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Wir haben den grünen Strom nicht

32. Symposium Solarthermie und Innovative Wärmesysteme

Wir haben den grünen Strom nicht

32. Symposium Solarthermie und Innovative Wärmesysteme


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Bild 1: Online zugeschaltet: Christian Maaß, der Leiter der Abteilung Energiepolitik – Wärme und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium BMWK, Foto: Hüttmann

Als sich Anfang Mai, nach zwei Jahren pandemiebedingter körperlicher Abwesenheit, die Solarwärmebranche wieder einmal hinter die Mauern des Kloster Banz im fränkischen Staffelstein verzog, war auch dort die Welt eine andere als alle die Jahre zuvor. Hatte man meist um Anerkennung gekämpft und sich gegen die Solarenergiedominanz der Photovoltaik zu wehren versucht, sind die Rahmenbedingungen mittlerweile ganz andere.

Die politische Prämisse, sich so schnell wie nur möglich von Erdgas und Erdöl unabhängig zu machen, sollte der regenerativen Wärmetechnik Solarthermie eigentlich in die Karten spielen. Doch hier scheint es, auch vorneweg bei der Politik, ganz andere Vorstellungen zu geben. Das liegt auch daran, dass die Solarbranche schon immer auch Heizungsbranche war und ist. Und der soll es nach Jahren des Protegierens in gewisser Weise an den Kragen gehen. Wurden bis vor kurzem noch Gasverbrenner gefördert, die ganz ohne erneuerbare Komponenten auskamen, sollen laut Koalitionsvertrag ab 20251) bei neu eingebauten Heizungen nur noch Heizsysteme eingebaut werden dürfen, die einen 65%igen EE-Anteil aufweisen können. Vor allem von Seiten der Kesselhersteller, aber nicht nur dort, sind Aufschreie zu vernehmen. Schließlich, so der Plan der Heizungsindustrie, könne man ja irgendwann mal mit grünem Wasserstoff – oder E-Fuels – heizen. Offensichtlich dachte man, das sollte genügen. Wird aber fossile Energie zum Tabu, genügt diese Zukunftsvision viellicht nicht als Option. Den Umstieg auf Erneuerbare zu sehr auf irgendwann zu verschieben, das war wohl doch nicht so ganz die cleverste Strategie, zumindest für den deutschen Markt. Um förderfähig zu sein, hatte man hierzulande schon länger das Label „EE-Ready“ propagiert.

Was will Politik?

„Solarthermie – das braucht’s nicht mehr“, so wird gemunkelt, ist eine Vorstellung, die es in der Ampelregierung hier und dort geben soll. Das wurde auch deutlich, als Christian Maaß, der Leiter der Abteilung Energiepolitik – Wärme und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium BMWK zu den Teilnehmern sprach. Der Mitbegründer und ehemalige Geschäftsführer des Hamburg Instituts war online zugeschaltet, zu eng sind die Termine im Berliner Energie- und Klimaministerium aktuell. Maaß machte das auch deutlich, indem er gleich voranschickte, dass „wir insgesamt vor allem mehr Tempo brauchen“. Das aus Klimaschutzgründen, aber eben auch aufgrund des Drucks, der durch den Ukrainekrieg zusätzlich entstanden ist. Aber schon alleine wegen der Lage, die „aufgrund mangelnder Anstrengungen im Klimaschutz“ entstanden ist, gäbe es „das dringende Erfordernis, sich unabhängig zu machen“. Wir müssen daher „viel schneller sein, als wir ohnehin schon sein müssten“. Der regulatorische Sprung sei folglich gewaltig. Dass die Politik dabei bei der Wärme vor allem auf die Wärmepumpe setzt, ist kein Geheimnis.

