DGS Aktiv
Neustart in Kassel: Solartankstelle nach 20 Jahren mit frischem Outfit
Nach langem Hin und Her wurde am 28. Mai dieses Jahres, 20 Jahre nach der Errichtung der ersten öffentlichen Solartankstelle in Kassel, am gleichen Ort wie bisher eine neu konzipierte Solartankstelle in Betrieb genommen.
Mit einem eindrucksvollen Autokorso durch die Kasseler Innenstadt – Zwischenstop beim Hessen Solar Cup auf dem Kasseler Königsplatz – demonstrierten 16 Elektroautos, Elektroroller, Pedelecs und das Rekord E-Motorrad aus Nordhessen ihre Leistungsfähigkeit.
Vor genau 20 Jahren, am 2. Mai 1990, war in Kassel auf Initiative der „Arbeitsgemeinschaft Solartechnik Kassel“ mit ihrem Vorsitzenden Heino Kirchhof die erste öffentliche Solartankstelle Deutschlands eingeweiht worden. Vertreter der Stadt sowie der Städtischen Werke hatten eingewilligt, dass dieses neuartige Objekt auf einem zentralen Innenstadtplatz, dem Karlsplatz, aufgestellt, der gewonnene Strom ins öffentliche Netz eingespeist und dort auch wieder entnommen werden durfte.
Damals fand dieses Ereignis ein lebhaftes Echo. Zeitungen und Magazine aus vielen Regionen berichteten und brachten Fotos. Das Presse- und Werbeamt der Stadt musste eine Broschüre drucken lassen, um auf die vielen eingehenden Fragen antworten zu können. 1992 startete die internationale Solarrallye Kassel – Berlin auf dem Kasseler Karlsplatz. Und bei den Solarmobilisten herrschte große Freude, konnten sie doch bei Besorgungen in der Innenstadt auf der für sie reservierten Parkfläche ihre Batterien wieder nachladen.
Trotzdem blieben die wenigen Elektrofahrzeuge lange Zeit Exoten, und mit den Jahren schwand auch das öffentliche Interesse an der Solartankstelle. Über die Funktion des Kasseler Karlsplatzes stritten sich Anlieger und städtisches Planungsamt. Während die amtlichen Planungen von einem „grünen Bürgerplatz“ über ein repräsentatives Bürogebäude bis zum studentischen Vorschlag „Karlsplatz als Bühne“ reichten, wurde der Platz in der Realität lange Zeit als Lagerfläche für Baumaterialien zum Bau eines neuen Kinocenters genutzt. Auf der Fläche für e-Fahrzeuge wurde ein Müllcontainer abgestellt. Schließlich setzten die Anlieger durch, dass es vor ihren Ladengeschäften auch künftig wieder einen Parkplatz gibt.
Unser Einsatz für die Erhaltung der Solartankstelle war durch die Konzeptionslosigkeit und das Gerangel um den Platz lange Zeit erlahmt. Nichts schien mehr zu gehen, bis durch die neuerliche Diskussion über Elektro-Fahrzeuge frischer Wind in die Diskussion kam. Eine Solartankstelle in der Stadt gewann wieder an Bedeutung, so dass wir mit mehreren Vorschlägen den Neustart anregen und aktiv begleiten konnten. Die hiesige DGS-Sektion, inzwischen vereinigt mit der Arbeitsgemeinschaft Solartechnik Kassel, ist sehr glücklich über diese Entwicklung.
