Die wunderbare Welt des elektrischen Stroms
Mit Solarstrom ist alles möglich: Nach wie vor steigt der Verbrauch elektrischer Energie, gleichzeitig wird verkündet, dass in absehbarer Zeit der sehr wesentliche Teil davon erneuerbar – vor allem solar – hergestellt werden wird. Unabhängig von einem tatsächlich erreichbaren PV-Anteil bedeutet der steigende Energiehunger, als Folge der fortschreitenden Elektrifizierung für Verbraucher steigende Energiekosten: Denn gerade die „Edelenergie“ Strom weist die höchsten spezifischen Kosten auf. Macht es dann Sinn, unsere Energiewirtschaft so weit wie möglich zu verstromen?
Große Worte
Hört man die Worte mancher Solarstromvisionäre, so wird Photovoltaik (PV) immer häufiger als die Lösung aller Probleme dargestellt. Neben der Substitution des konventionell erzeugten Industrie- und Haushaltsstroms sei PV in naher Zukunft auch in der Lage, zusätzlich die Energie zur Beheizung unserer der Gebäude und Energie fu?r unsere Mobilität zu liefern. Vom Fraunhofer IWES ist gar zu hören, dass man sich überlegen sollte, die Nachtspeicherheizungen nicht zu verbieten.
Stromwende
Wenn sich einer der größten Energiewendehälse, Bayerns Ministerpräsident Seehofer, dafür ausspricht, dass künftig alle Eigenheime in Bayern ohne Öl und Gas auskommen können, dann macht das schon stutzig. Und wenn er dann noch als Vision ausgibt, mit Sonnenenergie und einem stationären Speicher die Grundversorgung seines Hauses mit Energie unabhängig von Öl oder Gas gewährleisten zu wollen, dann stellt sich die Frage, was genau er unter Sonnenenergie versteht. Denn in so mancher Diskussion wurde Solarwärme bereits als Übergangstechnologie bezeichnet. Die sogenannte Niedertemperatursolarthermie, die nicht nur ein bisschen Warmwasser, sondern vielmehr Heißwasser erzeugt, wird immer öfter als nicht nachhaltig sinnvoll betrachtet. Das klingt irgendwie nach Brückentechnologien, womit bislang eigentlich immer Atomkraft, Kohle oder Erdgas gemeint war.
Energiediskussion
Ein wichtiger Aspekt, der offenbar zu dem Stromhype führt: Deutschland diskutiert seine Energiezukunft und redet dabei fast ausschließlich über Strom. Es geht um den Atomausstieg, Offshore-Windkraft und Netzumbau. Die Energiewende wird in der Öffentlichkeit überwiegend als eine Änderung der Stromerzeugung und Verteilung wahrgenommen. Dass wir auch eiligst weg von Öl und Gas müssen und uns von der fossilen Wärmeerzeugung verabschieden sollten, gerät dabei deutlich in den Hintergrund.
Eigenstromnutzung treibt Blüten
Die Kombination von Solarthermie mit Wärmepumpen ist nach einem kurzen Intermezzo schon nicht mehr so sehr im Trend, mehr im Kommen ist dagegen die Verbindung Photovoltaik und Wärmepumpe (PV-WP). Auch wenn die Verkaufsargumente durch häufiges Wiederholen nicht schlüssiger werden, passt diese „Innovation“ eben besser in die aktuelle Stimmungslage. Momentan lässt sich die PV-WP-Kombination mit Hilfe der Eigenverbrauchsregelung im EEG durchaus rechnen. Carsten Körnig vom BSW hält dies allerdings für eine Fehlentwicklung aufgrund der derzeitigen Förderpolitik – eine wirkliche Berechtigung habe die Technik erst, wenn sie ohne den Eigenverbrauchsbonus wirtschaftlich sei. Werbeslogans wie „Energetische Unabhängigkeit schafft eine Hocheffizienz-Wärmepumpe in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage“ hören sich leider nur auf den ersten flüchtigen Blick gut an.
Ein Knackpunkt ist zudem, dass die überwiegende Menge der bestehenden Gebäude für solch eine Anwendung noch lange nicht geeignet ist. Werden Visionen mit anwendbarer Technik verwechselt, führt das im Endeffekt nur zu Irritationen bei Verbrauchern, siehe Brennstoffzelle. Carsten Kuhlmann, Leiter der Arbeitsgruppe Solar beim BDH rechnet vor, dass mit PV-WP ein Heizbetrieb im eigentlichen Sinne gar nicht möglich ist. „Je nach Anlagenkonfiguration und Größe des Pufferspeichers können im Heizbetrieb maximal knapp fünf Prozent des Strombedarfs der Wärmepumpe durch die PV-Anlage auf dem Dach gedeckt werden“.
Eigentlich spricht nichts dagegen, verstärkt auf die umweltfreundliche Solarwärmetechnik von heute zu setzten. Visionen sind wichtig, aber man sollte dabei die Realität nicht zu sehr aus den Augen verlieren.
Matthias Hüttmann