Grüne Häfen
Die Transformation der Seeschifffahrt ins postfossile Zeitalter, Häfen investieren in PV-Großanlagen: Die Seeschifffahrt als wesentliches Rückgrat der Globalisierung ist, betrachtet man die transportierte Tonnage, die umweltfreundlichste Transportart. Dennoch verursacht sie Emissionen, die denen der weltweiten Luftfahrt entsprechen und 30 Prozent der globalen Emissionen umfassen. Vor allem belastet sie die Häfen. Und das ist nicht nur für die Bewohner ein Problem, sondern verschlechtert auch den CO2- Fußabdruck und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele von Hafenstädten und mindert den Landwert in Hafengebieten. Neben CO2 belasten vor allem Stickoxide Schwefel, Phosphor und Ruß die Luft von Hafenstädten und Seewegen. Deshalb forscht diese aktuell wieder wachsende Seeschifffahrts-Branche an wirtschaftlichen und klimafreundlichen Alternativen für Antriebe und Treibstoffe.
Das Wirtschaftswachstum der Seeschifffahrt korreliert überproportional mit dem Wirtschaftswachstum und befindet sich aktuell wieder, nach überwundener Asienkrise, auf Wachstumskurs. 2011 liegt die weltweite Umschlagmenge im Gesamten betrachtet nur noch sieben Prozent unter der wirtschaftlichen Hochphase von 2008, vor der weltweiten Wirtschaftskrise. Vor allem die Containerisierung wuchs. Weltweit sind nach Schätzungen der GDV nahezu 8.000 Containerschiffe unterwegs, die rund neun bis zehn Millionen Standardcontainer transportieren können. In den deutschen Nordseehäfen stieg die Umschlagsmenge in den vergangenen 10 Jahren um 100 Mio. Tonnen auf 250 Mio. Tonnen. Für 2025 prognostiziert das Statistische Bundesamt ein weiteres Wachstum des Umschlagvolumens auf 600 Mio. Tonnen.
In Mitten dieses Zuwachses steht die Seeschifffahrt vor elementaren Umwälzungen. Der Seeverkehr muss ökoeffizienter werden und der Endlichkeit des Rohöls und den steigenden Treibstoffpreisen sowie der Klimabelastung der Häfen muss mit alternativen Lösungen für Antriebe und Treibstoffe begegnet werden. Photovoltaik kann einen wesentlichen Beitrag zur Deckung der energetischen Grundlast von Häfen und für die Produktion der erforderlichen Energie für Landstromangebote für Schiffe leisten.
Durch die zunehmende Nutzung regenerativen Stroms, davon ein großer Anteil aus der Direkterzeugung mittels Wind-, Wasser- und Solarenergie, können der Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor erheblich reduziert werden.
Sustainable shipping
Eine „Grüne Seeschifffahrt“ ist das aktuell angestrebte internationale Ziel, das die Umweltagenda dieser Branche beschäftigt. Dabei soll auch das „Hafenproblem“ gelöst werden, denn diese sind für Städte ein echtes Umweltproblem. Verbessert sich die Ökoeffizienz von Häfen, könnten diese als Energielieferant und -speicher eine neue und interessante Rolle im Energiemanagement von Städten einnehmen. Dann ist nicht mehr nur die Rede von e-Autos, die Batterien aufladen, sondern von Schiffen welche beispielsweise mit 5 MW beladen werden können. So wird an vielfältigen Lösungsansätzen geforscht, von Filtersystemen auf den Schiffen, über neue Antriebe (Brennstoffzellen, Wasserstoff, Erdgas) und neue Infrastrukturlösungen in Häfen. Beispielsweise soll das Angebot der Landstromversorgung von Schiffen in Häfen (shore-to-ship-power; auch als cold-ironing bezeichnet) ausgebaut werden.
Landstrom für Schiffe in Häfen
Gerade die maritime Wirtschaft hat jahrzehntelang von den billigen Raffinerie-Ölresten als Treibstoff profitiert. Nur so ließen sich die bisher geringen Transportkosten auf See halten. Besonders in Häfen wurden in der Ankerphase für die Betreibung von Hilfsmotoren billigste Rohölreste verwendet. Mit der Schwefelemissionsrichtlinie der EU und IMO (International Maritime Organisation) regelt sich die Qualität der verwendeten Treibstoffe. Die EU schreibt einen Schwefelgrenzwert in Häfen von 0,1 Prozent vor und der IMO Grenzwert von einem Prozent gilt für Sondergebiete in der Nord- und Ostsee. Aus Sicht der Reeder und Logistikfirmen nahm der Anteil der Kraftstoffkosten an den Gestehungskosten der Seeschifffahrt bereits rasch signifikant zu. Wenn die Schiffe Dieselqualität tanken müssten, würde es sich nicht mehr rechnen. Die erste Reaktion auf steigende Kraftstoffpreise ist die Drosselung der Geschwindigkeit von 24-25 Knoten auf 20 Knoten. Das aber ist der Fraunhofer CML Studie „Seeschifffahrt 2020“ zufolge keine nachhaltige Lösung. Ökoeffizienz von Häfen und Schiffen avanciert deshalb zum lebenswichtigen wirtschaftlichen Faktor für die Seeschifffahrt.
