Energieressourcen

Energieressourcen

Low Carbon Economy

Ressourcenwende hin zur Energie-Stoff-Transformation

von Heiner Gutte und Bernd Meyer

Der globale organische und anorganische Kohlenstoffkreislauf der Natur liefert den „Treibstoff“ allen Lebens. Im Zuge der Austauschprozesse von kohlenstoffhaltigen Verbindungen zwischen den Kohlenstoffspeichern Lithosphäre, Biosphäre und Atmosphäre haben sich im Verlauf der Erdgeschichte die fossilen Kohlenstoff-Ressourcen wie Erdöl, Erdgas und Kohle gebildet (Bild 1).

Der globale organische und anorganische Kohlenstoffkreislauf der Natur liefert den „Treibstoff“ allen Lebens. Im Zuge der Austauschprozesse von kohlenstoffhaltigen Verbindungen zwischen den Kohlenstoffspeichern Lithosphäre, Biosphäre und Atmosphäre haben sich im Verlauf der Erdgeschichte die fossilen Kohlenstoff-Ressourcen wie Erdöl, Erdgas und Kohle gebildet (Bild 1).

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Bild 1: Globaler Kohlenstoffkreislauf 1): Schwarze Zahlen/Pfeile beschreiben die Kohlenstoffspeicher in PgC (1 Pg = 1015 g = 109 t = 1 Mrd. t) und jährliche Stoffaustauschströme in PgC yr-1. Rote Zahlen/Pfeile stehen für anthropogene C-Stoffströme gemittelt über die Zeitperiode zwischen 2000-2009.

Ausgehend von der Betrachtung der Erde als ein offenes System, kann ihr Gesamtkohlenstoffgehalt als konstant aufgefasst werden (abgesehen von extra­terrestrischen Zu- und Abflüssen von Kohlenstoff bzw. kohlenstoffproduzierenden endogenen Kernreaktionen). Bild 1 illustriert unter Angabe von spezifischen Massen- bzw. Volumenströmen den zeitabhängigen Umfang des Stoffaustauschs zwischen den Kohlenstoffspeichern, der maßgeblich durch die Sonne und – seit der Industriellen Revolution – auch anthropogen angetrieben wird.

Kohlenstoffintensives Wirtschaften

Derzeit werden fossile und biogene Kohlenstoffträger überwiegend energetisch genutzt, um Elektrizität, Wärme und Kraftstoffe zu erzeugen. Kohlenstoff wird von allen chemischen Elementen mit Abstand am stärksten aus der Lithosphäre entnommen. Die energetische Nutzung fossiler Kohlenstoffträger führt zu einer markanten Veränderung der Umfänge der Stoffmengenströme zwischen den oben genannten Kohlenstoffspeichern – insbesondere zu einer Kohlenstoffanreicherung in der Atmosphäre in Form von CO2. Zwischen 2000 und 2009 wurden durch die Verbrennung fossiler Kohlenstoffträger wie Erdöl, Erdgas, Kohle inklusive der Zementproduktion weltweit durchschnittlich 29 Mrd. t CO2 pro Jahr in die Atmosphäre emittiert, wobei die in diesem CO2 gebundene Kohlenstoffmenge durchschnittlich 7,8 Gt Kohlenstoff pro Jahr betrug 2) (siehe Bild 1). Im Jahr 2013 erreichten die globalen CO2-Emissionen ihren bisherigen Höchstwert von 36 Mrd. Tonnen 3), was einer gebundenen Kohlenstoffmenge von 9,8 Gt entspricht.. Die Atmosphäre als kleinster der oben genannten Kohlenstoffspeicher reagiert auf erhöhte CO2-Zuflussraten besonders empfindlich. So gilt unter Klimaexperten die anthropogene Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre als eine der Hauptursachen für den Klimawandel, wobei es dafür durchaus unterschiedliche Interpretationen gibt. Unabhängig davon erscheint es für einen ressourcenschonenden Umgang mit Kohlenstoffträgern unumgänglich, die derzeit dominierende kohlenstoffintensive in eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu transferieren (Low Carbon Economy). Um den Kohlenstoffkreislauf nicht völlig aus dem natürlichen Gleichgewicht zu bringen, sind größte Anstrengungen in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft und der industriellen Produktion erforderlich.

Lösungsansätze

Der klassische Ansatz für eine kohlenstoffärmere Wirtschaft besteht in der Anhebung der Ressourceneffizienz. Entweder wird aus der gleichen Menge an Ausgangsstoffen eine größere Energiemenge gewonnen (Energieeffizienz) oder es gelingt, die Produktausbeute zu steigern (Stoffeffizienz). Energie- und Stoffeffizienz sind die kostengünstigsten Hebel, die Versorgungssicherheit mit Energie und Rohstoffen zu verbessern und die Emissionen von Treibhausgasen zu vermindern. Das größte Einsparpotenzial liegt im Energiesektor selbst und in energieintensiven Industriebranchen. Etwa 30% des Primärenergieverbrauchs der EU entfallen auf die Umwandlung von Energie in Strom und Wärme und für deren Verteilung bzw. Transport 4). Große Einsparpotenziale liegen in der Kraft-Wärme-Kopplung, in innovativer Abwärmenutzung und in der Effizienzsteigerung von Energietechnologien durch Einsatz innovativer Werkstoffe. Der Erhöhung der Effizienz mit klassischen Mitteln sind jedoch naturgesetzliche Grenzen gesetzt.

