Mobilität

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Verkehrswendekonzept

Die führenden deutschen Umweltverbände untermauern mit ihrer neusten Studie, dass die Klimaschutzziele im Verkehrssektor einen massiven Ausbau der erneuerbaren Elektromobilität benötigen.

von Tomi Engel

Im Juni diesen Jahres wurde von Deutschlands führenden Umweltverbänden das Verbändekonzept „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ veröffentlicht. Gleich auf Seite 7 steht ein bemerkenswerter Satz: „Die Bahn, der öffentliche Nahverkehr, Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden im Jahr 2050 weitgehend elektrisch mit Strom aus Erneuerbaren Energien angetrieben“. Ein derart deutliches Bekenntnis der Umweltbewegung zur Elektromobilität hat es bisher in Deutschland noch nicht gegeben!

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Die neue Studie der Umweltverbände zeigt auf, wie man im Verkehrssektor bis 2050 die geforderte Reduktion der CO2-Emissionen erreichen könnte.© Quelle: Verbändestudie 2014

Im Juni diesen Jahres wurde von Deutschlands führenden Umweltverbänden das Verbändekonzept „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ veröffentlicht. Gleich auf Seite 7 steht ein bemerkenswerter Satz: „Die Bahn, der öffentliche Nahverkehr, Pkw und leichte Nutzfahrzeuge werden im Jahr 2050 weitgehend elektrisch mit Strom aus Erneuerbaren Energien angetrieben“. Ein derart deutliches Bekenntnis der Umweltbewegung zur Elektromobilität hat es bisher in Deutschland noch nicht gegeben!

Das Szenario zur Reduktion der Treibhausgase im Verkehr um 95% bis 2050 wurde von WWF, BUND, Germanwatch, NABU und dem VCD in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut erstellt. Es basiert auf vielen Annahmen, über die man sicherlich im Detail leidenschaftlich streiten kann, und doch ist es eine sehr aufschlussreiche Sammlung von Zahlenmaterial als auch ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Verkehrswende, zu dessen Lektüre wir allen Interessierten raten.

Menschen

Ausgangsbasis ist die Annahme, dass die Bürger bis 2050 durch den demographischen Wandel nicht nur im Schnitt älter werden, auch die Bevölkerungszahl soll um ca. 10%, auf etwa 73 Mio. Einwohner, zurückgehen. Als Folge verringert sich „der Personenverkehr […] bis 2050 um 15%“.

Aus diesen Veränderungen ergeben sich andere Mobilitätsmuster und folglich eröffnen sich auch andere Optionen zur Lösung der neuen Anforderungen.

Fahrräder und Pedelecs

„Der Fahrradanteil erreicht in Kernstädten 35% und im Umland 20%, so dass sich ein durchschnittlicher Fahrradanteil von 25% an den Wegen ergibt“. Dies wäre ein deutlicher Zuwachs, weil wir heute bei etwa 10% Fahrradanteil liegen.

Vor allem die (teil)elektrischen Zweiräder werden hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, weil durch die Technologie deutlich längere oder mühsamere Wegstrecken auch ohne PKW zu bewältigen sind. Der Stromverbrauch der Pedelecs und Krafträder soll insgesamt bei ca. 1 TWh liegen, was im Gesamtstromverbrauch vernachlässigbar ist.

Personenkraftwagen

In Summe soll die Zahl der PKWs von heute 42 Mio. auf etwa 17 Mio. sinken, also ganz grob eine Halbierung des Bestandes als auch der gefahrenen Kilometer. 10% der Fahrleistung sollen von Carsharing-Angeboten erbracht werden.

Gleichzeitig vollzieht sich eine rapide Umstellung auf elektrische Antriebe (siehe Bild 1) und ab 2040, so die Annahme, werden praktisch nur noch Elektro(hybrid)fahrzeuge neu zugelassen. Nur durch diese Veränderung können die Emissionen des PKW-Segments auf nahezu Null reduziert werden (siehe Bild 2).

Das Szenario nimmt an, dass die elektrische Reichweite der Fahrzeuge von 150 km durch bessere Akkutechnik auf rund 300 km ansteigen wird und dass auf Langstrecken, im Rahmen multimodaler Mobilität, andere Technologien an Bedeutung gewinnen werden: die Eisenbahn und Langstreckenbusse.

