennungsmotoren, alles in allem wieder mal ein breites Spektrum, was für Sie sicherlich auch ganz konkret von Nutzen sein wird.
In diesem Sinne: Machen Sie Ihre eigene Energiewende.
Jörg Sutter