Als nachhaltige Gewerbegebiete von Städten, die den gesamt-CO2-Fußabdruck nicht unnötig belasten sollen, bieten immer mehr Häfen Landstrom für ankernde Schiffe in der „Cold Iron Phase“ an. Gehen Schiffe im Hafen an die Steckdose, können die umweltschädlichen Hilfsmotoren abgeschaltet werden. Weil aber der Landstrom nur dann ökoeffizient ist, wenn der verwendete Strom auch regenerativ erzeugt wird (vgl. EU-Landstromstudie 2009), kann PV-Technologie Wind- und Wasserkraft einen wesentlichen Lösungsbeitrag leisten.
Dass das sinnvoll und wirksam ist zeigt das Beispiel des Hafens von Los Angeles. Dort strebt man das Ziel an, 10 Megawatt Solarstrom für das Landstromangebot und die Deckung der Terminalgrundlast zu produzieren. Im Zeitraum von 2005 bis 2011 gelang es, die Luftbelastung um rund 70 Prozent zu senken. 2011 folgte die Installation von Großsolaranlagen auch in europäischen Häfen, beispielsweise dem Hafen von Barcelona und Hamburg. Da der in den Mittelmeerländern und in Norddeutschland verwendete Kohlestrom für Landstrom in Häfen aber den CO2-Fußabdruck erhöht, ist die regenerative Produktion dieser Energiemengen notwendig. Zu diesem Ergebnis kam bereits 2009 die EU-Studie „Landstrom“, die dessen positive Effekte bei der Verwendung grünen Stroms belegt. Schleswig Holstein wird beispielsweise in naher Zukunft in der Lage sein, die erforderlichen Strommengen mit den Offshore-Windanlagen zu generieren. Bis dahin wird Kohlestrom vorrangig sein.
Smart Grids in Häfen
Aktuell prüfen Experten, ob der vom Hafen selbst produzierte Strom für das Landstromangebot auch direkt in einem Hafeninternen Energiesystem verwendet werden sollte. Das Öko-Optimierungspotential von Häfen sei enorm, so der Marineexperte Jens Froese von der Jacobs University Bremen, der das aktuelle Green-Efforts-EU-Projekt (kurz für „Green and Effective Operations at Terminals and in Ports“) zur Analyse eben solcher Optimierungspotentiale leitet. Wegen der hohen Luft- und Lärmbelastung müssen Häfen die ökologischen und öffentlichen Interessen zukünftig mit dem wirtschaftlichen Wachstum und kosteninteressanten Lösungen in Interaktion mit den Reedereien vereinbaren (vgl. ESPO 2003). Weil Häfen über große Dachflächen verfügen, sind PV-Großanlagen ein Element des regenerativen Energiemix. Die reine Netzeinspeisung dieser Energie hält der Marineexperte Froese jedoch nicht für nachhaltig genug. Vielmehr sollte seiner Meinung nach der grüne Strom direkt für die Grundlast von Häfen und für Landstromangebote verwendet werden. Das erfordert hafeninterne Energiemanagementsysteme, die das möglich machen. Die größte Herausforderung dabei ist die Zwischenspeicherung des Stroms, denn die Speicherung in Batterien ist aufgrund der hohen Volumina nicht möglich. „Das würde zwei Häuser voller Batterien erfordern“, kommentiert der Pressesprecher Heiko Jahr der Siemens AG. Hinzu komme, dass Häfen mit Nieder- und Mittelstrom arbeiten. Häfen, als Gesamtheit betrachtet, äußert der Marineprofessor Jens Froese, haben zunächst keinen großen CO2-Fußabdruck. Die Grundlast der Terminals, also der Umladebereiche, sei vergleichsweise mit dem Gesamt-CO2- Fußabdruck der Hafeninfrastruktur und der Transportflotte sehr hoch. Deshalb mache es Sinn, auch den dortigen Betriebsstrombedarf zu optimieren und regenerativ abzudecken. Das fange mit der Terminal-Beleuchtung an und führe über die Versorgung sämtlicher Maschinen und Gerätschaften. Dieses hohe Optimierungspotential wird noch gar nicht genutzt, so Froese. Der Hafen von Los Angeles sei einer der ersten internationalen Seehäfen, die diese Optimierung und die Entwicklung von Hafen-Prozess-Analyseinstrumenten seit Jahren systematisch vorantreibt. Deshalb fungiert der LA-Harbour auch als Partner des europäischen Green-Efforts-Projekts. In den Häfen Travemünde und Trelleborg wird bereits seit 10 Jahren mit Stromangeboten für bestimmte Fährschiffe gearbeitet. Das liege vor allem daran, dass dort immer die gleichen Schiffstypen anlegen und deshalb die Kompatibilität zwischen Schiffen und Hafen-Strom-Steckverbindung sehr gut ist. Zwischenzeitlich werden Spannungen und Stecker international normiert, so dass die Kompatibilität von Schiffen und Landstromsystemen verbessert wird. Der Hafen Trelleborg bezieht den dafür notwendigen Strom von Wasserkraftwerken. „Ich habe mir sämtliche dieser Häfen angeschaut und vermute, dass zunächst durch die Erzeugung von Sonnenstrom Geld verdient werden will. Wirklich nachhaltig wird das erst, wenn diese Energie auch für die im Hafen erforderliche Stromversorgung verwendet wird. Diese Bedarfe sind sehr hoch. Sie müssen sich vorstellen, dass ein Containerschiff mit Kühlcontainern, das im Hafen liegt, unabhängig davon, ob es be- oder entladen wird, einen Strombedarf von rund 5 Megawatt haben kann. Da können schon mal die Lichter ausgehen. Das Smarte Strom-Netz des Hafens muss sowohl die zirkadiären Schwankungen der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen berücksichtigen – ich sehe da die Technologien PV, Wind und Wasser – wie auch die netzverträgliche Verfügung der hohen Bedarfe der Schiffe und der Vielfalt internationaler Steckerverbindungen der Schiffe. Wenn das alles gelingt, muss das dann auch mit einem Zahlungssystem verbunden werden, das „smart“ funktioniert. Insgesamt sind die Energieverbräuche eines Hafens sehr hoch. Man muss dabei Hafen als Gesamtbegriff und Terminals, als Umschlagsplätze unterscheiden“, differenziert Jens Froese. Deshalb hält er das PV-Potential in Häfen weltweit betrachtet für „riesig“.
