Eine regenerative Weltreise
Im energieautarken Elektrofahrzeug bereist Marc Müller weltweit lokale Nachhaltigkeitsprojekte
Wer träumt nicht dann und wann von der großen Reise, dem Aufbruch in die Ferne, dem Erkunden fremder Länder? Reisen rund um die Welt sind in der heutigen Zeit keine Besonderheit mehr, jedoch verursachen Sie CO2.
Dieses Thema nahm Marc Müller, Initiator des Project ICARE, ernst und plante eine CO2-neutrale Weltreise. Er kombinierte ein möglichst leichtes und effizientes Elektrofahrzeug mit einem speziell für diesen Zweck entwickelten Anhänger als mobiles regeneratives Kraftwerk. Eine Photovoltaik-Fläche und ein kleines Windrad für die stationär verbrachten Stunden würden sein ständiger Begleiter werden auf dieser Weltreise. Konsequent ging es an die Konstruktion eines Reisegefährtes, welches möglichst enerqieautark sein sollte.
Die Idee
Die Idee hinter dem ICARE Projekt ist es, in über 30 Ländern persönliche Eindrücke und Erfahrungen zum Thema nachhaltige Entwicklung zu sammeln. Als kleine globale Studie richtet Marc Müller den Blick darauf, wie die unterschiedlichen Kulturen mit Nachhaltigkeit umgehen, betrachtet lokale Projekte und Ansätze.
„Wir entschieden uns, ein Fahrzeug zu bauen, welches unseren Prinzipien gerecht wird und diese auch kommuniziert.“ erklärt der Ingenieur. „Dieses hat viele Funktionen, es transportiert je zwei Personen aus unserem Team, aber auch das gesamte Campingmaterial, welches wir während der Reise brauchen. Es ist unser Studio mit zwei Computern, drei Kameras und einer Menge technischer Ausrüstung.“ Nicht zuletzt sorgt ein solar erwärmter Wassertank für die tägliche, meist warme Dusche.
Das Fahrzeug
Als Basisfahrzeug für diese ungewöhnliche Reise dient ein TWIKE. Es wiegt schon im Serienzustand nur ca. 300 kg und wurde wie vermutlich jeder einzelne Gegenstand, der mit auf diese Tour ging, noch einmal gewichtsoptimiert. Das TWIKE ist kurz beschrieben ein dreirädriges Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h, es bietet Platz für zwei Personen und Gepäck im Stauraum hinter den Sitzen. Es wurde bisher ca. 950 Mal gebaut und hat in Touren zum Nordkap (1998) oder ans Schwarze Meer (2005) bereits mit mehreren Fahrzeugen gezeigt, dass elektrische Mobilität auch über längere Strecken schon lange möglich ist. Wo bisher allerdings eine gute Planung und manchmal auch viel Glück und Gastfreundschaft für eine Steckdose gesorgt haben, wollte man sich nun unabhängig machen.
Der dafür extra konstruierte und hergestellte Anhänger besteht aus einem Röhrensystem mit 35 verschiedenen Rohrarten, wiegt nur sagenhafte 25 kg und beherbergt ein Photovoltaiksystem mit 1.584 Wp und ein kleines aufstellbares Windrad mit 2.500 Wp. Zur Sicherheit, man schläft ja immerhin auch im Zelt beim Fahrzeug, ist auch ein kleiner Bioethanol Generator mit an Bord, dieser liefert 650 W.
Die Strecke
Die Strecke führt über vier Kontinente und durch 30 verschiedene Länder. Im Mai 2010 fiel in Yverdon-les-Bains am Neuenburgersee in der Schweiz der Startschuss. Die Reise ging zunächst nach Tunesien, Marokko und weiter mit dem Schiff in die USA. Im August war das Team in New York, im November erreichte es Los Angeles, wo es nach Guayaquil, Ecuador, in See stach.
