Energieeffizienz

Energieeffizienz

Effizienzstandards für Produkte weiterentwickeln

Top-Runner-Strategie als Modell

von Tatiana Abarzúa

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, ihren Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu verringern. Das „Ziel 20-20-20“ umschreibt diese Herausforderung. Die Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent gegenüber dem Trend ist ein Teil des gewählten Lösungsansatzes. Durch den Top-Runner-Ansatz können weitere Effizienzpotenziale von Produkten erschlossen werden.

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Die EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, ihren Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu verringern. Das „Ziel 20-20-20“ umschreibt diese Herausforderung. Die Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent gegenüber dem Trend ist ein Teil des gewählten Lösungsansatzes. Durch den Top-Runner-Ansatz können weitere Effizienzpotenziale von Produkten erschlossen werden.

Japanische Effizienz-Vorreiter setzen Dynamik in Gang

Als Pionier führte Japan die Top-Runner-Strategie in 1998 ein. Diese fördert die effizientesten Produkte am Markt durch ein umfassendes Anreizsystem. Das Prinzip ist einfach: An einem Stichtag wird eine Marktübersicht für eine Produktkategorie erstellt. Der Verbrauch der effizientesten unter den untersuchten Geräten wird als Standard zum Effizienz-Vorreiter (Top-Runner) für den Produktbereich erhoben.

Die japanische Regierung führte die Top-Runner-Regelung ein, um die Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll (1997) zu erfüllen. Nach Angaben von Kimura Osamu vom japanischen Forschungsinstitut CRIEPI [1] berücksichtigt das Top-Runner-Programm Produkte, die drei Kriterien erfüllen. Große Liefermengen innerhalb Japans, ein hoher Energiebedarf in der Nutzungsphase sowie ein großer Spielraum für eine Erhöhung der Energieeffizienz.

Nicht berücksichtigt wird allerdings der Energiebedarf für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der Produkte (graue Energie). Das Besondere an den Effizienz-Vorreitern: Unternehmen müssen die neuen Effizienzstandards innerhalb einer Frist umsetzen. Diese umfasst je nach Produktkategorie zwischen drei und zwölf Jahren. Die Standards und Fristen werden im Zieljahr überprüft. Oder früher, falls eine wesentliche Anzahl von Produkten die Standards bereits vor dem Zieljahr erreichen [2].

Freiwillige versus verpflichtende Instrumente

Seit 1978 wird in Deutschland der Blaue Engel für besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen vergeben. 1992 wurde in der EU das europäische Umweltzeichen (EU Ecolabel) eingeführt. Ähnliche internationale Kennzeichnungen sind Energy Star (USA), Nordischer Schwan (Skandinavien), TCO (Schweden). Mit diesen Umweltzeichen lassen Hersteller Produkte freiwillig auszeichnen, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen. Neben freiwilligen, wurden in der Europäischen Union auch verpflichtende Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Produkten eingeführt.

Nach Angaben der Europäischen Kommission werden über 80 Prozent aller produktbezogenen ökologischen Auswirkungen in der Entwurfsphase eines Produktes vorbestimmt [3]. Mit dem Ziel, die Umweltverträglichkeit im gesamten Produkt-Lebenszyklus zu verbessern, erließ die EU am 21.10.2009 die Öko-Design-Richtlinie (2009/125/EG). Diese verpflichtende Regelung wird auch Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Richtlinie (ErP-RL) genannt (siehe auch nachfolgenden Artikel). Der Anwendungsbereich umfasst neben energiebetriebenen Produkten, auch Produkte, die den Energieverbrauch anderer Systeme beeinflussen. Beispielsweise wassersparende Wasserhähne, die abgesehen vom Wasserverbrauch den Energieverbrauch für die Bereitung von Warmwasser mindern. Die Vorgaben gelten für neu in den Markt eingeführte Produkte. Mit dem Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) wurde die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt.

