Wasserkraft

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Kleinwasserkraft

Potenziale nicht ausgeschöpft:
Mit innovativer Technik weiteres Ausbaupotenzial in Deutschland

von Martin Frey

Die Potenziale der Wasserkraft sind längst nicht ausgereizt – trotz häufiger Berichte mit diesem Tenor. Gerade innovative Technologien in der Kleinwasserkraft könnten noch etliche Projekte realisierbar machen.

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Bild 1: Zu sehen ist ein klassisches mittelschlächtiges Wasserrad mit 17 kW Leistung in Lennestadt im Sauerland. © Foto: HydroWatt

Die Potenziale der Wasserkraft sind längst nicht ausgereizt – trotz häufiger Berichte mit diesem Tenor. Gerade innovative Technologien in der Kleinwasserkraft könnten noch etliche Projekte realisierbar machen.


Schätzungsweise 6.300 der rund 7.000 Wasserkraftwerke in Deutschland zählen zur Kleinwasserkraft, deren Leistungsbereich bis ein Megawatt reicht. Meist befinden sie sich an Flüssen und Bächen in Süddeutschland sowie in den Mittelgebirgen. Zu ihnen gehören Laufwasser- aber auch kleine Speicherkraftwerke. Ein großer Vorteil der Wasserkraft ist ihre stetige Verfügbarkeit: Diese macht sie zur idealen Ergänzung der fluktuierenden Erneuerbaren Energien, wie der Solar- und der Windenergie.

Bedeutung der Kleinwasserkraft

Wasserkraftanlagen befinden sich häufig an historischen Mühlenstandorten, die seit Generationen von Privatpersonen bewirtschaftet werden. Beim Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke rechnet man damit, dass die Kleinwasserkraft zwischen acht und zehn Prozent der Wasserkraftleistung bereitstellt.

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Bild 2: Ein modernes Wasserrad aus Metallkammern mit 14 kW im schweizerischen Cormoret. © Foto: HydroWatt

Nach dem Register der Übertragungsnetzbetreiber gibt es 637 Anlagen kleiner ein MW Leistung. Bei angenommenen 4.500 Volllaststunden sind damit rund zwei TWh Strom zu erzeugen – was zwar nur 0,34% des Stromverbrauchs Deutschlands bedeutet, dennoch aber fast 600.000 Haushalte mit Strom versorgen kann. In seiner Gesamtheit betrachtet, leistet die Wasserkraft freilich viel mehr: In Bayern beträgt der Anteil der gesamten Wasserkraft an der Stromerzeugung immerhin etwa 15%.

Neben der Erzeugung von Elektrizität erbringen die Anlagen auch einen Beitrag zum Hochwasserschutz, da das Aufstauen des Wassers den Abfluss im Unterlauf reguliert. Außerdem tragen der Erhalt und die Pflege der Mühlgräben sowie der weiteren Gewässerbereiche mit ihrem Bestand an Weiden und Hecken zum Landschaftsbild und zum Schutz der Artenvielfalt bei.

Funktionsweise

Meist wird für den Betrieb eines Wasserkraftwerkes ein Teil eines Gewässers abgezweigt und über einen Wassergraben zum Turbinenhaus geleitet. Dort regelt man den Pegelstand über ein Wehr, das auch als Überlauf dient. Vor den Turbinen befindet sich ein Rechen, der dazu dient, Treibgut und Fische abzuhalten.

Die Turbinen sind an einen Generator gekoppelt, welcher Strom erzeugt, der dann ins öffentliche Netz eingespeist oder vor Ort verbraucht werden kann. Bei musealen Anwendungen sind Wasserräder über Transmissionen mit mechanisch betriebenen Arbeitsgeräten verbunden. Anschließend fließt das Wasser im Unterlauf des Kraftwerks wieder zurück ins Gewässer.

Wasserrad oder Turbine?

Der Ertrag einer Wasserkraftanlage richtet sich danach, wie groß der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser ist – gemessen in Nettofallhöhe in Metern – sowie danach, wie viel Bewegungsenergie als Durchflussmenge in Liter pro Sekunde zur Verfügung steht.

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Bild 3: Bei Durchströmturbinen gelangt das Wasser auf eine sich drehende Walze, die besonders für niedrige Fallhöhen geeignet ist. Hier abgebildet ist eine Banki-Durchström-Turbine der Wirth Wasserkraftanlagen GmbH mit 95 kW in der Abtei Marienstatt bei Hachenburg. © Foto: Martin Frey

Je nach Standort ermittelt man so das passende Wasserrad beziehungsweise die Wasserturbine. Für geringe Fallhöhen eignen sich unter anderem Wasserräder aus Holz oder Metall. Sie werden als ober- und mittelschlächtige Räder von oben mit Wasser versorgt oder stehen als unterschlächtige Anlagen im Gewässer.

