Nicht viel los
Der europäische Solarwärmemarkt stagniert weiterhin: Jeden Sommer veröffentlicht der Europäische Solarwärmeverband ESTIF die Marktstatistiken der europäischen Länder aus dem vorausgegangenen Jahr. Doch auch wenn es in Deutschland wieder etwas aufwärts ging und Solarwärme in Polen boomt – unterm Strich wurden 2011 in Europa nicht mehr Sonnenkollektoren installiert als im Jahr davor.
Fragte man deutsche Solarthermiefirmen in den vorigen Jahren nach ihren Prognosen für die Branchenentwicklung, lautete die Antwort oft „Schlimmer kann´s ja nicht werden“. Es scheint, als hätte sich diese Aussage endlich bewahrheitet. Im Jahr 2011 brachten die Deutschen tatsächlich 11 Prozent mehr Sonnenkollektoren neu auf ihre Dächer als 2010 – insgesamt 1.270.000 Quadratmeter, oder 889.000 Kilowatt thermische Leistung, wie es ESTIF ausdrücken würde. „Es sieht aus, als ob der Riese erwacht“, schreibt ESTIF im Kommentar zur Marktstatistik. Aufgescheucht hat den Riesen wohl die Tatsache, dass man zum Jahresende 2011 noch deutlich höhere Zuschüsse für Solarwärmeanlagen erhalten konnte als von Januar 2012 an – ein Effekt, der aus der Photovoltaikbranche gut bekannt ist.
Doch wenn man sich in der Branche umhört bekommt man nicht den Eindruck, als ob der Riese nun hellwach aus dem Bett gesprungen sei, um den Fahrplan des BSW-Solar einzuhalten (siehe SONNENENERGIE 1/12 und 3/12).
Es sieht eher aus, als habe er noch mal die Snooze-Taste gedrückt um weiterzuschnarchen. Aber vielleicht schafft es das BMU mit dem „Kaffeeduft“ der frisch aufgestockten Basisförderung im MAP ja doch noch, ihn aus dem Bett zu locken.
Italien und Spanien: Großes Potenzial, große Krise
Ziemlich traurig sieht es für die Solarwärme dagegen in den meisten anderen Ländern Europas aus. Zum Beispiel in Italien, das sich trotz des Rückgangs mit 415.000 m2 neu installierter Kollektorfläche noch immer auf Platz 2 der Europastatistik behauptet. Dort gibt es zwar eine starke Solarthermie-Industrie, und die Regierung hat in ihrem „National Renewable Energy Action Plan“ auch ehrgeizige Ziele für Solarthermie festgehalten. Doch obwohl man sich in Italien 55% der Kosten eines Solarsystems bei der Steuererklärung zurückholen kann, ging der Absatz von Sonnenkollektoren dort um 15 Prozent zurück. ESTIF begründet das mit zu viel Verwaltungsaufwand für die potenziellen Kunden, zu viel Krise und zu viel Photovoltaik – der PV-Boom in den vergangenen Jahren hätte viel Geld privater und staatlicher Investoren sowie Fördermittel aufgesaugt. Ein Vergütungstarif für Solarwärme pro Kilowattstunde war zwar eigentlich vorgesehen, gehört aber in der derzeitigen Situation offensichtlich nicht zu den Prioritäten der italienischen Regierung.
Die Absatzkurve für Spanien ähnelt seit dem Jahr 2008 einer Rutschbahn. Auch in diesem Jahr ging die Neuinstallation von Sonnenkollektoren dort wieder um 20 Prozent zurück. Der spanische Kollektorboom begann mit einer Verordnung aus dem Jahr 2006, die Sonnenkollektoren für alle Neubauten vorschrieb – und endete gemeinsam mit dem spanischen Bauboom. Seit dem Jahr 2009 geht es stetig abwärts. Dass sich daran etwas ändert, erwartet kaum jemand. Und dass das krisengebeutelte Land noch Fördermittel für andere Solarthermie-Programme bereitstellt, scheint auch eher utopisch. Nichtsdestotrotz liegt Spanien in der Europastatistik noch immer auf Platz 3, schließlich verlief die Entwicklung in vielen Ländern ähnlich.
Polen: Ausnahmekandidat
Polen mausert sich zum neuen Vorzeigeland in Sachen Solarthermie. Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, insgesamt 14 Millionen m2 Sonnenkollektoren bis 2020 zu installieren. Bisher sind es knapp 909.400 m2. Es ist also noch viel zu tun, aber man arbeitet überaus zielstrebig daran, das Ziel zu erreichen. Das wichtigste Förderprogramm ist das Programm des Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wassermanagement, NFOSiGW, das seit August 2010 besteht. So kommt es, dass die Neuinstallation von Sonnenkollektoren in Polen im vergangenen Jahr um mehr als 70% auf 253.500 m2 stieg. Allerdings liegt der Schwerpunkt des Gesamtbudgets auf den Jahren 2011 und 2012 mit jeweils 100 Millionen Euro, wie www.solarthermalworld.org berichtet. Für die Jahre 2013 und 2014 seien insgesamt nur 109 Millionen Euro vorgesehen. Im Jahr 2015 endet das Programm.
