Eine gute I.D.E.E.
Die Vertreter der Erneuerbaren Energien haben auf der nationalen Plattform zur Förderung der Elektromobilität ein Konzept vorgelegt, das die Netzverträglichkeit belohnen soll.
Auch wenn der Mensch unzählige Dinge unternimmt, die sich nicht „rechnen“, so muss man dennoch zur Kenntnis nehmen, dass Geld eine große Rolle spielt. Gerade das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) hat der Welt gezeigt, welche gewaltige Akzeptanz eine neue Technologie erfahren kann, wenn man dafür sorgt, dass sie „sich rechnet“. So erreicht man neben den Enthusiasten auch die restliche Bevölkerung, und nur so kann aus einer guten Idee eine Technologierevolution werden.
Genauso wie die Erneuerbaren Energien sollte auch die Elektromobilität vom Staat aktiv gefördert werden, um die seit Jahrzehnten herrschende Marktverzerrung zu Gunsten der schädlichen Erdölmobilität schrittweise abzubauen und die Elektrofahrzeuge zu einem Massenprodukt zu machen.
Subventionen und die TCO-Lücke
Im Neusprech der Wirtschaftswelt wird oft die „TCO-Lücke“ zitiert. TCO steht für „Total Cost of Ownership“, also einer theoretischen, wenn auch meist recht isolierten Betrachtung aller Kosten, die mit der Nutzung eines Produktes einhergehen. Die bei der Elektromobilität zu erwartenden Mehrkosten (TCO-Lücke) gehen primär auf die hohen Preise der Stromspeichertechnik zurück. Da ähnlich wie bei der Photovoltaik auch hier vor allem die Massenproduktion zur Kostensenkung führen wird, muss für den Käufer deutlich ersichtlich sein, dass sich ein Elektromobil „rechnet“. Wenn es zusätzlich noch mehr Spaß beim Fahren macht, weniger stinkt und gut für das Umweltgewissen ist, dann um so besser.
In den meisten Länder wird zur Förderung der Elektromobilität eine direkte Subvention an die Käufer gezahlt, so wie es auch in Deutschland im Rahmen der „Abwrackprämie“ für normale Verbrennungsautos erfolgt ist. Die Höhe dieser staatlichen Zuschüsse schwankt in den jeweiligen Ländern, liegt aber meist um die 5.000 Euro je Fahrzeug.
Derartige Subventionen sind sehr einfach zu organisieren und führen auch zur Steigerung des Absatzes von Elektrofahrzeugen. Das Modell hat aber gravierende Mängel: zum einen werden die Hersteller die Subvention immer direkt auf den normalen Verkaufspreis aufschlagen und zum anderen ergibt sich keinerlei nennenswerte Lenkungswirkung hin zu wirklich innovativen Technologieentwicklungen. Schlechte Technik wird genauso hoch subventioniert, wie gute Lösungen. Jedoch ist mit schlechter und billiger Technik in der Regel mehr Geld zu verdienen.
Erneuerbare und Netzintegration
Eigentlich sollte man bei der Förderung der Elektromobilität aus der Geschichte der Erneuerbaren Energie lernen. Sie wurden und werden systematisch unterschätzt. Dies gilt vor allem für die Energiewirtschaft, da diese meist aus ideologischen Gründen das gewaltige Potential der Erneuerbaren nicht erkennen will. Bereits zweimal haben die Netzbetreiber das Stromnetz unnötig in einen „Krisenzustand“ versetzt und somit dem Bundesbürger unnötige Kosten verursacht. Erst waren es die Netzanschlussbedingungen für die Windkraft. Als man erkannte, dass die Einhaltung dieser Vorschriften zu einem massiven Netzproblem führen kann, wurde der Windkraft eine netzstützende Funktion erlaubt. Die ab 2010 notwendige Nachrüstung der Altanlagen wird mit dem Systemdienstleistungsbonus (SDL) refinanziert.
