Energiewende

Energiewende

Energiewende von unten

Teil 3: Kombikraftwerke – Neue energiewirtschaftliche und -politische Modelle für die Bürgerenergiebewegung

von Klaus Oberzig und Gerd Stadermann

In Teil 2 der Reihe „Energiewende von unten“ hatten wir begonnen, die technischen und wirtschaftlichen Potenziale eines Strom-Wärme-System aufzuzeigen und mögliche Geschäftsfelder in denen die Bürger davon profitieren können. Dabei wurde deutlich, dass die EEG-Reform der Bundesregierung die Gewinnung erneuerbaren Stroms beschneidet; doch die Energiewende ist nicht nur auf Strom beschränkt. Die Techniken des Strom-Wärme-Systems eröffnen neue Räume für ein Bürgerengagement zur Erzeugung erneuerbarer Wärme. Daraus ergibt sich die Frage, welche sozialen und energiepolitischen Rahmenbedingungen dafür notwendig sind.

In Teil 2 der Reihe „Energiewende von unten“ hatten wir begonnen, die technischen und wirtschaftlichen Potenziale eines Strom-Wärme-System aufzuzeigen und mögliche Geschäftsfelder in denen die Bürger davon profitieren können. Dabei wurde deutlich, dass die EEG-Reform der Bundesregierung die Gewinnung erneuerbaren Stroms beschneidet; doch die Energiewende ist nicht nur auf Strom beschränkt. Die Techniken des Strom-Wärme-Systems eröffnen neue Räume für ein Bürgerengagement zur Erzeugung erneuerbarer Wärme. Daraus ergibt sich die Frage, welche sozialen und energiepolitischen Rahmenbedingungen dafür notwendig sind.


Als vorläufige Bilanz des Jahres 2014 kann man feststellen, die Energiewende ist nicht nur im Strombereich ins Stocken geraten, sondern auch im Wärmesektor, weil dort eine dem EEG analoge haushaltsunabhängige Finanzierung erneuerbarer Wärme bisher nicht realisiert wurde. Entsprechende marktbasierte Modelle wurden zwar vorgeschlagen, jedoch weitgehend ignoriert, obwohl sie sich selbst finanzieren und, ähnlich dem EEG, eine Kostendegression für Wärme aus Erneuerbaren Energien ermöglichen könnten. Ein vernünftiges Erneuerbare-Wärmeenergie-Gesetz würde Energieeffizienzmaßnahmen und EE-Wärmegewinnung in der Förderung zusammenführen und Investitionsanreize bieten, welche die Stagnation im Wärmebereich überwinden könnte. Das gegenwärtige EEWärmeG hingegen ist ein ziemlich zahnloser Tiger und verdient seinen Namen nicht.

Die Disproportion zwischen derzeit 25,4% EE-Strom und 12% EE-Wärme ist offensichtlich und muss abgebaut werden, damit die Energiewende nicht in eine systemtechnische und politische Schieflage kommt. Die Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) schreibt in ihrem Jahresbericht 2013 1), dass die Wärmebereitstellung aus Erneuerbaren Energien im Jahr 2013 von rund 128 Mrd. kWh im Vorjahr auf knapp 133 Mrd. kWh angestiegen ist. Der Anteil der Erneuerbaren am gesamten deutschen Wärmeverbrauch lag jedoch im Jahr 2013 mit 9,0% knapp unterhalb des Vorjahrsniveaus von 9,3% (Bild 1). Zwar war dies auch witterungsbedingt, ist aber nichts desto weniger symptomatisch für die gegenwärtige Energiepolitik.

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Bild 1: Entwicklung der Wärmebereitstellung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland © Quelle: ZSW nach AG Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat); Stand: Ferbr. 2014; Angaben vorläufig

Klimatisch gesehen sollte erneuerbare Wärme in einem Land wie Deutschland eigentlich eine größere Rolle spielen. Denn 60 Prozent des Energieverbrauchs geht in die Wärmegewinnung. Da Strom- und Wärmeerzeugung immer enger zusammenwachsen, dürfte systembedingt der Anteil Erneuerbarer Energie im Wärmebereich zunehmen.

Herausforderungen des Strom-Wärme Systems in der Gebäudetechnik

In Zukunft kann die solare Wärmegewinnung eine deutlich größere Bedeutung spielen.