Die Öko-Design-RL beinhaltet keine produktspezifischen Vorschriften. Diese werden durch die Europäische Kommission (KOM) mittels Durchführungsmaßnahmen erlassen, die im Anschluss an Konsultationen entwickelt werden. Die Generaldirektionen Energie, Industrie und Unternehmen sowie Umwelt, sind dafür zuständig. Im Rahmen vorbereitender Studien wird untersucht, ob und welche Ökodesign-Ziele für ein bestimmtes Produkt eingeführt werden sollten. Die Untersuchungen beinhalten Empfehlungen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Produkts. Die Position der deutschen Delegation wird zwischen den Bundesoberbehörden Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und Umweltbundesamt (UBA) sowie der Deutschen Energie-Agentur (dena) abgestimmt.

Die Durchführungsmaßnahmen der Öko-Design-RL werden oft durch Maßnahmen zur Energieverbrauchskennzeichnung (EVK) ergänzt. Die EVK-RL vom 19. Mai 2010 ist ebenfalls verpflichtend und bezieht sich auf die Angabe des Verbrauchs an Energie und anderen Ressourcen mittels einheitlicher Etiketten und Produktinformationen.

Übernahme der Top-Runner-Strategie vorgeschlagen

Vor drei Jahren wurde seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ein Konzeptpapier über dynamische Effizienz-Standards für Produkte [4] vorgestellt. Es regt die Übernahme des japanischen Top-Runner-Modells an. Ziel des Konzeptes ist, die Qualität und Aussagekraft von Referenzwerten zu verbessern. Im Wortlaut: „Der Effizienzwert des sparsamsten Produkts sollte in den Ökodesign-Verordnungen nicht nur angezeigt werden, sondern als Zielwert für den angestrebten nächsten Mindesteffizienzstandard ausgewiesen werden [...]“. Im Konzept wurde das Ziel formuliert, diesen Mindesteffizienzstandard „grundsätzlich als Ausgangswert für den bei der Revision neu festzulegenden Standard“ festzulegen.

Laut Aussage von Nicole Scharf­schwerdt, Pressesprecherin des BMUB, ist eine Umsetzung des Konzeptpapiers und der genannten Maßnahmen noch nicht erfolgt. Zur Umsetzung dieser Vorschläge sei eine Überarbeitung der Öko-Design-RL erforderlich. Eine solche Anpassung habe bisher noch nicht stattgefunden. Auf der Internetpräsenz des UBA ist der Stand der Durchführungsmaßnahmen in einer Tabelle [5] zusammengefasst. Dr. Ines Oehme (Fachgebiet Ökodesign beim UBA) weist darauf hin, dass die Energieeffizienz eines Produktes noch keine Aussage über den absoluten Verbrauch eines Produktes liefert. Bisher zielten Ökodesign- und EVK-RL darauf ab, die Energieeffizienz energiebetriebener Produkte zu steigern. Rückblickend wurde erkannt, dass der Energieverbrauch nur relativ gesehen sank. Diese Verminderung des Einsparpotentials einer Effizienzmaßnahme, durch einen Anstieg der Nachfrage, ist mit dem Begriff Rebound-Effekt in die Literatur eingegangen. Sogar der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages setzt sich mit dem Phänomen Rebound-Effekt aus [6].

Eine Überarbeitung der Richtlinien steht in den nächsten Jahren an. Für die Revision der Öko-Design-RL schlagen Mitarbeiter des Instituts für Ökologie und Politik die Berücksichtigung des absoluten Energieverbrauchs der Produkte vor. In ihrer Studie „Ende der Verschwendung. Absolute Energieeinsparungen in den Richtlinien für Ökodesign und Verbrauchskennzeichnung verankern.“ [7], die im Mai diesen Jahres veröffentlicht wurde, fassen sie ihre Empfehlungen zusammen. Sie argumentieren, dass nur die Betrachtung des absoluten Energieverbrauchs eine Senkung der durch den Einsatz von Energieträgern verursachten Treibhausgasemissionen sowie eine Verbesserung der Versorgungssicherheit mit Energie umsetzbar sei.

