Ressourceneffizienz
Zuerst die gute Nachricht: Die Weltwirtschaft ist spürbar angesprungen! Doch sind rasante Preissteigerungen für Öl, Metalle, Nahrung und Agrarrohstoffe die unmittelbare Folge und könnten nun Sand in das Getriebe des Wachstumsmotors streuen. Teil 1: Einführung und Hintergründe
Politiker, Manager, Wissenschaftler und Verbraucher beschäftigen die gleichen Fragen wie schon im Jahr 2008, als die Rohstoffpreise durch die boomende Weltwirtschaft beinahe exponentiell anstiegen (siehe Klimazwickmühle und Aufschwung oder Rezession in der Sonnenergie 1/2008 und 2/2008). Was können wir dagegen tun? Verstärken sich auch durch Hunger und Armut ausgelöste Revolten, wie wir Sie aktuell in Nordafrika miterleben? Oder wird der Welthandel weiter wachsen und kann dieser vielleicht sogar für eine bessere Lebensqualität aller Menschen sorgen? Oder beginnt ein Zeitalter, in dem die Chinesen die Weltwirtschaft nach ihren Interessen steuern? Die Sonnenenergie-Serie Ressourceneffizienz wird sich genau diesem Thema, der möglichen Rohstoffknappheit essentieller Ressourcen mit ihren Auswirkungen, widmen und Lösungsmöglichkeiten vorstellen. Teil 1 gibt eine Einführung.
Es hat ein Zeitalter knapper Ressourcen begonnen, uns stehen deshalb eine Menge Probleme bevor – das leuchtet angesichts der Wirtschaftsnachrichten dieser Tage ein. Die Preise für Agrarrohstoffe, Metalle und Energieträger steigen seit Monaten. Der Preis für Rohöl legte, in Euro gerechnet, innerhalb von zwölf Monaten um über 30 Prozent zu. Der frisch veröffentlichte Rohstoff-Preisindex des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), der Energieträger außen vor lässt, stieg 2010 um 41,3 Prozent. EU-Energiekommissar Günther Öttinger verkündete im Februar, dass die Strompreise zumindest in Europa in den nächsten Jahren deutlich steigen werden. Die UN meldet alarmierende Rekordpreise für die Grundnahrungsmittel Weizen und Zucker. Unruhen in Nordafrika sind erste sichtbare Auswirkungen und verdeutlichen, dass wir rasch handeln und eine gerechtere, nachhaltigere Politik durchsetzen müssen, die letztendlich auch eine veränderte Weltordnung mit sich bringt.
Hintergrund: wachsende Weltbevölkerung und Konsumverhalten
Eine wachsende Weltbevölkerung benötigt nicht nur mehr Energie, Rohstoffe und Lebensmittel, sondern auch viel Platz: Städte werden sich auf Kosten landwirtschaftlich nutzbarer Flächen ausdehnen. Durch Überbeanspruchung, Erosion und Verbauung geht Boden verloren. Verbleibende Flächen sind durch jahrzehntelange intensive Nutzung oft ausgelaugt. Verschärft wird dieses Problem auch durch zunehmenden Wassermangel, verursacht durch Klimawandel und den gewaltigen Wasserverbrauch der Industrieländer. Verantwortlich ist dafür in der Regel nicht nur die morgendliche Dusche, sondern vielmehr der virtuelle Wasserverbrauch, der auch den versteckten Wasserverbrauch mit einrechnet, der in unseren Konsumgütern steckt. Der virtuelle Wasserverbrauch in Deutschland liegt im Übrigen bei über 4000 l Wasser pro Kopf und Jahr. So stecken z.B. in einer Tasse Kaffee rund 140 Liter Wasser, und die Produktion eines Autos benötigt mehrere hunderttausend Liter – das Abwracken ist dabei noch nicht einmal mit eingerechnet (Quelle: WWF).
Auch mehr Dünger und mehr Pestizide können die Erträge vielerorts nicht mehr steigern. 1960 waren weltweit noch 4300 Quadratmeter Ackerland pro Kopf verfügbar, 2005 waren es noch 2300 und bis 2030 werden es nur noch 1800 Quadratmeter sein. Die Energiekrise verschärft das Problem: Etwa zehn Prozent der weltweiten Maisernte werden zu Bio-Sprit statt zu Lebensmitteln verarbeitet.
