Sun Meets Water
Neue Wege in der dezentralen Wasseraufbereitung: Zur Bekämpfung der Trinkwasserproblematik, insbesondere in ländlichen Entwicklungsregionen, hat eine Kasseler Firma ein solar betriebenes Produkt entwickelt. Erste Systeme sind bereits im Einsatz und versorgen unter anderem Krankenstationen und öffentliche Zapfstellen mit sicher trinkbarem Wasser.
Einführung
Mit der Entwicklung und Verabschiedung der Millennium Development Goals (MDG) auf dem Millenniumsgipfel in New York (2000) und dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (2002) wurde der Grundstein dafür gelegt, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu sicherem Wasser bis 2015 zu halbieren. Aufgrund enormer Anstrengungen von Seiten der Weltgemeinschaft ist dieses Ziel für die meisten Entwicklungsregionen in greifbare Nähe gerückt. Insbesondere in den urbanen Gebieten konnten Fortschritte erzielt werden. Dennoch haben heute immer noch knapp 900 Millionen Menschen keinen gesicherten Zugang zu Wasser – 84% davon leben im ländlichen Raum und werden von der Entwicklung der Städte regelrecht abgehangen. Hier sind die Menschen weiterhin von unbehandeltem Wasser aus Flüssen, Dämmen und Wasserlöchern abhängig. Dabei stellt die Aufnahme trinkwasserrelevanter pathogener Keime, wie z.B. den Cholera Vibrionen, verschiedener Protozoen, Sporen und Wurmeinern eine kontinuierliche Gefahr für die Gesundheit dieser Menschen dar. Auch heute sterben täglich über 5.000 Kinder an den Folgen des Konsums von Wasser aus solchen Quellen. Zudem zeigen Ausbrüche wie die der Cholera in Haiti, dass diese nur unter Einhaltung grundlegender Hygieneparameter beherrschbar sind (UNICEF, 2010). Die sichere Entfernung oder Abtötung dieser Keime stellt von daher die oberste Priorität in der Wasseraufbereitung in den ärmsten Regionen dieser Welt dar. 1)
Herausforderung der Wasseraufbereitung in ländlichen Regionen
Die Möglichkeit zur effektiven Behandlung des Wassers ist in ländlichen Regionen jedoch nur selten gegeben. Abkochen, Filtration, Chlorung und die Bestrahlung mit UV-Licht gelten dabei generell als konventionelle und sichere Verfahren zum Abtöten der Keime. In ländlichen Entwicklungsregionen sind diese aufgrund fehlender Infrastruktur, mangelenden technischem Verständnis und geringer Ressourcen jedoch nur sehr eingeschränkt einsetzbar. Mit sehr einfachen Behandlungsmethoden, wie dem Sodis-Verfahren, kann das Gefahrenpotential zwar erheblich reduziert werden, jedoch mangelt es immer noch an dauerhaft einfach anzuwendenden technischen Lösungen, mit denen die Aufbereitung und Desinfektion des Wassers in ländlichen Regionen langfristig und kostengünstig sichergestellt werden kann.
Mit etablierten Konzepten neue Anforderungen meistern
Am Lehrstuhl für Rationelle Energienutzung der Universität Kassel, gründete im Jahre 2000 Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schmid – heutiger Leiter des Fraunhofer IWES – ein interdisziplinäres Forschungsteam mit dem Ziel, ein System zu entwickeln, welches die Anforderungen an eine gesicherte Versorgung mit keimfreien Wasser in den genannten Regionen erfüllt. Dabei sollte das System von technisch ungeschultem Personal betrieben und gewartet werden können und aufgrund fehlender Energieversorgung in den ländlichen Entwicklungsregionen energieautark arbeiten. Bisher kann keine der am Markt erhältlichen Lösungen, die in der Regel allein auf den oben genannten Verfahren basieren, diese Anforderungen erfüllen. Die größte Herausforderung stellt dabei die Sicherstellung der Keimfreiheit nach der Aufbereitung des Wassers dar. Da dieses häufig in Behälter abgefüllt und über weite Strecken transportiert und nicht direkt konsumiert wird, können die zuvor entfernten Keime wieder in das Wasser gelangen. Zur Unterbindung dieser Wiederverkeimung, ist in den meisten Richtlinien die Zugabe von Chlor gefordert. Die kontinuierliche Verfügbarkeit der hierfür notwendigen Natriumhypochloridlösung und die richtige Anwendung dieser in ländlichen Regionen stellt dessen Verwendung jedoch immer wieder in Frage.
Den Forschern aus Kassel ist es durch die geschickte Kombinierung verschiedener Verfahren der Wasseraufbereitung und der regenerativen Energietechnik gelungen, dieses Problem dauerhaft zu lösen. Anstatt der manuellen Zugabe wird hier das Chlor in einem elektrotlytischen Prozess aus den natürlich im Wasser vorhandenen Salzen hergestellt. Das zuvor filtrierte Wasser wird so nachhaltig sicher desinfiziert, ohne dass Chlor direkt hinzugegeben werden muss. Die Wasserqualität und die Produktion des Desinfektionsmittels werden kontinuierlich überwacht, wodurch nur die tatsächlich benötigte Menge erzeugt wird.
Kleine und robuste Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 120 WP liefern dabei wartungsarm und dauerhaft kostengünstig Energie, um das Wasser zu fördern, es zu filtrieren und ausreichend zu desinfizieren. Bei vorhandener solarer Einstrahlung werden so bis zu 400 l Wasser pro Stunde aufbereitet und in einem Tank zwischengespeichert. Das produzierte Chlor im Wasser gewährt dabei die Keimfreiheit an strahlungsarmen Tagen.
