Solarstrom als Gewerbe
Vorteile einer Mitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer (IHK): Viele Betreiber von Ökostrom-Anlagen – gerade Privatleute mit PV-Strom vom Hausdach – gehen einer Mitgliedschaft bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) aus dem Weg. Dabei füllen sie gerne Jahr um Jahr mit ihrer Einkommenssteuer- und Umsatzsteuererklärung die „Anlage G: Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ aus. Denn die Einnahmen liegen über den Ausgaben, Gottseidank. Dabei könnten Ökostromer durch eine Mitgliedschaft bei den IHKs einiges bewegen.
„Zwangsmitgliedschaft“, „Hohe Gebühren“, „Bringt doch nichts!“ Übliche Argumente, die gegen eine IHK-Mitgliedschaft vorgebracht werden. Gerade Betreiber von Anlagen, deren Solarstrom vom eigenen Hausdach fließt, wollen nicht in „die Kammer“, machen gar unbewusst einen großen Bogen um deren Eingang. Viele andere sind bereits Mitglieder der IHK, nutzen die sich bietenden Chancen aber nicht aus. Immerhin 1.085 Unternehmen standen Ende 2009 allein in Mittelfranken in der Wahlgruppe „Energie und Wasser“; im letzten Jahr ist diese Zahl nochmals steil nach oben gegangen. Die meisten von ihnen: kleine Energie- und Wasserversorger – also Biogas-, Wasser-, Wind- oder Solarkraftwerksbetreiber.
Kaum jemand tritt ein
Es könnten noch viel mehr „Erneuerbare“ IHK-Mitglieder sein, z.B. Besitzer einer PV-Anlage (PVA) auf dem eigenen Hausdach. Zwar steht in einem Schreiben des NRW-Energieministeriums vom 8. Juli 2010, „dass die gewerberechtliche Bewertung des Betriebs einer PVA einer Anmeldung des Vorsteuerabzugs nicht entgegensteht, da der Gewerbetrieb im Steuerrecht nicht deckungsgleich zu definieren ist.“ Doch Gewerbetreibende und damit potenzielle IHK-Mitglieder sind scheinbar automatisch all diejenigen, welche bei der Steuererklärung eine „Anlage G“ abgeben. Egal, ob sie nun bei ihrer Wohngemeinde gegen ein paar Euro Gebühren einen Gewerbeschein beantragt haben oder nicht. Warum also nicht gleich in die IHKs und etwas für die Erneuerbaren Energien tun?
Im Gegenteil, besonders PV-Betreibergemeinschaften, ob als GbR, e.G. oder Verein organisiert, versuchen sich möglichst um die IHK-Mitgliedschaft zu drücken. Das bestätigten unsere Recherchen vielerorts. Dabei weiß ein Genossenschaftsfachmann: „E.G. oder GbR sind eigentlich Pflichtmitglieder, weil juristische Personen.“
Zur Interessensvertretung verpflichtet
Die IHKs „haben die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen ... sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“ So steht es im „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern“, beschlossen vom Bundestag am 18.12.1956 und immer noch (vorläufig) gültig.
Die IHK sind selbstbestimmte Organisationen. Jeder Unternehmer, jede Unternehmerin hat dort eine gleichwertige Stimme, um die eigene Standesvertretung in das zentrale Gremium der IHK, die Vollversammlung (VV) zu wählen. In Nürnberg besteht die VV zurzeit aus 65 direkt gewählten UnternehmensvertreterInnen. Dazu kommen 24 weitere Personen, u.a. aus lokalen IHK-Gremien. Die aktuelle VV bestimmt zwischen 2010 und 2014 die Geschicke der IHK Mittelfranken.
Warum sollten nur Energieversorger Ihre Interessen verfolgen?
Einer der 65 direkt Gewählten in der Vollversammlung ist der Chef des zweitgrößten mittelfränkischen Stadtwerks. Der vertritt die Wahlgruppe „Energie und Wasser“. In ihr waren Ende 2009 schon 1.085 Unternehmen vertreten. Und ihre Zahl nimmt immer mehr zu, vor allem durch „kleine Energie- und Wasserversorger“ – also Ökostromer, die mit EEG-Hilfe ins Netz einspeisen. Obwohl die „Kleinen“ die Mehrheit der Wahlgruppe haben, lassen sie sich von einem „Großen“ vertreten. Das gehört auch noch zu Teilen dem Energieriesen Eon. Dieser Manager fasst Beschlüsse über den Finanzplan der Kammer, über die Personalausstattung der einzelnen Referate, über die Kammerpolitik der Region. Er wählt aus den Reihen der Vollversammlung heraus die ehrenamtliche Präsidentschaft, welche die Kammer nach außen vertritt. Natürlich kann er sich auch selber dafür zur Wahl stellen. Und nicht zuletzt: Er benennt „die wirtschaftlichen Interessen“ des Gewerbezweigs „Energie und Wasser.“
Was spricht dagegen, wenn die Mehrheit im Energie- und Wassersegment der deutschen IHKs ihre wirtschaftlichen Interessen selbst vertritt, also die Regenerativ-Energie-Betreiber? Denn die Ideen von Ökostromern sind meist nicht die gleichen, wie jene von Stadtwerken oder Gasversorgern.