Zuletzt entsteht Hunger auch durch ein Verteilungsproblem. „Argentinien verbrennt seinen Getreideüberfluss, Amerika lässt in den Speichern sein Korn verfaulen, Kanada hat mehr als zwei Millionen Tonnen Getreide übrig – und in Russland sterben Millionen vor Hunger.“ Es war 1921, als der spätere Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen so klagte. Dass sich daran bis heute kaum etwas geändert hat, macht wenig Hoffnung.
Hintergrund Klimawandel
Warum aber gibt es gerade jetzt solch ausgeprägte Steigerungen – kommt die Weltkonjunktur doch erst langsam wieder auf die Beine? So viele Grund- und Rohstoffe können eigentlich doch nicht schon wieder nachgefragt werden?
Die eine Antwort lautet: Das Klima spielt verrückt oder wir hatten einfach Pech. Dürren in Russland und Kasachstan, trockene Sommer in den USA, Argentinien und Brasilien, überraschende Unwetter in etlichen Teilen der Welt und dann auch noch die Rückkehr längst vergessener Pflanzenkrankheiten wie Getreideschwarzrost – all das hat die Erntemengen empfindlich getroffen. Solche Ereignisse drücken auch die Erwartungen künftiger Ernteerträge, und die Wirkung geht über Nahrungsmittel hinaus: Wenn Pflanzen auf den Äckern vertrocknen, wird es weniger Biodiesel geben, und weil Biodiesel herkömmlichen Sprit ersetzt, steigt auch der Ölpreis.
Es gab zuletzt auch viele Beispiele für Pleiten, Pech und Pannen in der Rohstoffproduktion. Das fing an mit der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Sommer 2010 an, ging mit der Flutkatastrophe in Australien weiter, die etliche Koksminen lahmgelegt hat, was wiederum die Stahlproduktion in Mitleidenschaft zieht – und setzte sich kürzlich damit fort, dass eine wichtige Ölpipeline in Alaska wegen eines Lecks geschlossen werden musste.
Die Preisexplosion, sagen manche Ökonomen, ist bloß die gesunde Reaktion der Märkte auf diese vertrackte Situation: die Kombination eines verknappten Angebots mit einer wieder steigenden Nachfrage. Pech, aber auf lange Sicht nicht so schlimm. Höhere Preise schüfen ja zugleich Anreize, damit Ölförderer mehr Förderkapazitäten schafften, Kohle- und Metallproduzenten fleißiger nach neuen Minen suchten und Bauern mehr in effizientere Bewässerung investierten.
Hintergrund: Spekulation
Doch anderen Experten leuchtet die Geschichte von den sich selbst regulierenden Rohstoffmärkten zum Jahresbeginn 2011 weniger ein als je zuvor. „Es ist eine neue Weltordnung“, erklärte kürzlich Darin Newsom, ein viel zitierter Rohstoffkommentator bei dem Brancheninformationsdienst Telvent DTN. „Vor zehn Jahren hätte noch niemand vermutet, dass der Rohstoffsektor jemals etwas anderes sein könne als der kurzfristig orientierte, volatile, kasinoartige Organismus, der er damals war“, sagt Newsom. „Wer hätte gedacht, dass zehn Jahre später das Rohstoffthema die Finanzmedien dominieren würde und dass börsennotierte Rohstofffonds als die Anlageform der Zukunft gelten würden?“ Bloß hat dieses neu geschöpfte Vertrauen offenbar zur Folge, dass es noch wilder zugeht als früher.
Seit mehr als fünf Jahren haben fachfremde Anleger und Spekulanten, Banken und Brokerhäuser den Handel mit Rohstoffen übernommen. Das sind Leute, die nicht besonders viel Ahnung von der Natur dieser Märkte mitbringen, aber hohe Erwartungen haben.
Wenn die Rohstoffmärkte richtig funktionieren, können sie Bauern gegen künftige Ernteausfälle versichern, Preise für Nahrungsmittellieferungen berechenbarer machen und sogar einen Beitrag zur Hungerbekämpfung leisten. Doch in den falschen Händen sorgen sie für das Gegenteil. Ob Öl, Weizen oder Gold: Die reinen Finanztransaktionen sind heute um ein Vielfaches höher als die zugrunde liegenden Rohstoffmengen.