  • Erstens, weil mit dem Einsatz solarer und erneuerbarer Wärme vor Ort der exergetisch hochwertige Strombedarf reduziert werden kann.
  • Zweitens, weil der Flächenbedarf für die Nutzung von solarer Wärme pro Kilowattstunde dreimal kleiner ist als für die Photovoltaik.
  • Drittens, weil sie mit einem EEWärmeG auch in Zukunft förderfähig ist.
  • Viertens: Zwar sind die anfänglichen Systemkosten für Heizkombinationen meist höher als für konventionelle, dafür aber die Betriebskosten langfristig geringer (Bild 2).

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Bild 2: Vergleich der Wärmekosten bei angenommenen 4% Brennstoff-Preissteigerungen während einer Lebensdauer von 20 Jahren

Nach AGEE Stat 1) lag der Zubau von Solarkollektoren 2013 mit ca. 1,02 Mio. m2 Kollektorfläche leicht unter dem Niveau des Vorjahres. Etwa 6,8 Mrd. kWh Wärme wurden 2013 durch Solarthermieanlagen bereitgestellt, das entspricht knapp fünf Prozent der Wärme aus Erneuerbaren Energien bzw. knapp einem halben Prozent des gesamten Wärmeverbrauchs.

Der Zubau von Heizungssystemen auf Basis von Wärmepumpen konnte mit rund 73.000 Stück das Vorjahresniveau abermals erreichen. Insgesamt kletterte der Bestand deutschlandweit auf 790.000 Wärmepumpen. Damit konnten im Jahr 2013 insgesamt gut 9,5 Mrd. kWh Wärme aus Erneuerbaren Energien bereit gestellt werden, dass entspricht sieben Prozent der gesamten erneuerbaren Wärme 1).

Doch obwohl die Wärmeerzeugung das Schwergewicht beim Energieverbrauch ist, sehen wir seit Jahren, dass relativ günstige finanzielle Bedingungen, technische Weiterentwicklungen und energetische Argumente allein nicht ausreichen, um der erneuerbaren Wärme, insbesondere der Solarwärme zum Durchbruch zu verhelfen. Hier muss genauer hingeschaut werden: Es kommt wohl sehr darauf an, wie die Techniken finanziert und in das jeweilige soziale Umfeld eingebettet werden können.

Zusammen mit bauphysikalischen Maßnahmen kann die Energieversorgung der Neubauten wie der Bestandsgebäude erst mit Erneuerbaren Energien ihre volle Wirkung entfalten. Denn ein geringerer Energiebedarf bringt generell Vorteile für den Einsatz Erneuerbarer Energieträger. Hinzu kommt, dass KWK-Anlagen und Wärmepumpen mit Strom aus Erneuerbaren Energien wirtschaftlich mit höherer Effizienz betrieben werden können.

Durch das Zusammenwachsen von Strom und Wärme auf technischer Ebene findet daher ein Umdenken in der Wohnungswirtschaft statt. Viele Unternehmen würden hier gerne investieren, können dies aber auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht.

Ein neues Erneuerbares Wärmeenergie Gesetz ist dringend

Hier könnte das so genannte Prämienmodell, das in einer Studie von der Böll-Stiftung 2) vorgeschlagen wurde, einen Fortschritt bringen: Die Studie favorisiert ein marktbasiertes Prämienmodell mit einer Wärme-Umlage. Es ist analog zum EEG auch im Wärmebereich haushaltsunabhängig konzipiert und ermöglicht eine Degression der Kosten für Effizienzmaßnahmen und für die Gewinnung von Wärme aus Erneuerbaren Energien. Die Haushaltsunabhängigkeit gewährleistet langfristige Investitionssicherheit, sodass in neue Produktionsanlagen sowie in kostensenkende Forschung und Entwicklung investiert werden kann.

Das Prämienmodell fördert sowohl die Erneuerbaren Energien im Wärmebereich als auch die energetische Gebäudesanierung indem die Nutzer fossiler Wärme zur Finanzierung der Prämie herangezogen werden. Mit dem Prämienmodell werden die Großhändler von Erdgas und Heizöl verpflichtet, an diejenigen, die in Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien zur Wärmebereitstellung oder in die energetische Gebäudesanierung investieren, eine Prämie zu zahlen. Diese Prämie deckt die Zusatzkosten der Investitionen im Vergleich zu einer fossilen Wärmeerzeugung oder einem Gebäude ohne energetische Sanierung ab. Eine Verbindung von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz ist dadurch gegeben, dass Investoren in Effizienzmaßnahmen bei Gebäuden und in EE-Anlagen zur Wärmeerzeugung über das gleiche Instrument eine Förderung erhalten. Das Prämienmodell kann an die Weltmarktpreise für Erdgas und Mineralöl angepasst werden. Je teurer fossile Energien sind, desto günstiger sind die jeweiligen Zusatzkosten. Wie stark die Bürgerenergiebewegung mit einem solchen Förderinstrument werden kann, ist eine spannende Frage. Sie wird dadurch stimuliert, dass sich die Renditemöglichkeiten, die das EEG jahrelang bot, verringert haben, gleichzeitig aber die Heiz- und Wärmekosten seit 1992 um rund 150 Prozent gestiegen sind. Dies bietet nun einen ökonomischen Anreiz für den Einsatz Erneuerbarer Energien auch in der Wärmegewinnung. Über die Auswirkungen der politischen Krise im Erdöl- bzw. Erdgas-Gürtel von der Arabischen Halbinsel bis zur Ukraine lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Den notwendigen Ausbau von dezentralen Strom-Wärme-Systemen hat die Bundesregierung nicht im Blick. Im Gegenteil, sie arbeitet mit Hochdruck an Regeln für ein neues Strommarkdesign, wie das so schick heißt, mit dem die angestammte Monopolstruktur der Energieerzeugung und -verteilung wieder hergestellt werden kann.

