Gefangen in der Effizienz-Schleife
In der US-amerikanischen Filmkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier", spielt Bill Murray einen zynischen Wettermann, der in einer Zeitschleife festsitzt und dabei ein und denselben Tag immer wieder erlebt. Aus diesem endlosen Déjà-Vu kommt er erst heraus, in dem er etwas Grundlegendes ändert. In der Geschichte dauert es zwar nicht allzu lange, bis er seine Situation begreift, jedoch stellt sich die Überwindung der eingeschlagenen Routinen für ihn letztendlich als die größte Hürde dar. Eine etwas andere Parabel erzählt die Science-Fiction-Serie Star Trek. In der Folge "Cause and Effect" (auf Deutsch Déjà-Vu) befindet sich die Enterprise in einer Art Kausalitätsschleife, die von den Protagonisten nicht bemerkt wird. Das Problem wird erst mit Hilfe des positronischen Gehirns des Androiden Data entdeckt. Auch hier gelingt das Entrinnen nur durch eine abrupte Änderung der Handlungen und einer komplett neuen Strategie.
Dieses Schema wird immer wieder gern filmisch aufgearbeitet und ist beim Publikum sehr beliebt. Das liegt womöglich daran, dass wir als Außenstehende stets denken, die handelnden Personen müssten doch bemerken, dass nur eine Änderung ihrer eingeschlagenen Pfade etwas bewirken könne. So sind die Signale für den passiven Beobachter meist gut zu erkennen, werden jedoch, dass ist das wiederkehrende Muster, egal ob es als subtile Hinweise oder Wink mit dem Zaunpfahl daherkommend, immer wieder ignoriert oder in den Wind geschlagen. Dass wir auch selbst immer wieder in eine solche Situation geraten, ist uns durchaus bewusst, was letztendlich den Charme solcher Erzählungen wohl auch ausmacht.
Effizient aber wenig effektiv
Ein Beispiel, wie wir in unserer Realität ebenso in einer Endlosschleife gefangen sind, zeigt unser ausgeprägter Glaube an eine immer weiter verbesserbare Effizienz als Lösung unseres maßlosen Verbrauchs an Ressourcen. Dieses Denken findet man in vielen Lebensbereichen. Aber auch wenn wir den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit bisweilen bemerken, sind wir offensichtlich nur schwer in der Lage die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen. Ein Beispiel: In Deutschland sank, erstmals seit 2015, wieder der Heizenergiebedarf in Wohngebäuden, die CO2-Emissionen gingen gar um 21 Prozent seit 2010 zurück. Das stimmt hoffnungsfroh. Jedoch ist der Rückgang der klimaschädlichen Emissionen vor allen Dingen temperaturbedingt, schließlich fanden die 11 in Deutschland heißesten Jahre allesamt in den letzten 20 Jahren statt.
Zyniker könnten nun sagen: Steigen die Temperaturen auch weiterhin, was bekanntlich auch die Winter betrifft, dann ergeben sich automatisch große Potenziale für die Einsparung von Klimagasen. Wird es wärmer, muss für das Heizen weniger Energie aufgewendet werden. Folglich müsse gar nicht so viel getan werden, die heizungsbedingten Emissionen würden auch so kontinuierlich abnehmen. Das ist jetzt natürlich böse und überspitzt formuliert. Denn würden wir diese Taktik tatsächlich verfolgen, würden die "Nebenwirkungen" der Klimakatastrophe ungebremst eskalieren.
Sanieren ist das neue Bauen
Dennoch konzentrieren wir uns seit Jahrzehnten auf das Verschärfen von Bauvorschriften, ohne einzugestehen, dass das nur wenig gebracht hat. Denn das Problem liegt ganz woanders. Um es mal so zu sagen: Deutschland ist längst gebaut, der Gebäudebestand ist der "Casus knaxus". Es fehlen weniger die Anreize energiesparende Gebäude zu bauen, sondern dies erst gar nicht zu tun und anstelle dessen vielmehr die Bestandsgebäude zu sanieren. Statt Eltern-Baugeld für weitere Gebäude in Neubausiedlungen zur Verfügung zu stellen, müsste besser ein Programm aufgelegt werden, das den Erwerb von Bestandsgebäuden belohnt, insbesondere wenn diese Gebäude rohstoffarm saniert werden. Denn wer heute unbedingt noch sein Eigenheim im Grünen bauen möchte, sollte sich durchaus die Frage gefallen lassen müssen, ob das noch zeitgemäß ist, wenn gleichzeitig Häuser leer stehen oder abgerissen werden, obwohl sie nicht baufällig sind.
Die Verschärfung der energetischen Verordnungen sind wichtig, aber ganz nach dem Motto: "Das eine tun, das andere nicht lassen", müssen wir einen anderen Weg einschlagen. Die Devise müsste deshalb lauten: "Sanieren ist das neue Bauen!" Und das bedeutet neben der Erkenntnis, dass die Energiebilanz von sanierten Bestandsgebäuden im Vergleich zum Neubau meist besser als vermutet ist: Ein Weniger an Flächenzersiedlung, Naturzerstörung, optischer Beeinträchtigung, Bodenverdichtung, Zerstörung gewachsener Stadt- und Dorfstrukturen, Leerstand inklusive Wohnungsnot und teuren Neubaumieten. Das unreflektierte Bauen ist ökologisch, sozial und ökonomisch oft nicht sinnvoll. Auch spielen klimaneutrale Neubauten klimapolitisch gesehen nur eine kleine Rolle wenn gleichzeitig bestehende Gebäude unverändert bleiben oder gar abgerissen werden. Zudem geht es auch um eine Wertschätzung von Gebäuden, deren Lebenszyklus nach 50 Jahren noch nicht abgeschlossen sein muss. Oft wird Baukultur nur bei außergewöhnlichen Schätzen wahrgenommen.
Wir müssen weg von einem auf den Energieverbrauch ausgerichteten Fokus und uns der Gesamtenergie- und Rohstoffbilanzen zuwenden. Provokant gesagt: Wir brauchen nicht nur bessere, sondern vor allem weniger Neubauten. Das trifft natürlich auf vieles zu: Wir brauchen nicht nur effizientere, sondern vor allem weniger Mobilität. Wir brauchen nicht nur besseren Datenschutz, sondern vor allem weniger Daten...
Nicht erst in Zukunft alles besser machen
Und um das zu erkennen müssen wir uns nicht, wie einst der Wetterfrosch Phil Connors im Film vor Autos werfen und von Häusern springen, um uns unserer Lage bewusst zu werden. Auch brauchen wir kein positronisches Gehirn um Auswege zu erkennen. Denn überall, links und rechts vom eingeschlagenen Weg, liegen die Aufgaben, denen wir uns heute stellen müssen. Wir müssen nicht die künftige Welt erschaffen, sondern vielmehr im Heute handeln. Wir benötigen eine Effektivitäts-Offensive, denn erst wenn wie (effektiv) die richtigen Dinge tun, können wir sie richtig (effizient) tun!
Matthias Hüttmann