Die Preise schlagen gewaltig aus, weil die Händler erst wie eine Schafsherde in die eine Richtung rannten und dann in die andere. Viele glauben, dass auch die aktuellen Hochpreise schnell wieder absacken können. Beim Ölpreis zum Beispiel hat sich eine interessante Schere aufgetan: Es sieht so aus, als wetteten viele Insider der Ölbranche gerade auf fallende Preise, weil ihrer Ansicht nach im Grunde genug Öl in der Welt ist. Finanzmarktjongleure jedoch treiben den Preis weiter nach oben. Ähnlich wild sind die Spekulationen bei Kupfer: Zum Jahresende wurde gemeldet, ein einziges großes Handelshaus habe sich 90 Prozent der Vorräte gesichert, die bei der Londoner Metallbörse eingelagert sind. Die Händler an den Märkten reagierten teils begeistert, teils bestürzt. Viele haben noch in Erinnerung, wie Investoren in den achtziger Jahren den Markt für Silber leer kauften und den Preis damit in extrem profitable Höhen trieben.
Die Leute, die jetzt den Ton auf den Rohstoffmärkten angeben, haben ein Problem: Sie wissen kaum noch, wohin mit ihrem Geld. Von „wandering bubbles“ spricht Rolf J. Langhammer, der Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Wandernde Spekulationsblasen. Es gibt einfach zu viel überschüssiges Kapital auf der Welt, Pensionsgelder und Unternehmensrücklagen, deren Verwalter händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchen. Dabei lösen sie Spekulationsblase um Spekulationsblase aus. Mal an den Börsen, mal an den Märkten für Immobilienkredite und mal an den Rohstoffmärkten. Irgendwann kommt dann der Knall, und die Preise stürzen wieder ab.
Hintergrund Verschwendungsfalle
Ein weiteres Problem ist der maßlose Konsum – meist auf Pump – der einerseits Ressourcen verschlingt, aber andererseits Basis unseres Wirtschaftswachstums ist. Die erste Büßergeneration ist schon geboren. Weitere Generationen werden folgen, alle gemeinsam werden sie haften dafür, dass Milliarden Menschen geschlossen in die Verschwendungs- und Verschuldungsfalle liefen. Verschwendung war lange kein Problem, sie war Verheißung und Bedingung des globalen Wachstums zugleich. Eine wachsende Weltbevölkerung verlangte mehr Nahrung, mehr Felder, mehr Dünger, mehr Produkte. Aus Bürgern wurden Verbraucher, die immer mehr konsumieren, auch wenn sie es gar nicht unbedingt benötigen.
Erstmals lässt sich der Preis der Verschwendung nicht allein auf spätere Generationen abschieben, weil gegenwärtige ihn schon zu zahlen haben.
Angehörige der ersten deutschen Büßergeneration haben sich das Geld für den Monat gut eingeteilt, sitzen demnächst aber ratlos vor der Nebenkosten-Nachforderung.
Zu kämpfen hat jedes Land auf seine Weise. Einst fruchtbare Regionen versteppen, weil sich Böden nicht regenerieren können und wie oben beschrieben Wasser knapp wird. Hunger breitet sich aus. Regenwälder weichen Ackerflächen, denn die Viehzucht braucht mehr Soja. Das verschärft den Klimawandel. Der kommerzielle Fischfang könnte zur Mitte des Jahrhunderts kollabieren, weil sich die Bestände kaum noch erholen. Ganze Ökosysteme brechen binnen weniger Jahrzehnte zusammen. Die Welt hatte Rezepte für den Erhalt der Lebensbedingungen einer wachsenden Bevölkerung. Rezepte für den Erhalt der Lebensgrundlage fehlen ihr bislang.
Über Jahrhunderte ließ sich beides nicht trennen. Die Lebensgrundlage, eine einigermaßen intakte Umwelt, war stets maßgeblich für die Lebensbedingungen. Wer von seinen Feldern leben wollte, der musste sie pflegen. Wer jagen wollte, durfte nicht alles erlegen. Angesichts einer überschaubaren Weltbevölkerung war das lange kein größeres Problem. Erst neue Technologien, Chemikalien, Maschinen sprengten die natürlichen Grenzen. Die Umwelt wurde zur lästigen Fessel des Wachstums, die es zu lösen galt. Nur: Das scheint unmöglich.
