Der Netzentwicklungsplan
Deutschlandweit ein großes Projekt, unbekannt für die Öffentlichkeit: In Deutschland existiert ein fast 1,6 Mio. km langes Stromnetz. Mit dessen Hilfe werden täglich fast 45 Mio. Kunden über alle Spannungsebenen mit elektrischer Energie versorgt. Über 900 lokale und regionale Energieversorgungsunternehmen verteilen den Strom in ihren Netzgebieten. So gelangt der Strom über Stromleitungen von den Kraftwerken zu den Kunden.
Die bestehenden Netze
Niederspannungsnetze versorgen kleine lokale Stromabnehmer wie Einzelhaushalte, Mittelspannungsnetze beliefern größere Verbraucher wie Unternehmen und Industrie auf regionaler Ebene. Auf die Hochspannungsebene von 220 und 380 KV entfallen momentan Übertragungsnetze mit einer Länge von ca. 35.000 km. Mit ihrer Hilfe wird der Strom von den Erzeugern bzw. Kraftwerken über weite Distanzen in die Verbraucherzentren und Verteilernetzwerke der Regionen transportiert. Die Übertragungsnetze stellen zugleich eine elektrische Verbindung zu den Nachbarländern als internationaler Stromverbund Kontinentaleuropas dar und ermöglichen so den länderübergreifenden Energieaustausch und Stromhandel.
Gesetzesnovellen
Im Zuge der aktuellen Energierechtsnovellen:
- der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vom August 2011
- dem vom Deutschen Bundestag im Juni 2011 mehrheitlich beschlossenen 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, welches den Ausstieg aus der Kernkraft bis 2022 regelt sowie
- der Novellierung des Erneuerbare Energie Gesetzes EEG, welches den Energiebedarf bis 2050 zu 80% durch Erneuerbare Energien abdecken soll,
sind vier Unternehmen als Übertragungsnetzbetreiber (=ÜNB) vom Gesetzgeber beauftragt worden, den Ausbau der deutschen Energieinfrastruktur durchzuführen. Mit den geplanten Maßnahmen soll das Ziel erlangt werden „Stromautobahnen“ fertigzustellen, um in Deutschland große Mengen an Strom, vorzugsweise von Norden nach Süden, zu transportieren. – Dies soll als wesentlicher Baustein für das Gelingen der Energiewende gelten.
Mit Stand vom 07. Dezember 2011 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Rolle der Regulierungsbehörde die Information zur Genehmigung des Szenariorahmens nach §12 a EnWG festgelegt, welche die energiepolitische Ausrichtung Deutschland (Energiekonzept der Bundesregierung 2010 und die Energiewende 2011, Stand Oktober 2011) bis 2050 beschreibt und insbesondere Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Netze und zur Energieeffizienz festlegt. Der Szenariorahmen ist somit der Ausgangspunkt für die Erstellung des ersten Netzentwicklungsplans Strom (NEP) für 2012 nach EnWG §12 b bis d und stellt den Ausbaubedarf der Stromnetze in Deutschland durch Ermittlung der erforderlichen Netzentwicklungsprojekte dar. Der Erweiterungs- und Anpassungsbedarf der Netzinfrastruktur ergibt sich aus der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende, die den Ausstieg aus der atomaren Stromerzeugung bis 2022 und einen deutlichen Ausbau der Erzeugungskapazitäten auf Basis Erneuerbarer Energien vorsieht. Am 4. März 2012 legte die Bundesregierung dazu die nächsten Schritte in der Energiewende als Fahrplan 2012 fest.
Aufgabe des NEPs
Der NEP soll alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes enthalten, die in den nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Er soll dabei die Integration Erneuerbarer Energien und die Entwicklung eines europäischen Strommarktes unter den festgesetzten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen.
