Keine Angst vor dem Finanzamt
Photovoltaikanlagen richtig versteuern, Teil 2: Praxistipps. Wenn Privatpersonen durch ihre neue Solarstromanlage plötzlich zu Unternehmern werden, stellen sich viele Fragen. Im zweiten Teil unseres Beitrages gibt der Photovoltaik-Experte Thomas Seltmann einen Leitfaden für die Vorgehensweise und Hinweise auf nützliche Hilfen.
Stiefmütterlich behandeln viele frisch gebackene PV-Anlagenbetreiber die steuerliche Behandlung ihrer Anlage. Dabei lässt sich der dazu notwendige Aufwand durch systematisches Vorgehen auf ein Minimum reduzieren. Hier eine empfehlenswerte Vorgehensweise:
Vor Inbetriebnahme der Anlage
Schon wenn klar ist, wann die Anlage voraussichtlich ans Netz gehen wird, sollte der künftige Betreiber mit dem Finanzamt Kontakt aufnehmen. Als erstes ist ein „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“ auszufüllen. Darin ist auch eine Entscheidung über die Umsatzsteuerpflicht zu treffen. Wer die beim Kauf bezahlte Umsatzsteuer zurückerhalten möchte, muss sich der Umsatzsteuerpflicht unterwerfen und dies im Fragebogen durch den „Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung“ erklären.
Manche Finanzämter verlangen die Vorlage eines Einspeisevertrages mit dem Netzbetreiber. Da laut EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) ein Vertrag ausdrücklich nicht notwendig ist und Juristen von solchen Verträgen abraten, ist dieser Wunsch kaum sinnvoll und sollte mit Verweis auf das Gesetz (EEG § 4, Abs. 1) beantwortet werden. Legen Sie dem Fragebogen stattdessen eine Kopie von Auftrag oder Rechnung des Anlagenkaufs bei. Manchmal wird auch nach der Gewerbeanmeldung gefragt, doch auch diese ist bei Anlagen im privaten Bereich unüblich.
Nach der Abgabe des Fragebogens beim Finanzamt erhält der Betreiber in der Regel eine neue Steuernummer. Inzwischen werden manchmal auch die bisherigen Steuernummern für die unternehmerische Tätigkeit weiterverwendet. Die neue Zuordnung der Steuernummer ist u.a. zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen notwendig.
Weitere Hinweise:
- Stellen Sie vor der Auftragsvergabe eine Anschluss-Anfrage an den örtlichen Netzbetreiber.
- Sie müssen sich entscheiden für eine Volleinspeisung des erzeugten Solarstroms oder Direktverbrauch im Haus mit Überschusseinspeisung. Dies hat auch steuerliche Folgen.
- Haben Sie geprüft, ob für die Anlage eine Baugenehmigung zu stellen ist? (sicherheitshalber formlos beim Bauamt nachfragen)
- Wurde geklärt, ob eine Gewerbeanmeldung notwendig ist?
(sicherheitshalber formlos beim Ordnungsamt nachfragen, Stichwort „Bagatelle“) - Wurde für die Anlage bereits für die Installationsphase eine Haftpflichtversicherung einschließlich Bauherrenhaftpflicht abgeschlossen?
- Oft kann beides über die private Haftpflichtversicherung abgedeckt werden, aber das muss zuvor schriftlich bestätigt werden! Außerdem sollte der Anlagenwert über eine Sachversicherung abgedeckt werden, das kann auch innerhalb einer bestehende Gebäudeversicherung erfolgen.
- Prüfen Sie, ob es in Ihrem Fall neben dem EEG weitere mögliche Fördermöglichkeiten gibt, in Form von Zuschüssen, günstigen Krediten o.ä. und stellen Sie Förderanträge bevor Sie die Anlage kaufen und den Installationsauftrag vergeben.
Nach der Inbetriebnahme
Sobald die Anlage läuft und Rechnungen an den Installateur bezahlt wurden, müssen Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht werden. Mit der ersten Voranmeldung nach Inbetriebnahme der Anlage erhält der Betreiber eine dicke Rückzahlung vom Finanzamt, aufgrund der Vorsteuer aus Rechnungssummen, die an den Anlagenlieferanten bezahlt wurden.
Die Vorsteueranmeldungen sind in den ersten beiden Kalenderjahren monatlich abzugeben, danach je nach Jahresumsatz monatlich, vierteljährlich oder nur eine jährliche Umsatzsteuererklärung. Vorgeschrieben ist eine elektronische Abgabe per Internet. In Ausnahmefällen (wenn kein Rechner oder Internetanschluss vorhanden ist), gestattet das Finanzamt auch eine Abgabe auf Papier.
Weitere Hinweise:
- Melden Sie die Anlage bei der Bundesnetzagentur an. Das ist Voraussetzung für die Vergütungspflicht des Netzbetreibers.
- Teilen Sie dem Netzbetreiber die Umsatzsteuerpflicht (ob ja oder nein) und zugleich ihre (neue) Steuernummer und die eigene Bankverbindung mit, damit die Vergütung ggf. plus Umsatzsteuer bezahlt wird. Die Vergütungshöhe laut EEG gilt dabei netto, zuzüglich Umsatzsteuer.