Lösung Ökologisierung von Produktion und Arbeitsweise
Beim jetzigen Wachstumstempo muss dennoch zwangsläufig die Nachfrage nach der begrenzten Ressource Erdöl das Angebot übersteigen. Wenn Irans Opec-Gesandter für die Zukunft einen Preis von 500 Dollar je Fass prognostiziert, mag das verwegen klingen, ganz ausgeschlossen aber ist es nicht mehr. Ob Spekulation oder reale Rohstoff-Knappheit den Preis treiben, spielt dabei letztlich keine Rolle. Tatsache ist, dass erstmals ein elementares Gut derart im Preis steigt, dass es den gesamten Wachstumspfad in Frage stellt. Das muss gar nicht schlecht sein.
Ein verheerender Antagonismus könnte aufbrechen: der vermeintliche Widerspruch von Ökonomie und Ökologie. Stets galt Umweltschutz zwar grundsätzlich als wünschenswert, im Einzelfall aber als Feind von Industrie oder Arbeitsplätzen, jedenfalls als zu kostspielig. Werden dagegen Lebensgrundlagen rar und teuer, ändert sich das betriebswirtschaftliche Kalkül. Dann ist es plötzlich rentabel, weniger oder andere Energie zu nutzen, auch wenn das zunächst viel kostet. Eine Ökologisierung von Produktion und Arbeitsweise wird zutiefst ökonomisch. Es ist, als begegnete die Wirtschaft erstmals dem ökologischen Imperativ der Nachhaltigkeit. Öko wird zum Trend!
Was das für ein Land wie Deutschland bedeutet, lässt sich kaum übersehen. Selbst hier im Vorzeigeland für Erneuerbare Energien und staatlich geförderten Energieeffizienzprogrammen für Wirtschaft und Privathaushalt1) ist die gesamte Infrastruktur noch auf Verschwendung angelegt. Wir organisieren Mobilität größtenteils mit Verbrennungsmotoren. Wir setzen bei der Erzeugung von Strom fast ausschließlich auf Großkraftwerke, die aus Brennstoffen nicht einmal die Hälfte der Energie holen. Wärme erzeugen wir separat mit Millionen wenig effizienten Gas- und Ölheizungen. Wir verpulvern Energie im Stau, wir jagen sie immer noch durch alte Fenster und Dachstühle oder pumpen sie in Flüsse, die unsere Kraftwerke kühlen.
Gemessen an der Verteuerung von Rohstoffen und einem ungebremsten Klimawandel, ist derzeit kein Land zukunftsfest. Aber kaum eines ist so befähigt wie Deutschland, technologische Antworten zu finden – von neuen Kraftfahrzeug-Antrieben über intelligente Strom- und Verkehrsnetze bis hin zu Erneuerbaren Energien. Auch setzt sich kein anderes Land derart selbst unter Druck. Der Emissionshandel, mit dem Europa den CO2-Ausstoß verteuert, trifft vor allem die deutsche Kohle. Das zwingt zum Pioniergeist auf dem Weg zu effizienteren Strukturen, die langfristig die ganze Welt braucht. Eine dauerhaft bezahlbare, umweltverträgliche Energieversorgung wird eine große Herausforderung und die Verantwortung ist immens.
Sie türmt sich auf wie ein Berg; der Weg hinauf wird für viele sehr teuer. Die Probleme setzen also nicht bereits dann ein, wenn das Glas noch halb voll ist. „Es wird auch noch in hundert Jahren Öl geben“, schreibt der Geologe Peter Gerling in einer Kurzstudie für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Der kritische Punkt sei jedoch erreicht, wenn es nicht mehr in ausreichender Menge bereit steht.
Sichere Rohstoffversorgung wird zur politischen Strategie
Die hohen Preiserwartungen an den Rohstoffmärkten haben aber auch viel damit zu tun, dass Regierungen die sichere Versorgung mit Rohstoffen als strategisches Thema wiederentdeckt haben. Westliche Beobachter registrieren schon seit Jahren nervös den Neokolonialismus der wachsenden Großmacht China, die Entwicklungshilfe und diplomatische Unterstützung in rohstoffreichen afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern leistet und sich im Gegenzug Schürfrechte, Ölförderungslizenzen oder Ackerflächen geben lässt.
Aus Chinas Perspektive geht das gar nicht anders: Das 1,3-Milliarden-Einwohner-Reich kann seinen eigenen Bedarf unmöglich selbst decken und steht zudem in Konkurrenz mit uns im Westen und mit anderen aufstrebenden Großmächten im Süden. Gleichzeitig hat China in den vergangenen Monaten wütende Reaktionen ausgelöst, als es den Export sogenannter Seltener Erden und Seltener Metalle einschränkte, die für die Produktion moderner Elektronik benötigt werden. Politiker legten Protest ein, Industrieverbände schlugen Alarm. Denn die Volksrepublik kontrolliert inzwischen mehr als 95 Prozent des weltweiten Angebots an den wichtigen Metallen, die vor allem in der Elektronik- und Rüstungsindustrie benötigt werden.
