Wachstum bis an die Grenze der Stabilität
26. Symposium Photovoltaische Solarenergie, Kloster Banz: Wie all die Jahre zuvor sehr gut besucht, war das mittlerweile zum 26ten Mal durchgeführte Symposium Photovoltaische Solarenergie, auch dieses Jahr ein großer Erfolg. Der Dank gilt dabei vor allem der gewohnt guten Organisation durch das OTTI-Team, der äußerst ansprechende Rahmen durch das Kloster Banz zu Bad Staffelstein tat sein übriges. Vom 2. bis 4. März durfte sich Oberfranken wieder einmal als ausgezeichneter Gastgeber für die PV-Expertenszene präsentieren.
Ausbau 2010
Die Photovoltaik (PV) ist zwar noch ein ganzes Stück davon entfernt, das öffentliche Netz der Stromversorgung voll auszulasten, doch hat sie durch den Zubau der letzten Jahre eine Größenordnung erreicht, bei der ohne entsprechende Anstrengungen sicher bald kein reibungsloser Ablauf mehr möglich sein wird. So nahm das Thema Netzintegration auch einen zentralen Platz bei dem diesjährigen Branchentreffen ein. Die installierte Leistung, nach dem letztjährigen Zubau von 7 GWp, hat mittlerweile etwa 17 GWp erreicht. Im Jahresdurchschnitt trägt die Solarenergie damit zu 2% zur deutschen Stromproduktion bei.
„Damit das Stromnetz auch weiterhin voll funktionstüchtig bleibt, muss es für das Ökostrom-Zeitalter gerüstet werden. Erzeuger, die das schwankende Angebot der Sonne nutzen, müssen technisch so ausgestattet sein, dass sich das Angebot mit der nur schwer zu beeinflussenden Nachfrage der Verbraucher in Einklang bringen lässt.“ erklärt Dr. Philipp Strauß, der fachliche Leiter des Symposiums.
Ausbau bis 2050
Achtzig Prozent regenerativ erzeugter Strom im Netz bis zum Jahr 2050 ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, so Dipl. Ing. Cornelia Viertel vom BMU. Der Weg dorthin und die Rolle der PV wurde ausgiebig diskutiert. So könnten PV-Anlagen bei Netz-Störungen stabilisierend wirken und zur Frequenzerhaltung im Netz beitragen, ein Überangebot könnte gespeichert werden. Eine jährliche Zubauleistung um die 5 GWp sieht Carsten Körnig vom BSW als sinnvoll an, um mit der Netzintegration und der Akzeptanz des Verbrauchers keine Schwierigkeiten zu bekommen. Um langfristig Grundlastkraftwerke wie z.B. Atomkraftwerke zu verdrängen, werden jedoch 20 bis 30 Prozent PV-Strom im Netz benötigt. Laut Prof. Volker Quaschning vom HTW in Berlin sind hierfür allerdings 8 GWp Zubauleistung pro Jahr nötig. Er rechnet im übrigen schon 2013 damit, dass in den ersten Haushalten eine kWh Solarstrom genau so viel wie der Strom aus der Steckdose kosten wird.
Bayern: Juni 2011, Sonnenschein
PV-Leistung im Netz: 17 GW, im Vergleich dazu die Minimallast in Deutschland: ca. 40 GW, die Maximallast: ca. 80 GW und die Kapazität zur Primärregelung im Sekundenbereich: 3 GW. Auch wenn die PV-Leistung unter Spitzenbedingungen definiert ist und diese nur sehr selten unter realen Bedingungen auftreten, so übernimmt der Solarstrom an sonnigen Tagen einen nicht ganz unerheblichen Anteil an der Stromversorgung, der allerdings wetterbedingt starken Schwankungen unterworfen ist. Im Jahresdurchschnitt liegt der deutsche PV-Strom-Anteil bei 2%. Mittags im Juni und bei Sonnenschein liegt er bei ca. 14% und in Bayern sogar bei gut 30%.