Das gleiche Fiasko vollzieht sich nun ein zweites Mal bei der Photovoltaik. Die Netzbetreiber haben vor vielen Jahren festgeschrieben, dass sich die PV-Anlagen bei einer Netzfrequenz von 50,2 Hertz unverzüglich (binnen 200 Millisekunden) abschalten müssen. Mitte 2009 ist einigen Netzfachleuten jedoch aufgefallen, dass die Einhaltung ihrer eigenen Vorschriften aber nun zu massiven Netzproblemen führen kann. Denn alleine in Deutschland gibt es bereits mehr als 15 Gigawatt PV-Leistung. Eine schlagartige Abschaltung würde vermutlich das europäische Netz kollabieren lassen. Selbst Anfang 2011 war noch keine Lösung beschlossen und wer die absolut unnötigen Nachrüstungskosten für 15 GW PV-Wechselrichter (rund drei Millionen Geräte) zahlen soll, ist auch völlig offen.
Was hat das mit dem Elektroauto zu tun? Wir sind dabei, den gleichen Fehler ein drittes Mal zu wiederholen.
Das Massenprodukt „E-Fahrzeug“
Im Gegensatz zu PV und Wind erstellen die Netzbetreiber bereits heute Simulationen über die Netzverträglichkeit von E-Mobilen. Obwohl es noch kein entsprechendes E-Auto gibt, wird im ganzen Land bereits von deren Potentialen zur Netzstützung gesprochen. In der Theorie ist das alles ganz nett. Es hat lediglich mehrere Haken:?
- a) Die Automobilindustrie steht unter einem extremen Kostendruck und wird somit nur die Technik verbauen, die dem Autokäufer einen erkennbaren Nutzen (Mehrwert) verspricht.
- b) Das Elektroauto ist ein Stromverbraucher und kein Produzent. Für derart kleine Verbraucher (3-11 kW) gibt es keine „Netzanschlussbedingungen“.
- c) Selbst wenn aus der Sicht des E-Autobesitzers das „Betanken“, also das Einstecken des Steckers in die Steckdose, nur 30 Sekunden dauert, werden die meisten Elektroautos erst dann an das Netz gehängt, wenn der Akku so gut wie leer ist ... wie die aktuellen Flottenversuche erneut bestätigt haben?
Die einzige logische Konsequenz ist, dass trotz all der netzstabilisierenden Potentiale, die im Massenprodukt „E-Auto“ stecken, die Autos nicht die notwendige Technik (a) mitbringen werden, weil der Kunde davon keinen Vorteil hat und es keinen Zwang (b) zu einem netzfreundlichen E-Auto gibt. Zusätzlich werden die Autos sowieso nur dann am Netz hängen, wenn der Akku ganz schnell voll werden soll (c) und somit kein zeitliches Fenster für Lastverlagerungen gegeben ist.
Da Entwicklungen in der Automobilindustrie einen sehr langen Vorlauf haben, erprobte Lösungen dann aber in vielen unterschiedlichen Blechkleidern über lange Jahre in Millionenstückzahlen auf den Markt kommen, gilt es heute die Weichen für das Jahr 2020 zu stellen. Wenn es uns nicht gelingt, dann bringen wir das Stromnetz erneut unnötig ins Wanken.
Das Förderkonzept der I.D.E.E.
Um dieser möglichen Fehlentwicklung entgegenzuwirken, hat die EE-Branche die „Innovationsförderung in Deutschland für Erneuerbare Elektromobilität“ (kurz I.D.E.E.) vorgeschlagen. Die I.D.E.E. ist ein ganzheitliches Förderkonzept, welches durch einen einfachen Mechanismus indirekt in den Themenbereichen Antriebstechnologie, Batterie und Infrastruktur wirkt. Es fördert dort den Wettbewerb um die beste Technologie und erzeugt Innovationsdruck bei Produktqualität und den im Wettbewerb stehenden Systemkonzepten zur Netzintegration.