Im laufenden Betrieb
Umsatzsteuervoranmeldungen müssen pünktlich beim Finanzamt sein, bis spätestens 10. des Folgemonats: die Voranmeldung für September also beispielsweise bis 10. Oktober. Bis zu diesem Datum muss die ans Finanzamt zu zahlende Umsatzsteuer dann auch bereits dort eingegangen sein. Auch deshalb empfiehlt es sich, dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung zu erteilen und um „Dauerfristverlängerung“ zu bitten, dann verlängert sich die Frist um einen Monat, im Beispiel bis zum 10. November.
Grundlage für die Voranmeldung sind steuerpflichtige Umsätze, also einerseits die Einnahmen aus der Stromeinspeisung und andererseits Kosten wie bezahlte Rechnungen für die Installation der Anlage, Wartung, Zählergebühren, Fachliteratur, Fahrtkosten, Steuerberater- und Anwaltskosten, Telefonkosten, wenn jeweils nachweisbar ist, dass diese Kosten für den Betrieb der Anlage notwendig waren. Eine pünktlich abgegebene Voranmeldung ist auch notwendig in Monaten ohne steuerpflichtige Kosten oder Einnahmen (sogenannte „Nullmeldung“).
Sammeln Sie alle Belege, Rechnungen, Kontoauszüge, Verträge und Korrespondenz im Zusammenhang mit der Solarstromanlage für die Steuererklärung und bewahren Sie diese Unterlagen mindestens 10 Jahre auf.
Weitere Hinweise:
- Falls Sie einen eigenen Zähler zur Abrechnung des eingespeisten Stroms verwenden, denken Sie auch an die gesetzlich vorgeschriebene Nach-Eichung nach 16 Jahren (bei elektromechanischen Zählern) bzw. 8 Jahren (bei elektronischen Zählern).
- Kleine Anlagen haben oft kein aktives Überwachungssystem, das Anlagenausfälle meldet. Ausfälle können dabei oft über Wochen oder Monate unbemerkt bleiben und erhebliche Ertragseinbußen verursachen. Deshalb mindestens einmal monatlich Zähler ablesen und die Erträge auf Plausibilität prüfen.
Zu Jahresbeginn
Das Wichtigste: Lesen Sie den Einspeisezähler ab und stellen Sie dem Netzbetreiber die Einspeisevergütung für das Vorjahr in Rechnung. Im EEG ist eine Frist bis 28. Februar genannt, die Sie einhalten müssen. Auch wenn Sie den Netzbetreiber beauftragt haben, die jährliche Abrechnung durchzuführen, teilen Sie ihm den Zählerstand schriftlich mit und bitten Sie um zeitnahe Abrechnung. Formal juristisch sind nämlich Sie als Lieferant zunächst einmal selbst für die ordnungsgemäße Messung und Abrechnung verantwortlich.
Bis Ende Mai haben Sie Zeit, den Jahresabschluss für das Vorjahr zu erstellen und die Steuererklärung beim Finanzamt einzureichen. Auf Anfrage verlängern die Finanzämter diese Frist um einige Monate. Zum Formular der Einkommensteuererklärung kommt noch eine Anlage G für gewerbliche Einkünfte sowie die Umsatzsteuererklärung. Ob Sie noch weitere Formulare ausfüllen müssen, erfragen Sie am besten bei Ihrem zuständigen Finanzamts-Sachbearbeiter.
Der Jahresabschluss besteht aus der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und dem Anlagenspiegel. Zur Erinnerung: Bei Einnahmen-Überschuss-Rechnung gilt als Buchungsdatum jeweils die tatsächliche Zahlung also beispielsweise das Überweisungsdatum auf dem Kontoauszug – nicht jedoch das Datum auf einer Rechnung. Eine Rechnung aus dem Dezember 2010, die Sie erst im Januar 2011 bezahlen, erscheint also erst im Jahresabschluss für 2011.
Besonderheiten beim Direktverbrauch
Wird ein Teil des Solarstroms selbst verbraucht und nur der Überschuss ins Netz eingespeist, schreibt das Bundesfinanzministerium dafür ein spezielles Abrechnungsverfahren vor (siehe Merkblatte des Bundesverband Solarwirtschaft). Rechnerisch wird der gesamte Solarstrom ins Netz gespeist und der selbst verbrauchte Anteil wieder vom Netzbetreiber zurückgeliefert. In der abgebildeten Muster-Abrechnung der N-ERGIE würden in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung als Einnahmen 4.277,77 Euro sowie 812,78 Euro (Umsatzsteuer) erscheinen. Der privat verbrauchte Solarstrom, hier mit 558,90 Euro plus 106,19 Euro Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, ist natürlich keine betriebliche Ausgabe und somit nicht zu berücksichtigen.
In der Praxis ergibt sich hier oft das Problem, dass die Netzbetreiber in der Abrechnung die Beträge gegeneinander verrechnen und nur den saldierten Restbetrag überweisen. Als tatsächliche Zahlung auf dem Girokonto erscheint dann ein anderer Betrag als der, den der Anlagenbetreiber in seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung als Einnahme angeben muss – und er kann ja nur tatsächlich geflossene Beträge verbuchen.