An einem sonnigen Sommertag wird in Bayern also heute schon etwa jede dritte Kilowattstunde mittels einer Solarstromanlage erzeugt. Dr. Strauß: „Dies bedeutet neben technischen auch finanzielle Herausforderungen, denn das Netz muss diese Leistungen aufnehmen können.“ Mit „Netz“ ist vor allem das Niederspannungsnetz gemeint. 80% aller installierten PV-Anlagen sind niederspannungsseitig an das öffentliche Netz der Stromversorgung angeschlossen. Diese Anlagen tragen nach heute geltenden Vorschriften aber nicht zum Netzmanagement bei. Ob die Netze ausgelastet sind oder nicht, im Niederspannungsnetz verhalten sich PV-Anlagen immer gleich: sie speisen ein, so viel sie können.
Die „50,2-Hertz-Problematik“
Sollte die Netzfrequenz aufgrund von zu hohem Angebot ansteigen, so werden PV-Anlagen bei Erreichen von 50,2 Hertz einfach abschalten. Und zwar schlagartig und vollkommen konform mit den geltenden Vorschriften. Wenn das zu hohe Angebot gerade von diesen PV-Anlagen kam, so bricht das Angebot mit Erreichen der Schwelle im gesamten betroffenen Netzgebiet ein. Die Nachfrage durch die angeschlossenen Verbraucher wird immer noch vorhanden sein, die verbleibenden Kraftwerke in diesem Netz können die Lücke nicht von einer Sekunde auf die andere füllen, es droht ein Kollaps.
Wechselrichter könnten helfen das Niederspannungsnetz zu
stabilisieren
Dabei wären die PV-Anlagen sogar in der Lage, das Netz zu stabilisieren, wenn man sie denn lassen würde. Steigt die Frequenz, könnten z.B. die Wechselrichter die Einspeiseleistung solange begrenzen, bis die Frequenz wieder auf die normalen 50 Hertz gesunken ist. Oder aber die Wechselrichter gehen in geordneter Reihenfolge vom Netz. Je nachdem, wie stark die Frequenz steigt, schalten sich die Wechselrichter nach und nach ab. Steigt z.B. die Spannung, könnten Wechselrichter Blindleistung einspeisen und so aktiv zur Spannungshaltung beitragen. Über eine Anpassung in der Software der Wechselrichter wäre das bei alten und neuen Geräten zu bewerkstelligen, sagt Herr Dr. Bernd Engel, Arbeitskreissprecher für Netzfragen beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW).
Das Problem ist erkannt, eine Lösung würde zusätzlich zur Netzstabilität beittragen, was fehlt also noch zur Umsetzung? Die Regelungen im Detail, denn dort steckt bekanntlich der Teufel. Wie soll der Anlagenbetreiber bei einem Ausfall vergu?tet werden, wenn die Wechselrichter die Einspeiseleistung begrenzen? Wer soll die Handwerker bezahlen, die bei den 600.000 bis 800.000 Wechselrichtern im Bestand Einstellungen an der Software vornehmen? Für die Anlagenbetreiber muss einerseits Bestandschutz gelten, andererseits sehen die Netzbetreiber die PV-Anlagenbetreiber in der Pflicht, sich an dem Lastmanagement zu beteiligen. „Die Solarbranche will handeln“ bekräftigt Strauß, „Die Netzbetreiber haben aber die Richtlinie (Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz) noch nicht angepasst. Ohne gültige Richtlinie können in PV-Systemen keine Änderungen vorgenommen werden“. Carsten Körnig, Geschäftsführer des BSW, sagte zu, das in den nächsten Wochen anzugehen. Richtlinien lassen sich jedoch nicht so schnell überarbeiten, schon gar nicht so rasch wie die Geschwindigkeit in der PV-Entwicklung momentan.