Turbinen und Einsatzbereiche

In kompakterer Bauweise eignen sich bei geringen Fallhöhen Durchströmturbinen, bei denen das Wasser auf eine drehende Walze geleitet wird und nach einer halben Umdrehung wieder unten herausfließt. Sie kommen bevorzugt bei Klein- und Kleinst-Wasserkraftwerken zum Einsatz. In Flusskraftwerken wird häufig die Kaplanturbine eingesetzt, die einer Schiffsschraube ähnelt, allerdings verstellbare Laufradschaufeln besitzt.

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Bild 4: Kaplanturbinen werden häufig in Flusskraftwerken eingesetzt. © Foto: Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG.

Bei mittleren Fallhöhen und Durchflussmengen ist die Francisturbine die Technik der Wahl: Sie ist die am weitesten verbreitete Turbine überhaupt. Das Wasser wird dabei über eine spiralförmige Zuleitung und ein festes Leitrad mit verstellbaren Schaufeln auf das sich drehende Laufrad gelenkt. Bisweilen findet man diese Bauart auch ohne die charakteristische Zuleitung als Francis-Schachtturbine.

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Bild 5: Die Francisturbine ist die am Weitesten verbreitete Turbine. © Foto: Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG.
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Bild 6: Ein Spezialist für geringe Durchflussmengen ist die Peltonturbine. © Foto: Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG.

Ein Spezialist für geringe Durchflussmengen ist die Peltonturbine. Bei ihr wird das Wasser über mehrere Düsen auf ein Turbinenrad gerichtet. Sie gewährleistet eine hohe Effizienz im Betrieb, erfordert allerdings auch Fallhöhen von mehr als 30 Metern. Anhand des Schaubildes (Bild 7) kann die richtige Turbine für den jeweiligen Einsatzbereich abgelesen werden.

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Bild 7: Bedingt durch Nettofallhöhe (in m, x-Achse) und Durchflussmenge (in m3/s, y-Achse) ergeben sich die spezifischen Einsatzbereiche von gängigen Turbinentypen (Kaplan, Francis und Pelton) bzw. speziellen Voith-Entwicklungen (Alden, Stream Diver, eQ-Solution) sowie deren Kapazitätsbereich. © Foto: Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG.

Innovationen vorhanden

Immer wieder gibt es auch in der Kleinwasserkraft neue Produkte zu vermelden: Voith Hydro aus Heidenheim brachte 2013 etwa den „StreamDiver“ auf den Markt, der bislang unerschlossene Standorte wie Wehre oder Dämme nutzbar machen soll (Simulation). Die kompakte Turbinen-Generator-Einheit ähnelt einer Kaplan-Bulbturbine. Der StreamDiver ist in fünf Größen bis zu 800 kW Leistung erhältlich und durch einen einfachen Aufbau besonders wartungsarm.

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Bild 8: Der „StreamDiver“ der Voith Hydro ist eine kompakte Turbinen-Generator-Einheit, die in fünf Größen bis zu 800 kW Leistung je Einheit erhältlich ist. Ihr Aufbau macht sie besonders wartungsarm. © Simulation: Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG.

Wasserschnecken, Pontons und Wirbelbecken

Relativ neue Möglichkeiten für die Kleinwasserkraft bieten auch Wasserkraftschnecken – vor allem dadurch, dass sie bei niedrigen Fallhöhen, wie schon mit 1,5 Metern, betrieben werden können. Sie gelten als besonders fischfreundlich und haben ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Es gibt bereits rund 200 solcher Anlagen in Europa, und zwar schwerpunktmäßig in Deutschland. Ihr Potenzial ist angesichts von 50.000 Dämmen und Wehren hierzulande aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Das Planungsbüro Steinhoff-Energie aus dem hessischen Weilrod hat mit dieser Technologie bereits Erfahrungen gesammelt: „Sie ist robust und umweltverträglich“, hebt Ronald Steinhoff hervor. 2012 nahm er im hessischen Dautphetal im Landkreis Marburg-Biedenkopf eine Anlage mit 132 kW und einer Jahreserzeugung von rund 420.000 kWh in Betrieb. Die Investitionskosten betrugen knapp unter 5.000 Euro pro kW. Mit anderen Technologien liegen sie teils bei bis zu 13.000 Euro pro kW.