Autorin:
Helga Fischlein, DGS-Sektion Kassel / Arbeitsgemeinschaft Solartechnik Kassel)
Cradle to Cradle-Produktion – Ein Besuch bei Desso, Waalwijk (NL)
In der Artikelserie von Gunnar Böttger (SONNENENERGIE Hefte 2, 3-2010) hat der Autor die „Wachstumszwickmühle“, den wachsenden Widerspruch zwischen begrenzten Rohstoffen und wirtschaftlichem Wachstum, beschrieben. In einem vorangehenden Artikel (Heft 6-2009) zum Thema „Green New Deal“ hat Böttger bereits den möglichen Ausweg aus der „Wachstumszwickmühle“, den Weg zur perfekten Kreislaufwirtschaft angesprochen. Dieser Ansatz wurde als „Cradle to Cradle“-Konzept von Michael Braungart u.a. seit 1987 ausgearbeitet und mit Produktionsunternehmen weiterentwickelt (vgl. „Die nächste industrielle Revolution“, Hamburg, 2. Aufl. 2009). Ziel ist eine schadstofffreie Produktion ohne Abfälle. Eines der dort präsentierten Firmenbeispiele, das bereits nach Cradle to Cradle-Prinzipien arbeitende Unternehmen Desso, ist ein weltweit führender Teppichbodenhersteller mit Sitz in Waalwijk, Niederlande. Peter Deininger von der DGS-Sektion Münster konnte am 9.7.2010 ein Gespräch mit dem Director Sustainability, Herrn Rudi Daelmans führen.
Herr Daelmans, als Sustainability Direktor von Desso sind Sie für „Nachhaltigkeit“ im Unternehmen verantwortlich. Welche Bereiche umfasst diese Verantwortlichkeit?
Meine Aufgabenbereiche umfassen ein breites Spektrum. Sie reichen von der Prüfung der eingekauften Produkte der Zulieferer, der Energieversorgung, dem Wasserrecycling, dem Aufbau eines Rücknahme- und Recyclingsystems, der Cradle to Cradle-Produktentwicklung bis hin zu „Good Governance“ im Personalbereich.
Wichtige Themenbereiche, die ja auch in deutschen Firmen wachsende Bedeutung erhalten, sind die Energieeffizienz und der Einsatz Erneuerbarer Energien im Unternehmen. Können Sie hierzu Kennziffern nennen, die aussagen, welches Niveau Sie in diesen Bereichen erreicht haben bzw. was in Zukunft noch geplant ist?
Die Steigerung der Energieeffizienz und der Einsatz Erneuerbarer Energien sind Bestandteile unserer Cradle to Cradle-Strategie. Wir haben bei der Energie-effizienz schon gute Erfolge erzielt, insbesondere in den Jahren 2008 und 2009 (Schaubild 1) und planen eine 5%-ige jährliche Steigerung an unseren Produktionsstandorten. Bei der Wärmerückgewinnung und Senkung der Betriebstemperaturen unserer Öfen suchen wir noch nach guten Lösungen. Was die Versorgung mit Erneuerbaren Energien betrifft, haben wir einen ersten Schritt durch den Kauf von Ökostrom gemacht und konnten bis 2009 damit unseren Verbrauch an fossilen Energien bereits merklich reduzieren (vgl. Schaubilder 2 und 3). Für die Zukunft haben wir uns für den – gewiss aufwendigeren – Weg zu einer Energieerzeugung auf dem Firmengelände bzw. auf kommunalem Territorium entschieden. Bis 2020 soll eine 100%ige Versorgung durch Photovoltaik, Windkraft und Biogas erfolgen. Wir planen in Kooperation mit der Gemeinde Waalwijk eine mit Gras beschickte Biogasanlage in der Größenordnung von 1 MW. Das Biogas wird voraussichtlich über eine Leitung zum Firmengelände geführt und in Wärme/Kühlung und Strom umgewandelt. Vielleicht gelingt es darüber hinaus noch, das anfallende C02 in benachbarten Gewächshäusern zur Pflanzenproduktion zu nutzen – das wird noch geprüft.
Auch wenn Sie jetzt eine 100%ige Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien erreichen würden, so bleibt immer noch die Frage der wirklich „sauberen“, sprich umwelt- und menschenfreundlichen Produktion offen. Könnten Sie einmal skizzieren, welche Stoffe in einem Teppichboden enthalten sind?
Die größten Bestandteile von Teppichböden sind der Rücken und der Aufbau in Form von verarbeiteten Fasern und Garnen. Hinzu kommen Farbstoffe und Hilfsmittel für die Verarbeitung. Wir haben es mit einem Cocktail von etwa 350 Chemikalien zu tun.