Zwischen raten und hoffen: die zukünftige PV-Zubauleistung
Die Entwicklung der PV-Branche, insbesondere bezogen auf die Zubauleistung in diesem und in den kommenden Jahren, war ein viel diskutiertes Thema. Frau Cornelia Viertl vom Bundesumweltministerium (BMU) in Berlin möchte, dass die Erneuerbaren Energien bezahlbar bleiben. „Die Photovoltaik spielt mit ihrer im Vergleich zu den anderen erneuerbaren Energiequellen relativ hohen Vergütung dabei nicht die große Rolle.“ Für Sie stellt sich die Frage, welche Rolle die PV im Konzert der Regenerativen Energien spielen sollte, speziell wie groß der Zubau und damit die installierte Summenleistung in der Zukunft sein sollte. Der Zielkorridor für den Zubau, den die Bundesregierung u?ber die Festlegung der Degressionsstufen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt hat, beträgt 3,0 GW. Nach der PV-Roadmap 2020, dem Wegweiser der deutschen Solarwirtschaft, soll die installierte PV-Leistung 2020 zwischen 52 und 70 GW liegen. Dies entspräche einem durchschnittlichen jährlichen Zubau zwischen 3,5 und 5,5 GW.
Prof. Dr. Volker Quaschning von der HTW Berlin ging in seinem Vortrag ganz explizit auf den erwarteten, den aus seiner Sicht nötigen und den möglichen Zubau ein. Die Grafik von Herrn Quaschning zu verschiedenen Zubauszenarien ist sehenswert (Bild 3). Zwischen Stagnation und Explosion ist jedes denkbare Szenario in den letzten Jahren einmal erstellt worden. Zum möglichen Ausbau sagt Herr Quaschning: „Für eine vollständig regenerative Elektrizitätserzeugung ist in Deutschland langfristig ein PV-Anteil von 20 bis 30% sinnvoll. Das bedeutet bis 2030 eine installierte PV-Leistung von 150 bis 200 GW. Der dafür nötige jährliche Zubau an PV-Leistung beträgt 6 bis 8 GW.“ Das Gesamtpotential von rund 200 GW kann aber nur erschlossen werden, wenn entsprechende Speicherkapazitäten geschaffen werden. Da dafür Zeit benötigt wird, ist aus technischen Gründen ein jährlicher Zubau von mehr als 5 bis maximal 10 GW nur schwer zu realisieren.
Den Zielkorridor der Bundesregierung von 3,0 GW pro Jahr kommentiert Herr Quaschning am Ende seines Vortrags folgendermaßen: „Die Zubauraten der Regierung sind so gestaltet, dass die PV-Leistung der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke nicht in die Quere kommt.“
Zum Abschuss der Zubaudisskussion sei noch erwähnt, dass die Netzbetreiber bei der Berechnung der EEG-Umlage auf den Strompreis, der ja dieses Jahr mit 3,5 Cent pro kWh Akzeptanzprobleme ausgelöst hat, letztes und dieses Jahr mit 9,5 GW Zubau gerechnet haben. Es wird spannend, ob hier und dort ein Netzbetreiber nach dem nach unten korrigieren des Zubaus und damit auch der EEG-Umlage nächstes Jahr eine Strompreiserhöhung konstruieren kann.
Das Ende des investorientierten Marktes?
Götz Fischbeck von der BHF Bank aus Frankfurt kommt in seinem Beitrag „PV Märkte 2011 und 2012 – wie entwickelt sich die Nachfrage?“ zu dem Schluss, dass der investorientierte Markt im nächsten Jahr mehr oder weniger zum Erliegen kommen wird. Tatsächlich könnten die kleineren und mittleren PV-Anlagen schon 2012 Strom zu Preisen liefern, die knapp unterhalb von dem liegen, was Versorger für Endkunden am Niederspannungsnetz als Bezugsstrom verlangen. Übliche Preissteigerungsraten bei Netzbezugsstrom und die angekündigte Absenkung der PV-Vergütung zum 30.06. und zum 31.12. würden dazu führen, dass sich die Kurven der Haushaltsstrompreise und der Einspeisevergütung für PV-Anlagen schneiden.
Die Wirtschaftlichkeit der Eigenstromnutzung unter Berücksichtigung der Preisentwicklung von vermiedenem Bezugsstrom und der Eigennutzungsquote würde dann deutlich interessanter. Für Investoren, also für den investorientierten Markt, stellt sich dann die Frage, inwieweit die Eigenstromnutzung mit in die Berechnung der Anlagen aufgenommen bzw. wie viel des erzeugten Stroms vor Ort verbraucht werden kann. Die notwendigen vertraglichen Regelungen bei größeren Anlagen aber auch die technische Umsetzung sind ein spannendes Thema. Der Knackpunkt: wie werden sich die schwer bestimmbaren Unbekannten Preissteigerung und Eigennutzungsquote entwickeln? Diese beiden Größen müssen kalkuliert werden, um die Wirtschaftlichkeit innerhalb der 20 jährigen Betriebsdauer zu berechnen. Sollte eine Eigenstromnutzung weder möglich noch sinnvoll sein, stellt sich die Frage, ob überhaupt noch eine für Investoren interessante Rendite erzielt werden kann.
