Klimawandel

Klimawandel

Die 400 ppm-Schwelle

Höchste Treibhausgaskonzentration seit Jahrmillionen

von Georg Feulner

Im Jahr 1958 begann Charles David Keeling auf dem abgelegenen Vulkan Mauna Loa auf Hawaii die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre direkt zu messen. Betrachtet man die Reihe der monatlich gemittelten Messwerte aus den letzten knapp sechs Jahrzehnten, die in Bild 1 gezeigte sogenannte Keeling-Kurve, fallen sofort zwei Dinge auf.

Im Jahr 1958 begann Charles David Keeling auf dem abgelegenen Vulkan Mauna Loa auf Hawaii die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre direkt zu messen. Betrachtet man die Reihe der monatlich gemittelten Messwerte aus den letzten knapp sechs Jahrzehnten, die in Bild 1 gezeigte sogenannte Keeling-Kurve, fallen sofort zwei Dinge auf.

Natürliche und anthropogene Schwankungen

Erstens schwankt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre im Jahresverlauf. Diese Veränderungen gehen auf die „Atmung“ der Landvegetation zurück. Während der Wachstumsperiode im Frühling und Sommer nehmen die Pflanzen über die Photosynthese Kohlendioxid auf und speichern es in Form von Biomasse. Im Herbst und Winter wird das aufgenommene Kohlendioxid bei der Zersetzung von Pflanzenmaterial (z.B. Laub) wieder frei. Weil der Anteil der Landflächen auf der Nordhalbkugel höher ist als auf der Südhalbkugel, folgen diese Schwankungen den Jahreszeiten und damit dem Vegetationszyklus auf der Nordhalbkugel.

Zweitens zeigt die Kurve einen deutlichen Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre. Während die Konzentration zu Beginn der Messungen noch rund 315 ppm (parts per million, also die Zahl von CO2-Molekülen pro einer Million Teilchen in der Luft) betrug, ist sie seitdem stark angestiegen, wie man in Bild 1 deutlich erkennen kann. Dieser Anstieg ist im Wesentlichen auf die Emissionen aus der Verbrennungen fossiler Energieträger zurückzuführen.

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Bild 1: Monatliche Werte für die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid aus direkten Messungen auf Hawaii seit 1958 © Graphik: Georg Feulner; Daten: National Oceanic & Atmospheric Admimistration (NOAA)

Der Schwellenwert

Im April 2014 lag der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre zum ersten Mal seit Beginn der Messungen über 400 ppm. Das Überschreiten dieser „Schwelle“ wurde ausgiebig in den Medien thematisiert, aber natürlich ist die „runde Zahl“ von 400 ppm allenfalls von symbolischer Bedeutung. Viel interessanter ist hingegen die Einordnung dieser Kohlendioxidkonzentration im Kontext der jüngsten Klimageschichte und vor dem Hintergrund der Bemühungen um einen wirksamen Klimaschutz.

Für die Zeit vor den direkten Kohlendioxid-Messungen auf dem Mauna Loa kann der atmosphärische CO2-Gehalt aus der Untersuchung von Luftbläschen bestimmt werden, die im Eis auf Grönland oder der Antarktis eingeschlossen sind. Das längste derartige Klimaarchiv ist der EPICA-Eisbohrkern, der etwa 800.000 Jahre zurückreicht. Bild 2 zeigt die aus Eisbohrkernen bestimmte Kohlendioxidkonzentrationen über diesen Zeitraum.

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Bild 2: Atmosphärische Kohlendioxidkonzentration aus antarktischen Eisbohrkernen (grün) sowie den in Bild 1 gezeigten Mauna-Loa-Messungen (blau) © Graphik: Georg Feulner; Daten: National Oceanic & Atmospheric Admimistration (NOAA)

Diese Daten zeigen deutlich die natürlichen Schwankungen des CO2-Gehalts über die von periodischen Änderungen der Erdbahnparameter angetriebenen Eiszeitzyklen. Sie zeigen aber auch klar, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen 800.000 Jahren so hoch lag wie heute, ja sie erreichten kaum die Marke von 300 ppm. Vor Beginn der Industrialisierung lag sie nur bei rund 280 ppm.

Wann war die CO2-Konzentration zum letzten Mal höher als 400 ppm? Um die Kohlendioxidkonzentration in noch früheren Zeiten zu rekonstruieren, sind die Klimaforscher auf indirekte Methoden angewiesen. So lässt sich die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre beispielsweise aus der Dichte von fossilen Blattporen (Stomata) abschätzen: Je höher der CO2-Gehalt der Atmosphäre, desto weniger Poren benötigen die Blätter für ihre Atmung. Andere Methoden basieren auf der genauen Analyse der Zusammensetzung versteinerter Böden oder von Überresten ozeanischer Kleinstlebewesen. Leider sind alle indirekten Rekonstruktionsmethoden mit unvermeidlichen Unsicherheiten verbunden. Ein Vergleich verschiedener Rekonstruktionen (Bild 3) legt aber nahe, dass die atmosphärische CO2-Konzentration wahrscheinlich letztmals vor rund fünf Millionen Jahren die 400-ppm-Marke erreicht hat. Insgesamt lag der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre in den letzten 25 Millionen Jahren aber wohl meist unter 400 ppm. Vom Menschen verursachte Treibhausgasemissionen haben den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre also auf ein in den letzten Millionen Jahren nicht erreichtes Niveau ansteigen lassen.

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Bild 3: Atmosphärische Kohlendioxidkonzentration über die letzten 65 Millionen Jahre © Graphik: Georg Feulner; Daten: Beerling & Royer (2011)

Fazit

Was bedeutet das Überschreiten der 400-ppm-Marke nun für die Zukunft? Seit Beginn der Industrialisierung ist die globale Mitteltemperatur bereits um etwa 0,8°C angestiegen. In der oben gezeigten Keeling-Kurve ist bislang kein Rückgang der globalen Emissionen sichtbar, wir befinden uns also auf einem Pfad mit weiter ansteigender Kohlendioxidkonzentration. Verlässt die Menschheit diesen Pfad nicht, so sind laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarates bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verglichen zum späten 20. Jahrhundert rund 4°C höhere Temperaturen zu erwarten. Um unliebsame Folgen dieser Erwärmung für Mensch und Natur zu vermeiden, sollte die globale Erwärmung aber auf etwa 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden. Um dieses Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% einzuhalten, dürfte die Kohlendioxidkonzentration auf maximal 450 ppm ansteigen. Angesichts eines derzeitigen Anstiegs der Konzentration von etwa 2 ppm pro Jahr bleibt der Menschheit also nicht mehr viel Zeit, auf einen klimafreundlichen Pfad einzuschwenken. Erneuerbare Energien wie die Sonnenenergie sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Dr. Georg Feulner
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
feulner@pik-potsdam.de

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