Für Test und Entwicklungszwecke wurde das System im ländlich geprägten Nordosten Brasiliens aufgebaut und alle Komponenten über Jahre auf Ausdauer und Wartungsfreundlichkeit geprüft. Was im Feldtest nicht den Anforderung genügte, wurde ausgetauscht oder wegrationalisiert. So sind heute nicht einmal mehr Batterien für den Betrieb notwendig. „Des heißen Klimas wegen mussten Batterien ständig ausgetauscht werden oder wurden für anderweitige Zwecke entwendet“, so Goldmaier, Geschäftsführer von Autarcon. Das Chlor des im Tank gespeicherten Wassers erlaubt dabei die Entkopplung zwischen Aufbereitung und Konsum. Das spart nicht nur Betriebskosten, sondern erleichtert auch erheblich den Transport des insgesamt nur 40 kg schweren Systems.
Einmal installiert, kann das System über Jahre hinweg Wasser aufbereiten. Bis auf die Pumpe gibt es kein mechanisches Bauteil, wodurch das System äußerst robust ist. Der Wartungsaufwand beläuft sich dabei auf die regelmäßige Überprüfung und Reinigung der Filter, Elektrolysezellen und der Wasserspeicher. Dies wird von den Bewohnern in der Regel unter Verwendung einer weichen Bürste und mit etwas Zitronensaft oder Essigsäure eigenständig durchgeführt. Falls es doch mal zu Problemen kommen sollte, kann das System alle relevanten Betriebsparameter per Handynetz zur Fernwartung und Fehlersuche online übertragen.
Seit über einem Jahr verrichtet ein zweites System im brasilianischen Amazonasgebiet zuverlässig seinen Dienst und versorgt dort ein Gästehaus mit Wasser. Zuvor war die Wasserversorgung auf Grund defekter Pumpen und fehlenden Treibstoffs für den Generator zum Erliegen gekommen und die Bewohner mussten wieder auf den direkten Konsum von Flusswasser zurückgreifen. Wegen schlechter Erfahrung mit kleinen Solar-Home-Systemen standen die Bewohner der Technik zuerst skeptisch gegenüber. Der Verzicht auf Batterien, die einfache Installation, Bedienung und Wartung konnten schließlich dennoch überzeugen.
Mit der Marktreife des Systems wird dieses nun als Ausgründung aus der Universität Kassel von der Autarcon GmbH vertrieben und kontinuierlich weiterentwickelt. Bisher wurden die Installation und die Anleitung der Bewohner vor Ort von Autarcon organisiert und betreut. Zukünftig soll dies jedoch verstärkt von Partnern und unabhängigen Organisationen der jeweiligen Länder durchgeführt werden. „Uns ist die Beteiligung der örtlichen Bevölkerung und lokalen Institutionen ein besonderes Anliegen. Nur wenn alle am gleichen Strang ziehen, können solche Projekte dauerhaft sinnvoll umgesetzt werden“, so Goldmaier. In diesem Sinne wird derzeit ein über Spenden finanziertes System von Maltesern International eigenverantwortlich im pakistanischen Überschwemmungsgebiet aufgebaut, um dort die Versorgung einer Krankenstation mit sicher trinkbarem Wasser zu übernehmen. Schon im Frühling dieses Jahres hat ein System diese Rolle in Gambia übernommen.
Inzwischen sind immer mehr Organisationen an der Technik des SuMeWa (SunMeetsWater) getauften Systems interessiert, der endgültige Durchbruch ist jedoch noch nicht geschafft. „Viele Organisationen setzen immer noch auf kurzfristige und unzureichend kontrollierbare Lösungen und lassen sich zu sehr von den Investitionskosten beeinflussen“, so Goldmaier. Dabei lässt sich die Technik optimal mit den Ansätzen zur regenerativen Energieversorgung in ländlichen Regionen vereinen. Wie in Gambia realisiert, kann die Förderung und Aufbereitung des Wasser als Dumpload fungieren und somit die (Kosten)-Effizienz beider Systeme deutlich erhöhen. Das Wasser wird dann sozusagen mit überschüssiger Energie bereitgestellt. Gespräche mit verschiedenen Anbietern von regenerativen Inselsystemen laufen bereits.
Mit SuMeWa ist es den Kasseler Ingenieuren gelungen, ein System zu entwickeln, welches den Anforderungen an eine nachhaltige dezentrale Wasserversorgung gerecht wird. Der erste Platz im Existenzgründungswettbewerb „promotion Nordhessen“ oder die Ernennung zum „Ausgewählten Ort 2011“ im bundesweiten Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ unterstützen die Innovation auch hierzulande. Derzeit kümmern sich vier Mitarbeiter um Vertrieb, Projektkoordination und Entwicklung und greifen dabei auf vielfältige Erfahrungen aus dem Bereich der solaren Energieversorgung und der dezentralen Wasseraufbereitung zurück. Dabei verhelfen sie ihrer Version von einer nachhaltigen und sicheren Wasserversorgung in ländlichen Entwicklungsregion und den Millennium Development Goals ein Stück näher zu kommen.
Fußnoten
1) Wird die Überschreitung chemischer Parameter (z.B. Fluor oder Arsen) nachgewiesen, ist bei langfristiger Verwendung der jeweiligen Wasserquelle ein Wechsel dieser vorzuziehen.
Literaturnachweis
UNICEF and WHO (2010), „Progress on Sanitation and Drinking Water: 2010 Update“, World Health Organisation, United Nations Children´s Fund, Geneva.
Anmerkung
Die Autarcon GmbH wurde auf der diesjährigen Intersolar mit dem Intersolar-Award im Bereich Photovoltaik ausgezeichnet. Der internationale Preis der Solarwirtschaft würdigt innovative Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen.
Philipp Otter