Sehen Sie eine Aufbruchsstimmung bei der Cradle to Cradle-Produktion?
Wir registrieren eine verstärkte Aufmerksamkeit bei Großunternehmen für unsere Cradle to Cradle-Produkte. Auch Architekten interessieren sich vermehrt für Cradle to Cradle-Gebäude. Die normale Endkunden fragen verstärkt nach. Bei den produzierenden Unternehmen sehen wir neben den Niederlanden solche aus Belgien, Dänemark, Schweden, England und Frankreich, die etwas tun wollen. Ich bin ganz zuversichtlich was die weitere Entwicklung betrifft.
Das Interview führte Peter Deininger, DGS-Sektion Münster
Eine Solarinitiative für Antalya
Workshop im Mai:
Die türkische Stadt Antalya hat sich der verstärkten Nutzung von Solarenergie verschreiben. Dabei möchte man sich mittelfristig zur „Solarhauptstadt Europas“ entwickeln. Unter diesen Maßgaben fand vom 25. bis 29. Mai 2010 im Rahmen eines Solar-Workshops der Besuch einer Fachdelegation aus Nürnberg statt. Die DGS wurde von Matthias Hüttmann vom Landesverband Franken vertreten. Weitere Teilnehmer waren der Architekt Jürgen Bisch sowie Christian Hartmann von der IHK Nürnberg für Mittelfranken. An dem Workshop nahmen von türkischer Seite die Architektenkammer, Vertreter der Stadtverwaltung und der Handelskammer teil. Ziel des Treffens war es, einen Überblick über die jeweiligen Solar-Aktivitäten zu erhalten und das weitere Vorgehen abzustimmen. Auf Vorschlag der DGS soll nun zunächst ein Solarverein gegründet werden. Diesem Verein sollten alle Organisationen, Firmen und Privatpersonen beitreten können, die sich den Zielen des Vereins widmen.
Schwerpunkt Solarenergie auf der Baucon Yapex:
Im Rahmen der im Oktober in Antalya stattfindenden Baumesse „Baucon Yapex“ soll eine Energiekonferenz bzw. ein Solarforum veranstaltet werden. In dem Zuge ist auch eine Unternehmerreise mit interessierten Firmen aus dem Solarbereich geplant. Die Baumesse könnte dafür genutzt werden, Kooperationen zwischen deutschen und türkischen Firmen anzubahnen und weitere Schritte/Projektideen auf den Weg zu bringen.
Glaspyramide soll solarisiert werden:
Für die bislang als Messegelände genutzte Glaspyramide ist eine solare Umnutzung geplant. Anstatt der momentan vorhandenen Einscheibenverglasung sollen die Glasflächen künftig zur solaren Stromproduktion verwendet werden. Zusammen mit dem Nürnberger Architekturbüro Bisch hat die DGS aktuell entsprechende Planungen aufgenommen.
Konzept für Solarinitiative:
Eine wirkungsvolle Solarinitiative in Antalya muss auf verschiedenen Gebieten tätig werden. Hierfür hat die DGS zusammen mit der ENERGIEregion Nürnberg ein Konzept erstellt, welches aufzeigen soll, wie eine solche Initiative systematisch aufgebaut und betrieben werden kann. So wurde vorgeschlagen, Aktionen auf verschiedensten Ebenen koordiniert durchzuführen. Als mögliche Bereiche kommen dabei in Frage: Beratung und Information, Weiterbildung und Schulung, Qualität und Entwicklung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, jeweils unter zu Hilfenahme beispielhafter Projekte.
Fazit:
Antalya hat beste Voraussetzungen, klimatisch als auch ökonomisch, sich mithilfe von Erneuerbarer Energien nachhaltig zu entwickeln. Hier gibt es viele Ansatzpunkte – für Industrie sowie für Verbände wie die DGS.
Link:
„Die Türkei auf dem Weg zur Solarenergie“ – Bericht in der Istanbul Post vom Juli 2010, www.dgs-franken.de/data/Istanbul-Post.pdf
Autor:
Matthias Hüttmann, DGS, Landesverband Franken e.V.