Ein Highlight der Etappenstrecke durch die USA war sicherlich die Überquerung der Rocky Mountains. Im Oktober erreichte Marc Müller auf 4.300 m Höhe den Pikes Peak und stellte sein Windrad auf. Das Bewusstsein, bergab für den Antrieb erst mal keinen Strom mehr zu benötigen, dürfte den atemberaubenden Ausblick noch verschönert haben.
In der nächsten Etappe wird Lateinamerika von Nord nach Süd durchquert. Um der sprachlichen Hürde des neuen Kontinents gewachsen zu sein, ist Svetlana mit dabei, die Spanisch spricht. Als weitere Reisebegleitung ist ein Hund zum Team gestoßen. „Pita“ wird die beiden durch den neuen Kontinent begleiten und wird auf der auf Gewicht bedachten Bordliste unter „Vergnügen“ geführt.
Von Argentinien aus soll es dann weitergehen mit der Fähre nach Hong Kong und von dort über die weiten Landschaften Asiens. Im Oktober 2011 wollen die Weltreisenden wieder in der Schweiz ankommen.
Energie
Um auch ein paar Zahlen zu nennen: Das Projekt ICARE kommt trotz voller Beladung und Anhänger bisher mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 7,1 kWh/100 km aus. Das Gesamtgewicht mit Anhänger und Gepäck liegt bei 460 kg. Bisher wurden 607 kWh verbraucht, 316 davon kamen direkt aus der Sonne über die PV Zellen ins Fahrzeug, 15 über das Windrad, welches ja nur während der Standzeiten im Einsatz sein kann. 45% der für Antrieb und Elektronik (Rechner) benötigten Energie kam aus dem Generator, absolut betrachtet sind dies jedoch nur ca. 27 l bei zurückgelegten 8.483 km!
In Nordafrika war die Tour vollständig verbrennungsfrei: Hier fuhr das Elektrofahrzeug mit 95% Solarstrom und 5% Windstrom. In Nordamerika regnete es zu 80% der Zeit, hier steuerte die Sonne 55%, der Wind 5% und der Generator 40% der Energie bei.
An schnellen Tagen geht es 220 km weiter bei schönem Wetter, im Durchschnitt werden 110 km zurück gelegt.
Mein Fazit
Ich mag Komfort, das gebe ich zu. Mir reicht es, wenn sich ein Fahrzeug aus der Steckdose ernährt. Ob die Elektronen dann wirklich aus der PV-Anlage kommen oder mein grüner Stromvertrag nur in der Gesamtsumme betrachtet grün ist, traue ich mich zu vernachlässigen. Auch wenn Projekte wie ICARE in ihrer Konsequenz nicht für die Allgemeinheit umsetzbar sind (man stelle sich alleine die Parkplatzsituation durch die Solaranhänger vor), sind sie leuchtende Botschafter. Sie zeigen, was im Extrem, aber auch schon im Alltag möglich ist.
Also, was ist möglich?
- Leichte Fahrzeuge mit extrem niedrigem Verbrauch sind möglich;
- Regenerativer Betrieb von Elektroautos ist möglich;
- Leichte Elektrofahrzeuge heute regulär zu kaufen ist möglich;
- Im Alltag 100% regenerativ mobil sein ist möglich.
Im Moment berichtet die Newsspalte auf ICARE.ch von der Rundfahrt des peruanischen Umweltministers Antonio Brack Egg im ICARE TWIKE. Er ist nicht der erste Umweltminister, der auf dieser Reise im Elektrofahrzeug sitzt und wird vermutlich auch nicht der letzte sein. Ich hoffe, Project ICARE gibt weltweit Denkanstöße. Wer Herrn Müller übrigens auf einem Abschnitt seiner Reise unterstützen, sponsern oder begleiten möchte, ist herzlich willkommen.
– Auf eine solare Mobilität! –
„Initiator des Projektes“
Marc Müller
Offen für Fragen, Anregungen, Spenden oder Sponsoring.
info(at)projet-icare.ch
Barbara Wilms