Personennahverkehr

Neben den Zweirädern sollen vor allem auch die Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) große Zuwachsraten verzeichnen. Busse und Bahnen sollen 2050 rund doppelt so viele Personen bewegen und damit ihren Anteil am gesamten Personenverkehr auf 16% steigern.

Der Strombedarf der Straßen-, S- und U-Bahnen soll konstant bei 3 TWh bleiben. Durch die Umstellung auf Elektro­busse sollten weitere 4 TWh für den ÖPNV-Sektor benötigt werden.

Langstreckenbusse müssen in Zukunft auch als Elektrohybridfahrzeuge gebaut werden, damit sie in den Ballungsräumen elektrisch fahren können. Auf der Autobahn soll dann der Strom primär mit Gasmotoren gewonnen werden.

Eisenbahn

Die Bahn wird nach dem Szenario primär in der Langstrecke (bis 200 km) Zuwächse verzeichnen können. Im Personennahverkehr seien die Potenziale zur Verkehrsverlagerung auf die Schiene begrenzt. In diesem Segment soll der Stromverbrauch von 10 TWh auf rund 13 TWh ansteigen.

Eine Verdopplung der Kapazitäten bis 2050 sieht man bei der Bahn vor allem im Güterverkehr. Die Studie stellt jedoch fest, dass hierzu vor allem auch eine deutliche Reduktion der Lärmemissionen bei den Zügen erforderlich wäre, da ansonsten die Akzeptanz fehlen wird.

Im Gütertransport steigt der Strombedarf der Bahn um ca. 20% auf 6 TWh. Wie dies mit dem 100%-igen Anstieg der Transportleistung zu vereinbaren ist, zählt zu den vielen kleinen Punkten des Szenarios über die man debattieren könnte.

Lastkraftwagen

„Der Güterverkehr in Deutschland nimmt zwar bis 2030 weiter zu, stabilisiert sich aber langfristig auf heutigem Niveau“, so die Annahme. Was also auf der Schiene zusätzlich transportiert werden soll, haben die LKWs weniger zu bewegen. Dennoch verbleiben im Verbändekonzept rund 50% der Gütertransportleistung auf den Strassen.

Man nimmt an, dass sich die Technologien bis 3,5 Tonnen genauso wie beim PKW, also hin zu 100% elektrisch, entwickeln werden (Bild 1).

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Bild 1: Für den PKW-Sektor wird im Verbändekonzept bei den Neuzulassungen eine Entwicklung angenommen, nach der ab dem Jahr 2040 fast nur noch Elektrofahrzeuge verkauft werden. Für 2020 erwartet man 5%, also 150.000 E-Neufahrzeuge pro Jahr.

Das uralte Konzept der elektrischen Oberleitungs-LKWs, also die Eisenbahn auf Gummirädern mit Asphaltschienen, wird in der Studie zwar erwähnt, dennoch unterstellt man im Schwerlastverkehr die gleiche Hybridtechnik wie bei Langstreckenbussen. Die Nutzung von gasförmigen Treibstoffen, also mit „biogenem oder strombasiertem Methan“, steht damit unausweichlich im Vordergrund.

Der Strombedarf der Kurzstrecken-LKWs wird mit rund 8 TWh beziffert.

Schiffe und Flugzeuge

Die Personenschifffahrt ist energetisch betrachtet ohne Bedeutung. Beim Güterverkehr soll die Binnenschifffahrt um etwa 20% zulegen. Einzig beim Seeverkehr von Gütern erwartet man einen deutlichen Zuwachs von 250% bis 2050.

Technisch hofft man hier auf die Umstellung der Antriebe weg vom dreckigen Schweröl hin zu saubereren Gasen.

In der Luftfahrt erwartet die Studie bis 2050 einen Rückgang von 10% bei der Personenverkehrsleistung, denn „Luftverkehr wird in Zukunft teurer werden“.

Der Energiebedarf bleibt praktisch konstant und da auch 2050 noch mit klassischen Turbinen geflogen werden soll, bleiben, wie beim Seeverkehr, auch hier nur die biogenen oder strombasierten Kraftstoffe als Lösung übrig.