Aus der Perspektive der ÜNB beinhaltet er möglichst genaue Angaben für die notwendigen Um- und Neubaumaßnahmen der Höchstspannungsnetze. Vorgeschlagene Maßnahmen müssen für mindestens die ersten drei Jahre mit einem konkreten Zeitplan bzgl. ihrer Umsetzung hinterlegt sein. Der Entwurf des NEP wird im Anschluss an seine Fertigstellung im Rahmen einer Konsultation der Öffentlichkeit vorgelegt, die damit Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Mitte 2012 soll der Entwurf dann erstmals der BNetzA von den ÜNB zur Überprüfung übergeben werden. Die Stellungnahmen der Öffentlichkeit und die Anmerkungen der BNetzA werden aufgenommen und fließen in die finale Fassung ein, die dann nach Freigabe durch die BNetzA der NEP 2012 sein wird. In der Erstellung des NEP müssen wirtschaftliche, technische und politische Variablen berücksichtigt werden. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, werden die ÜNB nach 2012 jährlich einen neuen, auf Basis aktueller Daten und Erkenntnisse, entwickelten NEP veröffentlichen.
Der NEP beinhaltet folgende Themenbereiche:
- Methodik der Erstellung des NEPs,
- Szenarien der Energieversorgung,
- Marktsimulation,
- Netzanalysen,
- Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau der Netze,
- Konsultation,
- Fazit der ÜNB,
- Darstellung der Maßnahmen,
- Ergebnismaßnahmen
- Kostenschätzungen
Verantwortung der vier Übertragungsnetzbetreiber
Verantwortlich für die überregionale Versorgung und Übertragung im Höchstspannungsbereich sind in Deutschland die vier ÜNB Firma 50Hertz, Amprion, TenneT TSO und TransnetBW. Sie führen im Hochspannungsnetz Modernisierungen durch und erweitern durch Ausbau, sie planen, warten und regeln den Netzbetrieb. Nach Beschluss des Bundestages haben sie den Auftrag einen Plan für den Ausbau der Übertragungsnetze zu erarbeiten, welches 2012 der erste NEP sein wird.
Ihre Zuständigkeitsgebiete, unterteilt in vier Regionen, sogenannte Regelzonen, sind zugeteilt worden:
- 50Hertz: Nord-Osten, 24 geplanten Maßnahmen,
- Amprion: Nord-Westen, 31 geplanten Maßnahmen,
- TenneT: Süd-Osten, 17 geplanten Maßnahmen und
- Transnet: Süd-Westen, 11 geplanten Maßnahmen
Auf der Internetseite www.netzentwicklungslan.de stellen die ÜNB auch ihre gemeinsamen Leitsätze zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Strominfrastruktur als gesamtgesellschaftliches Projekt dar:
- größtmögliche Transparenz und Offenheit im Planungsprozess,
- kontinuierliche, schnelle und sachgerechte Information der Öffentlichkeit,
- Partizipation aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen über die Konsultationsverfahren.
Nach dem EnWG §12 ist als rechtliche Grundlage verbindlich festgelegt:
- Aufgaben der Betreiber von Übertragungsnetzen,
- Szenariorahmen,
- Erstellung des NEP durch die Betreiber von Übertragungsnetzen,
- Bestätigung des NEPs durch die Regulierungsbehörde,
- Systemverantwortung der Betreiber von Übertragungsnetzen.
Unter EnWG §11 ist weiter festgelegt:
- Wahrung der Systemsicherheit,
- bedarfsgerechte Entwicklung,
- Betrieb der Höchstspannungsnetze.
Ohne Einfluss auf die Anzahl der Standorte sowie die Standorte selber von Energieerzeugern, -speichern oder -verbrauchern, stellen sie ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Übertragungsnetz neutral und diskriminierungsfrei als Plattform für den Energiemarkt zur Verfügung und sorgen dafür, daß sich Erzeugung und Verbrauch zu jeder Zeit im Gleichgewicht befinden. Sie setzen ausschließlich politische Verwaltungsentscheidungen um, festgelegt durch einen gesellschaftlichen Auftrag, der in § 12 Abs. 1 des EnWGs vom August 2011 verankert ist.
Mit dem NEP soll somit per Gesetz die Infrastruktur für die deutsche Stromversorgung für die nächsten 10 bzw. 20 Jahre festgelegt und wirtschaftliche und technologische Entwicklungen jährlich aktualisiert werden. Auf Europaebene (3. EU-Energiebinnenmarktpaket) wird damit auch die Stärkung des europäischen Binnenmarktes, die Förderung einer CO2-freien Energieerzeugung und Versorgungssicherheit erfüllt. Bevor der NEP zur Überprüfung an die BNetzA gereicht wird, bestellen die ÜNB einen externen Gutachter, der die Entwicklung des Entwurfs begleitet und validiert.
