Deutschland Solareuropameister
Viel Erneuerbare Energien im Netz, beim Verbrauch noch zu wenig. Photovoltaikanlagen in Deutschland speisen so viel Energie ins Stromnetz ein wie in keinem anderen Land, doch genutzt wird das Potential Erneuerbarer Energien noch zu selten, wie der Green Living Index zeigt.
Der Green Living Index ist eine vergleichende Datenanalyse basierend auf offiziellen EU-Daten. Ziel des Index ist es zu bewerten, in welchen Ländern Europas das Thema nachhaltiges Wohnen bereits einen hohen Stellenwert einnimmt und welche Bereiche den größten Aufholbedarf haben. Die Datenanalyse1) hat 28 europäische Länder unter die Lupe genommen. Sie zeigt einerseits auf, wie nachhaltig Europa im Jahr 2022 wohnt, andererseits in welchen Bereichen die einzelnen Länder noch dringend aufholen müssen bis zum großen EU-Ziel Klimaneutralität bis 2050.
Mit der traditionellen Art zu bauen, zu wohnen und Energie zu nutzen, werden Umwelt, Klima und natürliche Ressourcen weit über ihre Kapazitäten hinaus beansprucht. Eine klare Übernutzung, die dazu beiträgt, den Klimawandel zu beschleunigen. Eine zukunftsorientierte Bauart und Wohnform kombiniert Klimaneutralität, Umweltschutz und einen wertvollen Nutzen für die Bewohnerinnen und Bewohner. Idealerweise beginnt der Nachhaltigkeitsgedanke bereits bei der Bauplanung und spiegelt sich anschließend in allen Aspekten des Gebäudes wieder: Beim klimaneutralen Bau, der Versorgung mit Erneuerbaren Energien bei Strom und Heizung, beim intelligenten Abfall- und Abwassermanagement, aber auch bei der Einrichtung aus wiederverwendeten Materialien und Second Hand-Möbeln.
Energie aus Sonnenkraft in Deutschland
Ein entscheidender Punkt bei der Bewertung der Länder in Bezug auf nachhaltiges Wohnen war auch ihr Umgang mit Solarenergie und insbesondere die installierte Leistung pro Kopf. Deutschland führt in diesem Kriterium mit großem Abstand. Etwa 590 Watt beträgt die installierte Leistung aus privaten und kommerziellen Solaranlagen auf deutschem Boden, umgerechnet pro Bundesbürger. Der Untersuchung zufolge hat Deutschland damit viermal so viel Leistung wie die europäischen Länder im Durchschnitt installiert. Im europaweiten Solar-Ranking folgen die Niederlande (401 Watt pro Kopf), Belgien (396 Watt), Italien (346 Watt), Malta (305 Watt), Griechenland (261 Watt), Luxemburg (229 Watt), das Vereinigte Königreich (204 Watt), Tschechien (197 Watt) und Spanien (197 Watt).
Doch jede große Errungenschaft hat ihre Kehrseite. Bei der Nutzung Erneuerbarer Energien hält sich Deutschland noch stark zurück, wie insbesondere der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt. Nur 17 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Deutschland stammt aus nachhaltigen Quellen. In Schweden liegt dieser Wert bereits bei 56 Prozent, womit das skandinavische Land die Spitzenposition in Europa einnimmt. Nachbarland Österreich nutzt Energien aus nachhaltigen Quellen bereits mit einem Anteil von 34 Prozent und selbst Rumänien steht bereits bei 24 Prozent. Einen ähnlich niedrigen Anteil bei den Erneuerbaren Energien wie Deutschland zeigen unter anderem Frankreich (17 Prozent), Polen (12 Prozent) und das Vereinigte Königreich (12 Prozent).
Der Anteil wird noch kleiner, wird der Anteil am Energieverbrauch betrachtet, welcher für das Heizen verwendet wird. Hier stammen in Deutschland nur 15 Prozent, der dafür aufgewendeten Energie, aus nachhaltigen Quellen wie Solarenergie. Deutlich näher an der Energiewende in diesem Bereich ist erneut Schweden mit 66 Prozent, gefolgt von Finnland (43 Prozent) und Lettland (41 Prozent). “Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst die grünsten Länder im Bereich Wohnen noch Aufholbedarf haben, um das große EU-Ziel zu erreichen: Klimaneutralität bis 2050,” kommentiert Jan Hase, Geschäftsführer von Wunderflats die Ergebnisse des Green Living Index.
Welches Land in Europa wohnt am grünsten?
Im Gesamtbild gehört Deutschland aber trotzdem noch zu Top-Ländern in Sachen nachhaltiges Wohnen, zeigt der Green Living Index. Nur in Portugal und Schweden wird noch grüner gewohnt. Neben der großen Leistung im Bereich Solarenergie zeigen sich die Deutschen außerdem überdurchschnittlich engagiert beim Klimaschutz. In einer Umfrage im Auftrag der EU gaben 79 Prozent der Befragten aus Deutschland an, sich aktiv gegen den Klimawandel zu engagieren. Etwa gebrauchte Möbel zu kaufen, gehört jedoch nicht dazu. Das Interesse daran ist auch gering, wie Daten zeigen. Verbesserungsbedarf gibt es wie schon erwähnt bei der Nutzung Erneuerbarer Energien: Nur 17 Prozent des gesamten Energieverbrauchs von 200 kWh/m2 bei Wohngebäuden stammt aus nachhaltigen Quellen. Beim Heizen entspringt etwa ein Fünftel aus Erneuerbaren Energien.
Österreich ist Vorreiter bei Passivhäusern, Portugal beim Energieverbrauch
Mehr als ein Drittel der Energie, die in Österreich für das Heizen verbraucht wird, wird nachhaltig produziert. Mit 0,5 Prozent aller Wohngebäude hat Österreich anteilig so viele Passivhäuser gebaut wie kein anderes Land, das die Studie untersucht hat. Seit 2021 müssen laut EU-Verordnung alle neuen Gebäude als Niedrigstenergiegebäude gebaut werden. In Deutschland liegt dieser Anteil bis dato bei etwa 0,3 Prozent. Der EU-Schnitt beträgt 0,2 Prozent. Portugal zeichnet sich durch seinen allgemein niedrigen Energieverbrauch von nur 70 kWh/m2 bei Wohngebäuden aus. Europäische Haushalte verbrauchen im Schnitt 188 kWh/m2 und damit weit mehr als das Doppelte des Verbrauchs von Portugal. Mit 308 kWh/m2 zeigt das letztplatzierte Land im Green Living Index, Rumänien, den höchsten Energieverbrauch. Die ausgewerteten Daten bescheinigen Schweden, ein Vorbild bei der Nutzung Erneuerbarer Energiequellen zu sein. 66 Prozent des Energieverbrauchs beim Heizen und 56 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs stammt aus nachhaltigen Quellen.
“Die Klimaneutralität bis 2050 ist ein ambitioniertes Ziel, welches sich nur durch Zusammenarbeit erreichen lassen wird”, führt Geschäftsführer Jan Hase aus. „Mit dem Green Living Index konnten wir die unterschiedlichen Entwicklungsstufen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Bereich Wohnen identifizieren. Länder, die Nachholbedarf im Bereich Nachhaltigkeit haben, sollten dringend von anderen Ländern lernen, die der ein oder anderen Herausforderung bereits erfolgreicher begegnet sind“
Christian Merz