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Bild 9: Wasserkraftschnecken können bereits bei niedrigen Fallhöhen betrieben werden. Hier ist eine 49,1-kW-Anlage aus Krechting im Kreis Borken zu sehen. © Foto: ANDRITZ Atro

Einfach und fischfreundlich

Überall wird derzeit an neuen Nutzungsformen der Wasserkraft gearbeitet: So erreichen Projekte von Flusswasserkraftwerken die Öffentlichkeit, die gänzlich auf aufgestautes Wasser verzichten und auf Pontons installiert sind – ähnlich früher Schiffsmühlen. Andere Anlagen nutzen die Verwirbelung strömenden Wassers in großen runden Trögen, um damit ein langsam laufendes Wasserrad anzutreiben. In allen Fällen wird die Fischverträglichkeit hervorgehoben – eben jene Herausforderung, die ansonsten bei den klassischen Anlagen oft zu Diskussionen führt.

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Bild 10: Das „Fischfreundliche Wehr“ – hier das Pilotprojekt bei Dresden – besitzt ein vertikal gelagertes langsam drehendes Wasserrad. Das Produkt der ecoligent und Käppler & Pausch GmbH ist in Leistungen zwischen 3 und 5 kW erhältlich. © Foto: Anke Krsanowski/Käppler & Pausch GmbH.

EU-Richtlinie bedroht Standorte

Zum Schutz der Fische besitzen die meisten Anlagen am Einlauf einen Rechen mit Stababständen von 1,5–2 cm, bisweilen auch größere Abstände. Zusätzliche Durchgänge mittels Rohren, insbesondere für Aale, sind möglich.

Damit auch Wanderfische wie Lachse zum Laichen zu ihrer Geburtsstätte zurückfinden, werden Hilfen zum Aufstieg benötigt. So fordert die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die in Deutschland mit dem Wasserhaushaltgesetz 2010 umgesetzt wurde, unter anderem, dass Gewässer durchgängig gestaltet sein sollen.

Bei Wasserkraftbetreibern, deren bestehende Anlagen noch keine Fischtreppen haben oder andere Auflagen nicht erfüllen, sorgt dies für große Unruhe. Denn für die Nachrüstung fehlt oft das Geld. Die Folge könnte eine massenhafte Schließung von Mühlen und Wasserkraftwerken sein. Und da im neuen EEG 2014 die Förderung ökologischer Maßnahmen gestrichen wurde fordern die Wasserkraftverbände nun Unterstützung durch die öffentliche Hand.

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Bild 11: Fischpassagen ermöglichen, Wasserkraftanlagen in beide Richtungen zu passieren. Hier eine neue Anlage an der Schwalmmühle im nordhessischen Neuental-Schlierbach. © Foto: Martin Frey

Herausforderung Wirtschaftlichkeit

Betreiber von Kleinwasserkraftanlagen müssen ohnehin knapp kalkulieren: Sie erhalten bei alten Anlagen oft nur eine Einspeisevergütung von kaum mehr als sieben Cent pro Kilowattstunde.

Noch im EEG 2009 waren für ökologische Verbesserungen Anreize in Höhe von 12,7 Cent/kWh für Neuanlagen bzw. 11,67 Cent/kWh für Bestandsanlagen enthalten. Selbst wenn dies heute noch Gültigkeit besäße ließen sich damit insbesondere bei Anlagen unter 500 kW die Mehrkosten der ökologischen Modernisierung oft nicht decken.

Wer im Jahr 2014 eine Anlage neu in Betrieb nimmt, erhält nach § 40 EEG 2014 bei einer Leistung bis zu 500 kW auf zwanzig Jahre 12,52 Cent pro Kilowattstunde. Nur extrem gut geplante Anlagen lassen sich damit refinanzieren. Ein noch größeres Hindernis aber ist in vielen Fällen das Genehmigungsverfahren, um eine neue Anlage zu errichten.

Selbstverbrauch und Ausbaupotenzial

Viele Betreiber von Wasserkraftanlagen nutzen den selbst erzeugten Strom im eigenen Anwesen und kommen so auf eine bessere Wirtschaftlichkeit als bei der Netzeinspeisung. Für Neuanlangen gibt es zudem künftig das Problem der EEG-Umlage, die für selbst genutzten Strom zu entrichten ist.

Trotz aller Herausforderungen ist das Interesse der Investoren an der alten verlässlichen Technik ungebremst: Nach Einschätzung des deutschen Wasserkraftverbandes ist für die gesamte Wasserkraft eine Leistungssteigerung von derzeit rund 20 auf 31 TWh jährlich vorstellbar. Dieses Ziel könnte durch Neubauten, Modernisierungen und die Reaktivierung alter Standorte erreicht werden.

Dipl.-Geogr. Martin Frey
Fachjournalist
mf@agenturfrey.de

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