Enormer Strombedarf ?

„Der enorme langfristige Strombedarf des Verkehrssektors unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer konsequenten Umsetzung der Energiewende in Deutschland“, so die Studie. Als „enorm“ erscheinen uns hierbei nicht die 67 TWh, also 10% des heutigen Stromverbrauches, die direkt in PKW und LKWs benötigt werden. „Enorm“ sind, wenn dann die 234 TWh Strom zur Herstellung der strombasierten Gase für den Langstreckentransport. Mit Hilfe anderer Lösungen (Oberleitungs-E-LKWs, Akkuwechsel, usw.) kann der Bedarf an „Stromgasen“ bis 2050 sicherlich deutlich reduziert werden. Und sollten im Zuge der Rohstoffverknappung immer mehr „Weltraumstationstechnologien“ auf der Erde zum Einsatz kommen (regional geschlossene Kreisläufe, 3D Drucker, weniger sinnloser Wegwerfkonsum etc.), so könnte der Güterverkehr und sein Brennstoffbedarf noch massiv abnehmen.

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Bild 2: Reine Effizienzmaßnahmen beim Verbrennungsmotor würden die Emissionen der PKWs bei rund 60 g CO2/km stagnieren lassen (orange). Erst mit der Umstellung auf Elektromobilität gelingt der Pfad zu faktisch Null-Emissionen (blau).© Quelle: Verbändestudie 2014

Vor dem Zeithorizont 2050 und der Herausforderung „Peak Oil“ erscheint das Verbändekonzept fast schon konservativ. Es ist dennoch eine bahnbrechende Publikation, weil erstmalig die Umweltverbände beziffern, warum Elektromobilität und die dazu gehörenden Akkus ein gigantischer Massenmarkt werden … muss.

Der DGS Fachausschuss Solare Mobilität zieht Bilanz

Als die DGS im Jahr 2006 den Fachausschuss für Solare Mobilität erneut ins Leben gerufen hat, um die Energiewende im Mobilitätsbereich fachlich zu unterstützen, war „Elektromobilität“ ein (umwelt-)politisches Unwort. Abgesehen von den unermüdlichen E-Mobilisten des Bundesverbandes Solare Mobilität (bsm) gab es damals fast keine Fürsprecher für eine saubere Fortbewegung.

Die DGS hat 2007 eine der ersten umfassenden Studien zu den CO2-Emissionen der PKW-Flotte publiziert und in Folge eine ganzheitliche Treibstoffstrategie (2008) erarbeitet, die technischen Herausforderungen der Ladeinfrastruktur und Netzeinbindung aufgezeigt, die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für Elektro­mobilität skizziert und auf der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) gemeinsam mit den Akteuren der Energiewende auch ein zukunftsweisendes Förderkonzept für Elektro­mobilität (die I.D.E.E.) entworfen und zur Diskussion gestellt.

Alle Informationen wurden über die Jahre hier in der SONNENENERGIE veröffentlicht und stehen auch heute für jeden Bürger im neuen Internet-Auftritt der DGS zum Abruf bereit: www.dgs.de/index.php?
id=solarmobil-hintergrundinfos

Wir haben in unzähligen Gesprächen mit Vertretern der Politik als auch der Umweltverbände dazu beigetragen, dass die zentrale Rolle der Elektromobilität für die Energiewende heute zumindest auf dem Papier von allen Seiten akzeptiert wird. Die nun vorliegende Studie der Umweltverbände bestätigt dies eindrucksvoll.

Leider zeigt die aktuell in Deutschland geplante Förderung der Elektromobilität (das „Elektromobilitätsgesetz“), dass zwischen Theorie und Praxis ein großer Unterschied besteht: Der politische Wille unserer Regierung zur Förderung der Elektromobilität ist nicht zu erkennen. Doch für eine erfolgreiche Praxis reicht es zum Glück, wenn die Bürger einfach Elektroautos kaufen und “Erneuerbare tanken“. Fertig.

Tomi Engel
DGS Fachausschuss Solare Mobilität
tomi@objectfarm.org