Dem Energieverbrauch eine Grenze setzen

Staubsauger sind die erste Produktgruppe, für die eine Verbrauchs­obergrenze festgelegt wurde. Bei anderen Haushaltskleingeräten, wie Wasserkocher, Bügeleisen, Küchenmaschinen oder Haartrockner ist eine Höchstgrenze prinzipiell auch denkbar. Die Einführung von Ökodesign-Durchführungsmaßnahmen für diese Geräte ist jedoch sehr unwahrscheinlich, da sie ein geringes Energieeinsparpotenzial haben.

In der genannten Studie werden Anforderungen in Erwägung gezogen, die helfen, indirekt den Energieeinsatz in der Herstellung zu verringern. Beispielsweise erweitert sich bei länger haltbaren Produkten, die repariert werden können, die Nutzungsphase. Bei Gerätegruppen mit erheblichen Unterschieden in der Größe – und somit großen Unterschieden im absoluten Verbrauch – ist die Aussagekraft von Energieeffizienzklassen gering. Das gilt für die derzeitige Ausgestaltung der Richtlinie. Ein Beispiel: Ein kleines Fernsehgerät der Klasse „D“ kann denselben absoluten Stromverbrauch aufweisen wie ein sehr großes Gerät in der Klasse „A++“. Ähnliche Aussagen treffen auf Waschmaschinen zu.

Stattdessen könnte ein niedriger absoluter Verbrauch mit einer guten Effizienzklasse auszeichnet werden. Wenn durch Berechnungsformeln größere Geräte mit einem höheren absoluten Verbrauch als effizient dargestellt werden, werden Hersteller diese entsprechend bewerben. Ohne die Belohnung eines niedrigen absoluten Energieverbrauchs fehlt der Anreiz Geräte zu gestalten, die energieeffizient sind.

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Fernsehgeräte: Anteile der Enegieeffizienzklassen bei den verschiedenen Gerätegrößen © Quelle: Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Quellen

[1] K. Osamu (2012). The Role of Standards: The Japanese Top Runner Program for End-Use Efficiency. Historical CaseStudies of Energy Technology Innovation in: Chapter 24, The Global Energy Assessment.
Grubler A., Aguayo, F.,Gallagher, K.S., Hekkert, M., Jiang, K., Mytelka, L., Neij, L., Nemet, G. & C.
Wilson. Cambridge University Press:Cambridge, UK.;
http://www.academia.edu/4274967/12_Kimura_Japan_Top_Runner_WEB

[2] Naturvårdsverke (2005). The Top Runner Program in Japan.
https://www.naturvardsverket.se/Documents/publikationer/620-5515-1.pdf?pid=3137

[3] Europäische Kommision (2014). Energieeffizienz. Ökodesign energiebetriebener Produkte.
http://ec.europa.eu/energy/efficiency/ecodesign/eco_design_de.htm

[4] BMWI/BMU (2011). Gemeinsames Konzeptpapier zur Weiterentwicklung des Top Runner-Ansatzes.
http://www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/konzept_toprunner_bf.pdf

[5] Umweltbundesamt (2014). Durchführungsmaßnahmen zur Ökodesign-Richtlinie.
www.umweltbundesamt.de/dokument/durchfuehrungsmassnahmen-zur-oekodesign-richtlinie

[6] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2014). Der Rebound-Effekt:Störendes Phänomen bei der Steigerung der Energieeffizienz.
www.bundestag.de/blob/282726/85e2970ac3cda746a05541a0269eda69/der-rebound-effekt--stoerendes-phaenomen-bei-der-steigerung-der-energieeffizienz-data.pdf

[7] L. Spengler, D. Jepsen, L. Ausberg; ÖKOPOL GmbH (2014). Ende der Verschwendung. Absolute Energieeinsparungen in den Richtlinien für Ökodesign und Verbrauchskennzeichnung verankern. Studie im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND).
http://www.oekopol.de/archiv/material/V612-1_BUND_%D6kopol_Ende%20der%20Verschwendung_DE.pdf

Tatiana Abarzúa
Dipl.-Ing. (FH) Umweltschutz
abarzua@dgs.de