Frankreich: Umstieg auf Großanlagen
Mit einem Rückgang um 2 % scheint der Solarthermie-Markt in Frankreich nahezu stabil. Doch tatsächlich ist lediglich die neu installierte Kollektorfläche etwa konstant geblieben, der Markt hat sich dagegen stark verändert. Solarthermie-Anlagen für die Warmwasserbereitung in Einfamilienhäusern waren um 15 Prozent weniger gefragt als im Vorjahr, die Nachfrage nach Kombisystemen mit Heizungsunterstützung ging sogar fast um ein Viertel zurück. Zum Rettungsanker wurden große Anlagen mit 50 m2 und mehr Kollektorfläche für Mehrfamilienhäuser. Diese fördert Frankreich mit dem Programm Fonds Chaleur. In öffentlichen Gebäuden und Sozialwohnungen gab es einen Zuschuss bis 80%, in privaten Gebäuden bis zu 70%. Anscheinend mit Erfolg – denn dieses Segment wuchs um 30% und glich den Einbruch bei den kleinen Systemen nahezu aus. Das Programm lief zunächst bis Ende 2011, wurde 2012 aber neu aufgelegt.
Österreich: Solarthermie kein Selbstläufer
Fast 0,03 m2 Sonnenkollektoren kaufte der durchschnittliche Österreicher 2011. Pro Person gesehen ist das noch immer Europarekord. In absoluten Zahlen fällt Österreich aber mit 230.000 m2 hinter Polen und Frankreich zurück.
Die Österreichischen Bundesländer fördern Solarwärme schon seit langem und sehr kontinuierlich. Es schien, als gehörten Sonnenkollektoren einfach zu jedem Neubau dazu. Doch in den letzten Jahren brachten plötzliche Änderungen in Niederösterreich die Solarwärmebranche aus dem Tritt. 2009 hob das Bundesland die Zuschüsse an und löste damit einen Boom aus. Als sie 2010 wieder auf das vorige Niveau sanken, führte das zu einem leichten Marktrückgang. Im Jahr 2011 stoppte Niederösterreich plötzlich die Solarwärmeförderung und brachte den Absatz damit nahezu zum Stillstand. Zuvor wurde jeder vierte Sonnenkollektor in Österreich dort montiert – dementsprechend stark schlug die gestrichene Förderung auf das Gesamtergebnis durch. In den übrigen Bundesländern verlief die Entwicklung dagegen recht stabil.
Allerdings hat Österreich mit einer neuen Herausforderung zu kämpfen: Nachdem der Absatz von Ölheizungen deutlich zurückgegangen war, hat nun die Mineralölindustrie beschlossen, gegenzusteuern. Mit einem Budget von insgesamt 12 Millionen Euro und einem Zuschuss von jeweils 2.000 Euro belohnen die Ölhändler alle Hausbesitzer, die ihre alte Ölheizung durch einen neue ersetzen.
Griechenland: Solarthermie nicht kleinzukriegen
Auch wenn Tag für Tag schlechte Nachrichten aus Griechenland die Titel- und Wirtschaftsseiten unserer Zeitungen bestimmen, scheint es dort einen kleinen Wirtschaftssektor zu geben, der sich zumindest 2011 der Krise standhaft widersetzte. Mit einem ansehnlichen Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 230 000 Quadratmetern neu installierter Kollektorfläche landet Griechenland auf Platz 7 im Europa-Ranking. Als Erklärung dafür führt ESTIF an, Solarthermie sei in Griechenland eine etablierte Technik, und die steigende Nachfrage sei darauf zurückzuführen, dass man in unsicheren Zeiten zumindest Strom und Brennstoffe sparen wolle. Anders ausgedrückt heißt das: In Griechenland kann man heute schon mit Solarthermie Geld sparen.
Im übrigen Europa geht das Sparen bisher anscheinend eher zu Lasten des Umweltschutzes und der Solarthermie. Dass die Regierungen der Solarwärme plötzlich rettend beispringen, darf man kaum erwarten. Soll Solarwärme aus der Nische heraus kommen, bleibt also nur, sich Griechenland zum Vorbild zu nehmen: Solarwärme muss sich rechnen. Je schneller, desto besser.
Eva Augsten