Man kann sich hier behelfen, indem man einen entsprechenden Ersatzbeleg erstellt und den Direktverbrauch als Privatentnahme auf der Einnahmenseite verbucht. Falls für die Solarstromanlage ein separates Girokonto geführt wird, könnte auch der entsprechende Betrag auf das Solaranlagenkonto überwiesen werden. Dann stimmen die Zahlungssummen auch wieder mit der korrekten Summe der Einnahmen überein und die Buchführung bleibt einfach und leicht nachvollziehbar.
Wird der Solarstrom in einem Gewerbebetrieb verbraucht, zu dem auch die Solarstromanlage gehört, stellt sich dieses Problem natürlich nicht.
Hinweise:
Dieser Beitrag betrifft vor allem netzgekoppelte Solarstromanlagen bis etwa 30?kWp Spitzenleistung, die von Privatpersonen betrieben werden, die sonst nicht selbständig gewerblich oder freiberuflich tätig sind.
Der Artikel gibt einen journalistischen Überblick über wesentliche Zusammenhänge und Fragestellungen. Die Informationen sind sorgfältig recherchiert, können und sollen aber eine individuelle Steuer- und Rechtsberatung nicht ersetzen. Eine Haftung von Autor und Verlag muss deshalb ausgeschlossen werden. Verbindliche Auskünfte erteilen Finanzämter, Steuerberater und Rechtsanwälte.
Teil 1 (in der vorherigen Ausgabe) erläuterte vor allem die rechtlichen Grundlagen, Teil 2 beschreibt die praktische Umsetzung und gibt Hinweise auf nützliche Literatur, Internetseiten und Werkzeuge.
Weiterführende Informationen:
- In kompakter Form beantwortet der Autor alle für Betreiber wichtigen Fragen in seinem Anwenderhandbuch und Fachbuch-Bestseller „Photovoltaik: Strom ohne Ende – Netzgekoppelte Solarstromanlagen optimal bauen und nutzen“ (4. Auflage 2009, Beuth Verlag Berlin).
- Betriebswirtschaftliche und Steuerfragen sowie ein professionelles Programm zur Wirtschaftlichkeitsrechnung findet sich im Buch„PV Profit“ von Sylvio Dietrich (4. aktualisierte Auflage 2009), www.pvprofit.net
- Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hat eine Photovoltaik-Steuerbroschüre herausgegeben, die in Kürze in aktualisierter Form erscheint: www.solarwirtschaft.de
- Ebenfalls auf der Internetseite des BSW wird ein kostenloses Merkblatt zum „Direktverbrauch von Solarstrom“ zum Download angeboten (9. Auflage Juni 2010) http://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/content_files/Merkbl_Direktverbr_0710.pdf
- Der Solarenergie-Förderverein bietet auf seiner Internetseite zahlreiche Beiträge zu steuerlichen und anderen Betreiberfragen:www.sfv.de
- Die bayerische Finanzverwaltung hat einen Leitfaden: http://www.finanzamt.bayern.de/Informationen/Steuerinfos/Weitere_Themen/Fotovoltaikanlagen/default.php?f=LfSt&c=n&d=x&t=x … sowie eine Ausfüllhilfe für das EÜR-Formular online veröffentlich:
http://www.finanzamt.bayern.de/Informationen/Steuerinfos/Weitere_Themen/Fotovoltaikanlagen/Ausfuellhilfe-EUER-2009.pdf - Steuerratgeber Fotovoltaik des saarländischen Umweltministeriums: http://www.saarland.de/dokumente/ressort_finanzen/Broschuere_Photovoltaik_Gesamt_Endversion.pdf
- Solarstromanlagen auf der Internetseite des Konz-Steuerratgebers: http://www.konz-steuertipps.de/konz/lexikon/P/Photovoltaikanlage.html
- Formulare der Finanzämter zum Download: https://www.formulare-bfinv.de
- Praktische Hinweise bei einzelnen Fragen geben auch die Teilnehmer des Photovoltaikforum unter www.photovoltaikforum.com. Darunter sind auch Fachleute aber vor allem Praktiker, die sich oft laufend mit dem Thema Photovoltaikanlagen beschäftigen. Auch Experten wie Steuerberater beantworten gelegentlich Fragen. Da die Foren dort nicht fachlich moderiert sind und die Diskussionen nicht redaktionell bearbeitet werden, finden sich auch verwirrende, falsche oder überholte Angaben.
- Einen ausführlichen Steuerberater-Jahresabschluss und Beispiele zur Steuerersparnis beschreibt der Steuerberater Peter Schemm in seinem Beitrag für die Neuauflage (2010) des Fachbuchs „Was Sie über Photovoltaikanlagen wissen sollten“ von Markus Witte. Außerdem bietet die Kanzlei Schemm (Dachau) überregional pauschalierte Beratungsleistungen für PV-Anlagen-Betreiber an: www.steuerberater1.de
Thomas Seltmann