Netzparität und Eigenstromnutzung
Durch die immer näher kommende Netzparität, der Angleichung von Haushaltsstrompreisen und Einspeisevergütung, erhält die Eigenstromnutzung auch ohne explizite Förderung eine größere Bedeutung. Ist die solare Herstellung von Strom günstiger als der Bezug aus dem Netz, würden viele Anlageneigentümer ihren PV-Strom immer zuerst selbst nutzen. Mehr noch, sie würden alles daran setzten, Verbrauch und Erzeugung möglichst gut zur Deckung zu bringen. In einem weiteren Schritt würde man versuchen, durch Speicherung den Anteil des selbst genutzten Stroms noch weiter zu erhöhen. Denn der Grundsatz der Eigenstromnutzung lautet: „Je mehr Solarstrom selbst genutzt wird und je teurer die kWh vermiedener Netzstrom, desto wirtschaftlicher wird die Eigennutzung des erzeugten Solarstroms.“
Die Voltwerk Electronics GmbH hat mit ihrem integrierten Energie-Managementsystem VS 5 hybrid eine Möglichkeit aufgezeigt, die Eigennutzungsquote von 30%, was dem Durchschnitt ohne besondere Maßnahmen entspricht, auf ca. 70% zu erhöhen. Der VS 5 hybrid ist eine Kombination eines 5 kW Wechselrichters, einer Lithium-Ionen Batterie mit einer Kapazität von 8,8 kWh sowie einem Managementsystem. Die Speicherung von Solarstrom gibt dem Betreiber einer PV-Anlage die Möglichkeit, auch in lichtschwachen Zeiten, wie morgens, abends oder nachts, seinen Eigenbedarf mit PV-Strom abzudecken. Die Energie wird entweder direkt aus der PV-Anlage in das öffentliche Stromnetz eingespeist, dem Speicher entnommen oder gleichzeitig aus beiden Quellen bereitgestellt. Nur wenn aus diesen nicht genug Energie zur Verfügung gestellt werden kann, wird auf das öffentliche Stromnetz zurückgegriffen. Im Falle eines Netzausfalls operiert das System zudem autark. In den Sommermonaten kann so eine 100%-ige Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz erreicht werden. Voltwerk erhielt für das Produkt den Innovationspreis des Symposiums.
Nach dem Symposium ist vor dem Symposium
In diesem und im kommenden Jahr stehen wir also (immer noch) vor bewegten Zeiten in der PV. Ohne Systemdienstleistungen wie Frequenz- und Spannungshaltung wird Solarstrom nicht mehr reibungslos in unsere Netze integriert werden können. Mit der Entwicklung der zugehörigen Technik können wir uns eine weitere zukunftsorientierte Technologie schaffen. Um den „investorientierten Markt“ vielleicht doch nicht wegbrechen zu lassen, könnte das in der letzten Ausgabe der SONNENENERGIE vorgestellte Konzept der „PV-Miete“ möglicherweise Abhilfe schaffen. Dabei wird der finanzielle Vorteil der Eigenstromnutzung ausgenutzt, um einerseits für den Investor attraktive Renditen zu realisieren und gleichzeitig den Gebäudeeigentümer über übliche Dachnutzungsgebühren hinaus profitieren zu lassen. An Chancen und guten neuen Ideen mangelt es also nicht. Nächstes Jahr im März wird man auf eine EEG-Novelle zurückblicken, der Zubau wird sich sicherlich nicht ein weiteres mal in Folge im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben, und es werden mindestens zwei Degressionsstufen ins Land gegangen sein. Man wird sich zum 27. Symposium Photovoltaische Solarenergie treffen und es wird wieder der Geist des Klosters zu spüren sein.
Björn Hemmann