Verantwortung der Bundesnetzagentur BNetzA
Die BNetzA ist seit dem 13. Juli 2003 als selbständige Bundesbehörde für die Entwicklung der Märkte Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahninfrastruktur zuständig, und ist dem Bundesministeriums für Wirtschaft zugeordnet. Ihre Aufgabe im Bereich Energie beinhaltet eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit zu gewährleisten“, „einen leistungsfähigen und zuverlässigen Betrieb der Energieversorgungsnetze“ und „einen unverfälschten Wettbewerb“, durch Entflechtung der Netzbereiche und die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Netzbetreiber von anderen Tätigkeitsbereichen der Marktakteure sicherzustellen. Bezüglich der Prozessphasen des NEPs ist die BNetzA als Regulierungsbehörde, für die Veröffentlichung des Szenariorahmens und die zugehörigen Konsultationen verantwortlich sowie den Entwurf des NEPs unter Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse zu prüfen und zu genehmigen. Durch auftretende Zweifel innerhalb der Prüfung kann die BNetzA eine Nachbesserung einfordern oder die Europäische Energieregulierungsbehörde ACER konsultieren. Nach Abschluss der Prüfung wird die Öffentlichkeit nochmal einbezogen. Des weiteren übermittelt die BNetzA alle drei Jahre den NEP an die Bundesregierung als Entwurf für einen Bundesbedarfsplan, den wiederum legt die Bundesregierung dem Bundesgesetzgeber vor.
Verantwortung der Öffentlichkeit
Die Öffentlichkeit setzt sich aus Bürgern und Organisationen wie Unternehmen, Verbänden, Vereinen, Bürgerinitiativen und wissenschaftliche Einrichtungen, aber auch Behörden und Institutionen der Bundesländer, die sich bei der Erstellung der NEPe durch Konsultationen beteiligen können, zusammen. Diese Konsultationen begleiten die Erstellung des NEPs in drei Verfahren. Zwei Konsultationsverfahren während der Entstehung des Entwurfs zum NEP: Einmal für den Szenariorahmen durch die BNetzA und einmal für den ersten NEP-Entwurf durch die ÜNB. Das dritte Konsultationsverfahren erfolgt durch die BNetzA und betrifft den überarbeiteten NEP-Entwurf der zusätzlich die ersten, veröffentlichen Ergebnissen der strategischen Umweltprüfung enthält. Das Konsultationsverfahren gilt als ein wichtiges Instrument zur aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit. Es enthält Stellungnahmen in schriftlicher Form, welche innerhalb von jeweils sechs- bis achtwöchigen Zeiträumen abgegeben wurden. Alle Stellungnahmen werden von den ÜNB bzw. der BNetzA dokumentiert und bearbeitet, und nach Abschluss der jeweiligen Konsultation veröffentlicht. Dieses Vorgehen soll Partizipation und Prozesstransparenz gewährleisten. Unter Einbeziehung der Öffentlichkeit wird das Ziel verfolgt, die Mitwirklung zur Qualitätsverbesserung des NEPs und mehr Verständnis und Akzeptanz für den Ausbau des Übertragungsnetzes zu erlangen.
Resümee
Bei der Bearbeitung des Themas NEPs ist eine Fokussierung hin zu Windkraftanlagenprojekten im Norden Deutschlands zu erkennen. Es ist festzustellen dass der Ausbau somit nicht der Allgemeinheit, sondern vielmehr bestimmten Wirtschaftsgruppen dient.
Dies ist auch in der Stellungnahme des Solarenergie-Förderverein Deutschland dokumentiert: „Der in der jetzigen Fassung vorgelegte NEP darf aus unserer Sicht nicht als Grundlage fu?r eine Netzplanung herangezogen werden, ist doch die Zielsetzung so formuliert, dass sie primär dem nationalen und europäischen Stromhandel dient und keineswegs an der vollständigen Umstellung auf dezentrale heimische Erneuerbare Energien ausgerichtet ist“.
Corina Feulner