Aber auch die kommunale Wärmeplanung ist ein wichtiger Hebel, da die angestrebte Klimaneutralität bis 2045 enorme Fortschritte im Wärmebereich erfordert. So soll die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), die laut BMWK-Homepage „in Kürze“ kommt, die Umstellung der Fernwärme auf CO2-Neutralität unterstützen. Bevor es damit endlich losgehen kann muss jedoch noch grünes Licht aus Brüssel kommen. In der BEW-Novelle sollen dann neben Investitionskosten auch Betriebskosten gefördert werden. Eine weitere Idee aus dem Ministerium: Eine Privilegierung für Flächen im Außenbereich bei Solarthermie. Maaß ließ jedoch auch durchblicken, dass er bei Ein- bis Mehrfamilienhäusern weniger an die „reine Solarthermie“, sondern höchstens an PVT (Photovoltaisch-Thermische Kollektoren) denkt. Die 65%-Hürde wäre, so der BMWK-Abteilungsleiter, daher womöglich für klassische Solarwärme zu hoch, es sei denn die Branche ließe sich was einfallen. Danach sieht es jedoch weniger aus, hört man in die Heizungsbranche rein. Von dort waren Äußerungen zu vernehmen, dass wenn es zu der 65%-Regelung kommt, die Thermie in vielen Unternehmen tot sei. Ob dann lediglich „H2-Ready“-Heizkessel zum Zuge kommen könnten, ist wieder eine andere Geschichte. Denn, das ist die Krux an der Geschichte: Die ungeklärte Frage, woher der regenerative Strom für die Wärmepumpen und der grüne Wasserstoff kommen sollen, wird erst mal ausgeblendet. Beim Strom, dass zeigte auch eine Untersuchung für eine defossilisierte Wärmeversorgung der Stadt Kassel, stößt man durchaus an Grenzen. Ulrike Jordan vom Institut für thermische Energietechnik der Universität Kassel, dass die Szenarien erarbeitet hatte, machte in Ihrem Vortrag klar, dass der Einsatz von Wärmepumpen die Verfügbarkeit von Strom aus regenerativen Energien voraussetzt und dieser nicht in unendlichen Mengen zur Verfügung stehen wird. Oder anders gesagt: Nur bei einer Minimierung des Strombedarf kann es gehen, in Bezug auf einen massiven Ausbau von Wärmepumpen ist zu konstatieren, dass dieser Strom nicht vorhanden ist. Das gleiche gilt für grünen Wasserstoff. Und bezieht man diesen dazu noch aus fragwürdigen Regionen, ist zudem politisch wenig gewonnen. Mal ganz abgesehen, dass es bei einer fehlenden Technologieoffenheit wieder zu Abhängigkeiten kommen würde. Eine solche polarisierte Diskussion, das war immer wieder zu vernehmen, sei volkswirtschaftlich wenig tauglich. Auch aus Gründen der mangelnden Resilienz und der Sachlage, dass H2 für Niedertemperaturwärmeversorgung keine Lösung ist, ist ein breiter Technologiemix der wesentlich bessere Ansatz.

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Bild 2: Zwei Ansätze einer Definition von Klimaneutralität: oben bilanziell, unten reell; Quelle: Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT) und Universität Stuttgart, IGTE

Technologieoffenheit

Wie wichtig dieser Gedanke ist, zeigt sich im Übrigen sehr gut am Beispiel der Nahwärmenetze. Bene Müller, Vorstand von solarcomplex, einem Unternehmen, dass aktuell 18 regenerative Wärmenetze betreibt, betonte, dass diese Wärmenetze schon deshalb zukunftsfest seien, weil sie technologieoffen ausgeführt werden. Je nach Gegebenheit und möglichen Entwicklungen können sie mit der unterschiedlichsten Wärmezufuhr betrieben werde. Neben der großen Solarthermie können sie mithilfe von Bioenergie, Großwärmepumpen, industrieller Abwärme, Umweltwärme, Geothermie, H2-Brennstoffzellen oder auch Überschüssen aus dem Stromnetz versorgt werden. Auch ist es möglich, diese Wärmeträger bei Bedarf zu ändern und zu kombinieren. Warum das in Wohngebäuden nicht ebenso sinnvoll sein soll und bestimmte Technologien präferiert werden, erschließt sich noch nicht so ganz.

Was bedeutet eigentlich Klimaneutralität?

Soll ein Gebäude klimaneutral mit Strom und Wärme versorgt werden, dann gilt es zu beachten, dass es viele Wege gibt, dies zu erreichen. Die meisten aktuell propagierten Berechnungen sind jedoch meist lediglich virtuell oder bilanziell. Eine reelle Klimaneutralität wird in den wenigsten Fällen angestrebt. Das rechneten Harald Drück vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) und Dominik Bestenlehner von Solar- und Wärmetechnik (SWT), beide aus Stuttgart, akribisch vor. Bei der virtuellen Klimaneutralität werden die verursachten CO2-Emissionen oder vielmehr CO2-Äquivalente über Zertifikate oder anderen Ausgleichsmaßnahmen kompensiert, vermieden werden sie jedoch keineswegs. Bei der bilanziellen Klimaneutralität erfolgt eine Kompensation innerhalb eines bestimmten Zeitraums, meist ist das ein Jahr. Bestes Beispiel: Bezieht ein Gebäude im Winter Strom aus dem Netz, ist es möglich, diesen mit produzierten Überschüssen aus dem Sommer zu verrechnen. Nahe an eine Klimaneutralität, so die beiden Referenten, kämen wir jedoch nur, wenn der Energiebedarf kontinuierlich – durch die lokal, d. h. innerhalb der betrachteten Systemgrenze, verfügbaren Energiequellen – gedeckt werden würde. Oder wie sie es formulierten: „Klimaneutralität bedeutet, dass wir nicht mehr CO2 freigeben, als die Natur im gleichen Zeitraum abbaut“. Das Ergebnis Ihrer Kalkulation: Nur auf Basis der Definition der reellen Klimaneutralität (etwa ein Bilanzzeitraum von 15 Minuten) ist eine globale Klimaneutralität erreichbar. Und nur bei der Verwendung dieses Ansatzes kann Solarthermie objektiv mit anderen Energieversorgungskonzepten verglichen werden.