Der erste Schritt der Transformation zur Low Carbon Economy besteht im Übergang von fossilen zu Erneuerbaren Energien (Energiewende, Bild 2). Die Energiewende ist möglich, weil auf ein breites Spektrum an erneuerbaren Energiequellen, die zukünftig im Überschuss zur Verfügung stehen werden, zurückgegriffen werden kann. Dieser mittel- und langfristig zu erwartende Überschuss an Erneuerbaren Energien ermöglicht völlig neue technologische Zugänge zur Low Carbon Economy. Im Zentrum steht die Einkopplung Erneuerbarer Energien in kohlenstoffbasierte Stoffumwandlungsprozesse, wodurch die heute etablierten, überwiegend exothermen Prozesse wie z.B. die Oxidation von Kohlenstoffträgern zunächst durch CO2-ärmere autotherme und schließlich durch CO2-freie allotherme Prozesse mit wesentlich höheren stofflichen und energetischen Wirkungsgraden abgelöst werden können. Beispiele sind mikrowellen- und plasmagestützte Reaktionstechnik oder die Direktstromeinkopplung für thermische Prozesse.

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Bild 2: Übergang von der kohlenstoffintensiven zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft

Der zweite Transformationsschritt, die Rohstoffwende, besteht in Analogie zur Energiewende im Übergang von primären Rohstoffen zu sekundären bzw. nachwachsenden Rohstoffen (Rohstoffwende, Bild 2). Die Stoffe werden zunehmend im Kreislauf geführt und durch nachwachsende Rohstoffe ergänzt. Neue Technologien und Stoffkombinationen zur Nutzung kohlenstoffbasierter Produkte mit hohem Recyclingpotenzial bzw. Optionen zur Kaskadennutzung sind zu entwickeln. Begleitend dazu ermöglichen neue Methoden zur Rohstoff- und Produktanalytik die selektive Gewinnung verschiedener primärer und sekundärer Kohlenstoffquellen. Beispiele sind: Selektive Gewinnung unterschiedlicher Kohlequalitäten, Direktnutzung von Naturstoffen z.B. Xylit für Faserwerkstoffe und Dämmmaterialien, neue Extraktions- und Pyrolyseverfahren für primäre und sekundäre Kohlenstoffträger, die Erzeugung von Synthesegasen aus primären und sekundären Kohlenstoffquellen und die Synthese hochwertiger und energiehaltiger Chemikalien über regenerativ erzeugten Wasserstoff und fossile bzw. biogene CO2-Quellen.

Jede chemische Reaktion ist neben der Stoffumwandlung untrennbar mit einer Energiewandlung verbunden. Stoffumwandlungen und einhergehende Energiewandlungen müssen daher im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Demnach sind Energie- und Rohstoffwende unmittelbar aneinander gekoppelt, werden aber bisher isoliert betrachtet. Hier liegt die entscheidende Herausforderung für die Ressourcenwende. Die Ressourcenwende ist die Transformation der derzeit dominierenden energetischen hin zu einer stofflichen Nutzung primärer und sekundärer Rohstoffe unter innovativer Nutzung Erneuerbarer Energien. Die Art der Nutzung, ob energetisch oder stofflich, bildet eine dritte Dimension (siehe Bild 3). Die Dimensionen Energie, Rohstoff und Nutzungsart spannen zusammen den Technologieraum auf, in dem die Transformation von einer kohlenstoffintensiven Wirtschaft hin zur Low Carbon Economy stattfinden muss:

  • Energiewende:
    fossile Energien
    → Erneuerbare Energien
  • Rohstoffwende:
    primäre Rohstoffe
    → sekundäre/nachwachsende Rohstoffe
  • Ressourcenwende:
    energetische Nutzung
    → stoffliche Nutzung

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Bild 3: Ressourcenwende - Übergang von der energetischen zur stofflichen Nutzung unter Nutzung Erneuerbarer Energien

Fazit

Erst die stoffliche Nutzung unter Einsatz Erneuerbarer Energien ermöglicht die Absenkung der CO2-Emissionen auf ein Mindestmaß. Erneuerbare Energien können in Zukunft in elektrothermische und elektrochemische Prozesse eingekoppelt werden und zur Synthese hochwertiger und hochenergiehaltiger kohlenstoffbasierter Chemikalien dienen. Denkbar sind metallurgische bzw. elektrochemische Hochleistungsspeicher für Erneuerbare Energien in Gewinnungselektrolysen z.B. über Chloralkali- oder Aluminium-Elektrolysen. Eine neue Industriebranche der Energie-Stoff-Transformation entsteht. Sie verbindet die bisher isoliert voneinander agierenden Branchen der Energiewirtschaft, der chemischen Industrie und der Metallurgie, um nur die wichtigsten zu nennen. Der so skizzierte Weg zur Low Carbon Economy ist unseres Erachtens eine der größten Herausforderungen für Wissenschaft und Wirtschaft im 21. Jahrhundert. Deutschland als führendem Technologieland und Initiator der Energiewende kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Fußnoten

1) Working Group I Contribution to the IPCC fifth Assessment Report „Climate Change 2013: The Physical Science Basis“, 26. September 2013 Stockholm, Sweden

2) Climate Change 2013: The Physical Science Basis. IPCC Working Group I, Chapter 6: Carbon and Other Biogeochemical Cycles. p 468 Table 6.1

3) D. Carlson, H. Pfeiffenberger: Global Carbon Budget 2013. Earth System Science Data (ESSD)

4) KOM(2011) 109: Energieeffizienzplan der UE 2011

Dr.-Ing. habil. Heiner Gutte
Deutsches EnergieRohstoff-Zentrum
heiner.gutte@iec.tu-freiberg.de

Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer
Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen
bernd.meyer@iec.tu-freiberg.de