Die politische Aufregung hat aber die Rohstoffmärkte erst recht in die Schlagzeilen gebracht. So erklärte der indische Minister für die Kohleversorgung: „unsere oberste Priorität ist es, Kohlegruben zu kaufen“. Bei Boliviens Präsident Evo Morales wurde ein ausländischer Staatschef nach dem nächsten vorstellig, um über die Versorgung mit Lithium zu verhandeln, einem Baustoff für Batterien in Elektroautos. Günther Oettinger forderte, dass die europäischen Staaten ihre Rohstoffbeschaffungspolitik geschlossener betreiben sollten. Der russische Premierminister Wladimir Putin wies wieder einmal auf die gewaltigen Gasvorräte seines Landes hin und schlug mehr Moskauer Mitsprache bei europäischen Energiegesetzen vor. „Der Einsatz von Öl, Gas und anderen Rohstoffen als politische Instrumente“, so glaubt der New Yorker Politikanalyst Ian Bremmer, “ist essenzieller Teil eines Staatskapitalismus.“
Im Herbst wurde in Berlin die Aufregung so groß, dass Industrieverbandschef Hans-Peter Keitel von „einem geopolitischen Thema“ sprach und den nahen Bankrott deutscher Firmen vorhersagte. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle legte eine „Rohstoffstrategie“ auf den Tisch, die das Kabinett im Oktober verabschiedete, und das deutsche Entwicklungshilfeministerium gelobte eine engere Verquickung von Rohstoffinteressen mit Aufbauhilfen.
Das alles geht in eine Richtung – die Rohstoffe gehen aus, wir müssen sie uns notfalls militärisch sichern! – so befördert die Politik noch das Bild einer teuren neuen Welt, in der Industrierohstoffe und Nahrungsmittel wie Gold gehandelt werden.
Ganz falsch ist die Vision tatsächlich nicht. Doch Kritiker aus Umweltgruppen wie der Rohstoffindustrie selbst warnen: Das ist zu kurz gedacht. Bei brennbaren Stoffen wie Öl und Kohle müsse man erst einmal alle Einsparmöglichkeiten ausschöpfen. Viele wiederverwertbare Stoffe würden bislang kaum recycelt. Berechnungen zufolge stecken in einer Tonne alter Handys 300 Gramm Gold, von Seltenen Erden made in China ganz zu schweigen. Experten sehen darin eine große Chance. Besonders für die deutsche Industrie: »Deutschland ist bei den Technologien zur Wiedergewinnung solcher Stoffe führend«, sagt Christiane Ploetz, Rohstoffexpertin beim Verband Deutscher (VDI).
Ausweg (Hightech) Recycling
Es stehen eine große Menge an Forschungsmittel zur Verfügung. Bislang gibt es aber nur Pilotanlagen und noch keinen wirtschaftlichen Durchbruch. Auf der ganzen Welt beschäftigen sich bisher nur eine Handvoll Firmen mit dem Hightech-Recycling – auch urban mining genannt. Doch alle sind sich einig, dass da viel mehr drin ist. Bisher klappt es nicht einmal so recht, dass alte Handys oder Bildschirme in ausreichender Menge bei Wiederverwertern landen ( z.B. wie beim Wertstoffstreit um die Gelbe Tonne Plus – wird in den nächsten Ausgaben genauer behandelt). Und somit bleiben trotz aller Warnungen und Absichtserklärungen viele Möglichkeiten zur Ressourcenschonung ungenutzt. Allein in Deutschland ließen sich 2 bis 5 Prozent der Gesamtkosten der Unternehmen durch gezieltes Umweltmanagement vermeiden. Volkswirtschaftlich könnte Deutschland so 80 bis 200 Mrd. Euro jährlich einsparen, meint Prof. Maximilian Gege, Vorsitzender des Bundesdeutschen Arbeitskreises für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.e.V.). Eine Studie des Club of Rome bestätigt diese Zahlen. Eine effizientere Ressourcennutzung könnte überdies eine Million neuer Arbeitsplätze schaffen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und den Staatshaushalt entlasten. Das ergaben wissenschaftliche Studien, die die unabhängige Aachener Stiftung Kathy Beys in Auftrag gab. „Höhere Ressourcenproduktivität muss in Politik und Wirtschaften zum Top-Thema werden“, fordert Stiftungsvorstand Stephan Baldin.