Mit der I.D.E.E. soll nicht nur der notwendigen Technik zur Marktreife verholfen werden, sondern die Innovationsförderung soll helfen, dass „Made in Germany“ zu einem Synonym für netzfreundliche Elektrofahrzeuge wird.
Deutschland hat ein sehr stabiles und leistungsfähiges Stromnetz, weshalb kurzfristig besonders netzfreundliche Stromverbraucher (E-Mobile) nicht zwingend erforderlich sind. Jedoch haben nahezu alle Exportmärkte eher instabile Stromnetze. Netzfreundlichkeit wäre somit ein positives Verkaufsargument für deutsche Elektrofahrzeuge.
Nur in Deutschland sind die grundlegenden Effekte der dezentralen Erneuerbaren Energien bereits flächendeckend im Stromnetz, vor allem auf der Niederspannungsebene, zu beobachten. Vor diesem Hintergrund hätten auch bei uns netzfreundliche Stromverbraucher einen Mehrwert für die Allgemeinheit, was wiederum eine Umlage der Förderung auf den Strompreis rechtfertigen würde.
Netzfreundliche Elektrofahrzeuge
Auch wenn eine der zentralen Kernkompetenzen der deutschen Industrie im Bereich der Leistungselektronik liegt, ist – wie bereits erläutert – ohne staatliche Aktivität nicht mit netzfreundlichen E-Mobilen zu rechnen, da die Mehrkosten dieser hochwertigen Spitzentechnologien kurzfristig im Automobilsektor anfallen würden und der Nutzen erst langfristig der Energiewirtschaft zugute kommen würde.
Wenn ein Autobesitzer keinen direkt ersichtlichen Vorteil von einem netzfreundlichen Elektrofahrzeug hat, wird er – aus den bereits erwähnten Gründen – weder ein Fahrzeug mit hochwertiger Netzanbindung kaufen, noch sein Fahrzeug mit dem Netz verbinden.
Deshalb greift die I.D.E.E. genau an dieser Stelle. Die Förderung soll in Abhängigkeit von der Zeit, in der ein Elektrofahrzeug tatsächlich mit dem Netz verbunden war, berechnet und jährlich an den jeweiligen Autobesitzer ausgezahlt werden. Die entsprechenden Stunden werden mit einem Förderbetrag multipliziert, der wiederum die elektrische Netzanschlussleistung und den technischen Grad der Netzfreundlichkeit berücksichtigt. Die Formel lautet somit:
Zeit (h)
x elektrische Leistung (kW)
x Fördersatz (Cent/h und kW)
= Fördersumme
Wir empfehlen, die Fördersätze gemäß der technischen Komplexität nach drei Kriterien in dieser Größenordnung zu staffeln:
- 1 Cent für Ladetechnik mit Netzüberwachung und „An/Aus“- Funktion,
- +0,5 Cent zusätzlich, wenn eine dynamische Anpassung der Ladeleistung möglich ist,
- +0,5 Cent zusätzlich, wenn die Netzrückspeisung (V2G) möglich ist.?
Da man zum Erlangen einer hohen Förderung (siehe Kasten) faktisch gezwungen ist, sein Fahrzeug mit dem Netz zu verbinden, entsteht so automatisch auch eine hohe private Motivation zum Aufbau oder zur Nutzung von Ladepunkten. Dies ist einer der vielen indirekten Koppeleffekte der I.D.E.E.
Durch eine Beschränkung der Förderung auf einen festen Zeitraum (z.B. bis Ende 2020) wäre eine faktische Degression der Förderbeträge einfach umzusetzen. Pioniere erhalten potentiell mehr Förderung als Käufer von günstigeren Massenprodukten. Die Förderbeträge sollten entweder über das EEG oder die Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt werden. Denn langfristig ersparen netzfreundliche E-Mobile den Stromkunden unnötige Kosten.
Die I.D.E.E. ist ein transparentes Förderinstrument, welches eine physikalische Kopplung der Erneuerbaren Energien mit der Elektromobilität ermöglicht.
Tomi Engel