Kraftwerke selber machen

Worin liegt die Antwort auf die Verfechter des „neuen“ Strommarktdesigns? In der Praxis sollten sich Bürger, Genossenschaften und Kommunen bzw. kommunale Verbände und Einrichtungen auch in das Geschäft mit den Netzen, Netzstabilität, den Systemdienstleistungen und Kombikraftwerken einschalten. Waren nach dem EEG die Produzenten von regenerativem Strom einfach „ablieferungsberechtigt“, so können und sollen sie zukünftig selbst vermarkten. In diesem ungeliebten Vermarktungszwang, besteht für Solar- und Windparks auch eine Chance.

Es geht sowohl um separate Netze, die von Bürgern bezahlt und installiert werden als auch um eigenständige EE-Kraftwerke nach dem Modell des Kombikraftwerkes, bei dem mehrere Windparks, Biogas- und Photovoltaikanlagen zu einer regelbaren Einheit zusammengeschlossen werden. Dies ist als Forschungsprojekt 3) bekannt geworden und konnte einer breiteren Öffentlichkeit demonstrieren, wie heute Regelleistung bereitgestellt und ein Beitrag zur Stabilität der Stromversorgung, also Systemdienstleistung, realisiert werden kann.

Projektierer und Investoren arbeiten an solchen EE-Verbundkraftwerken. Als neuer Kraftwerkstyp können sie die Aufgaben herkömmlicher Kraftwerke übernehmen. Als Geschäftsmodell umgesetzt, kombinieren sie als flexibel regelbare Einheiten nicht nur Biogas-, Wind- und Sonnenstromanlagen, sondern können über ein eigenes Umspannwerk bis hinauf in das 380 kV-Höchstspannungsnetz liefern und vermarkten. Die Bundesnetzagentur akzeptiert diese Vorhaben und erkennt sie als Teil des deutschen Verbundnetzes an.

Wurden Windenergie und Photovoltaik bisher ausschließlich als separate Systeme gesehen, so ist heute klar, dass sich beide hervorragend kombinieren und wirtschaftlich betreiben lassen. Ein solches Alternativkraftwerk kann erzeugungs- und nachfrageorientiert einspeisen, von der Grundlast bis zur Regelleistung. Auf mittelfristige Sicht können diese Kombikraftwerke mit den Techniken des Power to gas oder Power to heat ergänzt bzw. erweitert werden..

Alternative Kombikraftwerke und ein EEWärmeG nach dem Prämienmodell markieren die nächsten Schritte der Energiewende, weg von der überholten Förderung jeder erzeugten Kilowattstunde hin zum bürgergerechten Marktdesign für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Ein bürgerschaftliches Engagement sollte sich gedanklich nicht auf Energieautonomie im Haus- und Wohnbereich beschränken, sondern den Schritt zu erneuerbaren dezentralen Kombikraftwerke wagen.

Fußnoten

1) Musiol, Frank, Dr. Erneuerbare Energien im Jahr 2013. Erste vorläufige Daten zur Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland auf der Grundlage der Angaben der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat)

2) Küchler, Swantje; Nestle, Uwe; Bär, Simon; Fuhrmann, Tristan „Strategien zur Modernisierung I: Neue Finanzierungsmodelle für einen klimaneutralen Gebäudebestand“ – Heinrich Böll Stiftung: Schriftenreihe zur Ökologie, Band 23, 2012

3) www.kombikraftwerk.de

Klaus Oberzig
ist Wissenschaftsjournalist aus Berlin
oberzig@scienzz.com

Dr. Gerd Stadermann
ist Fellow am Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
gerd.stadermann@ioew.de