Energiesparwettbewerb am Arbeitsplatz – Greentrac 2) macht’s möglich!
Seinen Beitrag zur CO2 Einsparung kann nun jeder auch einfach am Arbeitsplatz messen. Die Karlsruhe Technology Consulting (KTC) ist spezialisiert auf die Modellierung und Optimierung von Geschäftsprozessen sowie deren Integration in die IT-Infrastruktur von Unternehmen. KTC bietet dabei von der Analyse, über die Integration bis zur Auswertung von Kennzahlen alles aus einer Hand. Darüber hinaus ist KTC Europadistributor der Smart-Meter-Software „Greentrac“ und Gründungsmitglied der Green Software Community.
Greentrac ist eine neuartige Software zur Steigerung der Energieeffizienz. Basierend auf dem Smart Meter-Prinzip hilft es, die Ressourcenverschwendung im Unternehmen zu minimieren. Die Software bietet dazu eine vollständige Übersicht über den Energieverbrauch sowie die CO2-Emissionen aller Firmen-PCs im Unternehmen. Die Verbrauchsdaten kann sich jeder Mitarbeiter über ein Webportal anzeigen lassen und anonymisiert mit den Ergebnissen seiner Kollegen oder anderer Abteilungen vergleichen. Der Wettbewerbsgedanke spielt beim Stromsparen eine große Rolle, besonders in Verbindung mit intelligenten Anreizsystemen wie z. B. speziell entwickelten Bonusprogrammen zur Förderung der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus erfasst Greentrac auch den Papierverbrauch jedes einzelnen Netzwerkdruckers im Unternehmen und sensibilisiert die Mitarbeiter für ein ressourcenschonendes Verhalten. „Ziel war es, jedem einzelnen Beschäftigten seinen individuellen Ressourcenverbrauch vor Augen zu führen“, so Peter Steffek, Geschäftsführer von KTC „Bei uns gab es nach der Einführung von Greentrac regelrechte Energiesparwettbewerbe, unser Team war hoch motiviert und hat den PC zum Beispiel während längerer Besprechungen oder in der Mittagspause heruntergefahren.“ Angesichts des Erfolgs im eigenen Unternehmen bemühte sich KTC um die Distributionsrechte der Software für Europa. Heute vertreibt KTC „Greentrac“ nicht nur, sondern unterstützt die Kunden auch bei der erfolgreichen Einrichtung und Anwendung der Software.
Auf Wunsch können sogar weitere elektrische Verbraucher, wie z. B. Klimaanlagen sowie der Gas- und Wasserverbrauch in den Statistiken erfasst und transparent gemacht werden.
Firmen und Projekte, die sich mit dem effizienten Umgang mit Rohstoffen beschäftigen, werden auch in den nächsten Ausgaben Sonnenenergie vorgestellt.
Ausblick:
„Die Rohstoffknappheit entpuppt sich also noch nicht als eigentliches Problem. Unser Umgang mit den Rohstoffen ist die entscheidende Frage.“ Zu diesem Schluss kam kürzlich eine Studie des VDI. Umfassendes Recycling und unser Konsumverhalten werden darüber bestimmen, ob und in welchem Maße wir unseren Planeten – so wie wir ihn kennen – erhalten können. Nachhaltiges Wirtschaften wird eines der wichtigsten Themen und politischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte sein. Die noch vorhandene Verschwendungssucht auf Pump werden wir uns bald aus ökonomischen und ökologischen Gründen nicht mehr leisten können. Das bisherige Wirtschaftsmodell der meisten Industrieländer beruht bislang überwiegend auf maßlosen Konsum und wird zwangsläufig zum Auslaufmodell. Die Wirtschaft wird sich schnell von der „Geiz ist geil“ und „jetzt kann sich jeder alles leisten“ Mentalität verabschieden müssen, wollen wir nicht großflächige, soziale Unruhen provozieren. Aber auch jeder einzelne kann mit einem nachhaltigen Konsumverhalten seinen eigenen Beitrag zum effizienten Umgang mit Ressourcen leisten. Im nächsten Teil der Serie steht die Ressource Wasser im Mittelpunkt.
Gunnar Böttger