Zurück zu Christian Maaß und den gesetzlichen Rahmenbedingungen: Die Bundesregierung plant auch einen kompletten Umbau des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Dieser ist so gewaltig, dass er in drei Novellen erfolgen wird. In der ersten soll vor allem das Effizienzhaus 55 zum Standard werden. Die zweite Novelle, geplant für den Herbst dieses Jahres, soll besagte 65% EE beim Heizungstausch vorschreiben. Das Ganze ist aber zunächst in Form eines Konzeptpapiers gedacht, das breit diskutiert werden soll. Hier bat Maaß auch direkt um Unterstützung, um „nicht zu viele Fehler zu machen“. Und für 2023 ist bereits geplant, in einer dritten Novelle den Neubaustandard nochmals abzusenken (KfW 40). Dazu soll zudem, das ist sicherlich die größte Herausforderung, die Grundarchitektur des GEG angepasst werden. Ob sich das Gesetz dann auf Endenergie, Primärenergie oder auch CO2-Äquivalente bezieht, ließ Maaß offen. Schon fast ein wenig kryptisch schloss er seine Ausführungen damit, dass er glaubt, dass es auch „etwas ganz anderes“ sein könnte, auf das sich das GEG beziehen könnte.

Die Zukunft der Solarthermie

Sollte die Solarwärme tatsächlich regulatorisch aus dem Neubau verstoßen werden, blieben dieser Schlüsseltechnologie aber immerhin noch PVT und die Wachstumsmärkte Wärmenetze sowie Prozesswärme. Das ist aber zu wenig um die große Aufgabe einer Defossilisierung stemmen zu können. Auch kann es kaum genügen, vor allem in der Substitution von Energieträgern zu denken und weniger einen Systemwechsel zu ermöglichen. Aber die Nachfolge einer Regierung zu sein, die es versäumt hat Weichen gestellt zu haben und immer geradeaus den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist, ist natürlich mehr als schwierig. Den Energiewendezug auf die richtigen Gleise zu stellen, ist eine Herkulesaufgabe. Und die bislang durchaus erfrischende Ehrlichkeit in der Kommunikation ist durchaus lobenswert. Statt zu panschen muss uns allen schließlich endlich reiner Wein eingeschenkt werden, die Herausforderungen sind riesig.

Zum realen Symposium

Der Austausch ist ein ganz anderer, als bei den zwei vergangenen Online-Symposien. Auch wenn diese sehr gut organisiert und technisch umgesetzt wurden, ist die Klosteratmosphäre, das wurde allen Teilnehmern schnell klar, eine ganz andere. Die intensiven und persönlichen Gespräche, der Kontakt von Mensch zu Mensch in der privaten Stimmung, ist einfach virtuell nicht abbildbar. Auch wenn, das zeigen viele Fachbeiträge, komplexe solare Wärmesysteme sehr gut simuliert werden können, kann das bei einem Symposium bei weiten nicht gelingen. Zum Glück!

Anmerkung: Ganz zu Beginn der Tagung hatte die fachliche Leiterin Karin Rühling von der TU Dresden formuliert, dass der Titel des Symposiums vielleicht besser „Innovative Wärmesysteme mit Solarthermie“ heißen sollte. In Anbetracht der allgegenwärtigen Fokussierung auf Wärmepumpen unter Nichtberücksichtigung der solaren Wärme, keine allzu schlechte Idee. Aber da im Kloster Banz ja vor allem über Solarthermie gesprochen wird, sollte es wohl besser bei dem aktuellen Titel bleiben.

Fußnote

1) Der Ampel-Koalitionsausschuss hat in seiner Sitzung am 23. März 2022 beschlossen, dass die 65-%-Klausel für Erneuerbare Energien ein Jahr früher greifen soll. „Wir werden jetzt gesetzlich festschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll.“

Matthias Hüttmann
Chefredakteur SONNENENERGIE
huettmann@dgs.de

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