Der Experte sieht besonders für Argentinien und die Schwellenländer ein sehr hohes Potential für Photovoltaik, weil diese aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung sehr gute Erträge erzielt. Gleichzeitig existieren dort viele Häfen, deren Infrastruktur aktuell ausgebaut oder optimiert wird. Außer einigen wenigen Solarthermie-Anlagen käme in diesen Ländern noch kaum Sonnenenergie zum Einsatz. „Umso wichtiger ist es, individuell für jeden Hafen und jedes Terminal eine qualifizierte Planungs- und Entscheidungsgrundlage für infrastrukturelle und operative Maßnahmen in Häfen zu schaffen, indem man objektiv die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der unterschiedlichen Maßnahmen überprüft. Richtschnur für uns ist dabei die ISO-Norm 14064 zur Berechnung des CO2-Fußabdruck, also eine international standardisierte Unternehmensklimabilanz, die alle – direkten und indirekten – Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt.“ Auch die Arabischen Emirate investieren stark in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur der dortigen Häfen.
Fazit
Möglicherweise entwickeln sich zukünftig gerade die die Städte stark belastenden Häfen zu Produzenten grüner Energie und „Netzspitzenentlastern“. Das weltweit große Potential für die PV-Branche wird jedenfalls deutlich.
Green Efforts Projekt
- Projektlaufzeit: Jan. 2012-Juni 2014
- Projektvolumen: 3 Mio Euro
- 8 Projektpartner: PSA Sines (Container Terminal), Port of Trelleborg (RoRo Terminal), Sächsische Binnenhafen Oberelbe (Inland Waterway Terminal), Siemens, IHS Global Insight, Hamburg Port Training Institute, Fraunhofer Centre for Maritime Logistics and Services and Jacobs University Bremen. Auch der Hafen von Los Angeles fungiert als Projektpartner
- Ansprechpartner: Prof. Dr. Jens Froese
EU-Schwefelrichtlinie und IMO Schwefelrichtlinien
Die EU-Schwefelrichtlinie legt, seit Januar 2010, für im Hafen verwendete Treibstoffe von Schiffen den Grenzwert von 0,1 Prozent fest. Damit wird die Emissionsbelastung durch Schiffe in Häfen um bereits 70 Prozent gesenkt. Die Schwefelvorgaben der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO sehen seit dem 1. Juli 2010 den Grenzwert von einem Prozent für die Nord- und Ostsee vor. Beide Meere wurden von der IMO zu Emissionssondergebieten erklärt („Sulphur Emission Control Areas“, kurz SECA. Ab 2015 werden diese Grenzwerte noch mal herabgesetzt – erforderlich ist dann der Einsatz von Marinediesel mit nur 0,1 Prozent Schwefelgehalt (MGO). Währenddessen behält die IMO in anderen Fahrtgebieten die global geltenden Grenzwerte von derzeit 4,5 Prozent Schwefelgehalt bei. 2012 wird dieser Wert dann auf 3,5 Prozent heruntergestuft. Zu beachten ist, dass diese EU-Richtlinien zu einem Ungleichgewicht der Märkte führen und z.B. Finnland und Schweden einseitig mit deutlich höheren Transportkosten belastet.
EEDI The Energy Efficiency Design Index
Mit dem EEDI können die Emissionen eines Schiffes unter seinen spezifischen Einsatzbedingungen ermittelt werden. Die EEDI-Formel setzt sich aus den Faktoren Antriebsleistung, spezifischer Treibstoffverbrauch und Emissionsfaktor zusammen, die ins Verhältnis zu Transportkapazität und Geschwindigkeit gesetzt werden. (Auszug aus dem Forschungs-Informations-System des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Elke Kuehnle