Eine, die etwas unternimmt und die Stimmenverhältnisse genutzt hat, ist Susanne Ihde. Die Geschäftsführerin der kleinen Windbetreibergesellschaft Ergo Nova aus dem Westfälischen Borgholzhausen kandidierte bei der jüngsten Vollversammlungswahl der Bielefelder IHK – und wurde prompt gewählt. Nun sitzt sie unter 74 Mitgliedern, und vertritt vor allem die Fraktion der Regenerativenergien. Nach knapp einem Jahr zieht sie bereits „eine großartige Bilanz. Es gibt in der Volksversammlung (VV) eine sehr gute, zivilisierte Streitkultur. In der letzten Sitzung fand eine Diskussionsrunde zu Erneuerbaren Energien statt“ – mit Ihde als Podiantin.
„Wir sollten überall eigene Kandidaten für die Vollversammlungen aufstellen“, fordert sie deshalb Ökoenergieproduzenten in ganz Deutschland auf. Bei der Vielzahl von Mitgliedern würden die sicherlich auch gewählt. „Werbung habe ich keine gemacht“, trotzdem ist Susanne Ihde nun gleichberechtigtes IHK-VV-Mitglied.
Die „Großen“ der Energiewirtschaft sind sich schon immer ihrer Einflussmöglichkeiten bei den IHKs bewusst. Ob die „Kleinen“ bis zu den nächsten Gremienwahlen dazulernen? Zumal sie immer mehr werden: Jahr für Jahr steigt ihre offizielle Mitgliederzahl massiv an – deutschlandweit! Und es gibt unendlich viel mehr Hausbesitzer mit eigener 4-kWp-Anlage auf dem Dach, die noch nicht IHK-Mitglied sind.
PS: Landwirte oder Handwerker, die über diese Unternehmen ihre PVA abwickeln, sind nicht für die IHKs qualifiziert. Mehr dazu steht im (vorläufigen) IHK-Gesetz.
(Angenommene) Nachteile einer Unternehmereigenschaft nebst IHK-Mitgliedschaft
- „Die IHK kassiert so hohe Beiträge, die machen meinen kleinen Photovoltaik-Gewinn zunichte.“
Klar, die Pflicht heißt grundsätzlich IHK-Beitrag. Doch „wer unter 5.200 Euro Gewinn pro Jahr erwirtschaftet, ist vom Beitrag befreit“, nennen Anwalt Oliver Baumbach von IHK Nürnberg und Steuerberater Wolfgang Holzinger übereinstimmend die gleiche Grenze. Diesen Gewinn (nicht: Ertrag!) dürfte wohl kein PVA-Betreiber mit Solarmodulen auf dem eigenen Hausdach überschreiten.
- „Von den paar Euro Gewinn der Photovoltaikanlage will ich am Ende des Jahres nicht auch noch Gewerbesteuer abführen müssen.“
Meist falsch. „Ja, grundsätzlich unterliegen die Gewinne der Gewerbesteuer. Doch können Personengesellschaften und Einzelunternehmen einen Freibetrag in Höhe von 24.500 EUR in Anspruch nehmen. Im Ergebnis fällt damit für die Gewinne aus der Photovoltaikanlage keine Gewerbesteuer an. Und selbst wenn dieser Freibetrag überschritten werden sollte, ist das oft nicht so schlimm. Dann fällt zwar Gewerbesteuer an, diese kann in den meisten Fällen wieder in voller Höhe auf die Einkommensteuer angerechnet werden“, beruhigt Steuerberater Wolfgang Holzinger. - „Ich möchte keine Unternehmerin sein und will deshalb auch nicht in die IHK. Ich bin Angestellte, die lediglich eine PVA auf dem Dach betreibt!“
„Als Unternehmer gilt immer, wer Umsatzsteuer zahlt“, sprich: Wer die aktuell 19 Prozent eingenommene Mehrwertsteuer an den Staat weiterleitet, behauptet Kammer-Rechtsanwalt Oliver Baumbach. Nur für Anlagenbetreiber, welche die USt nicht zurückfordern, also auf „Kleinunternehmer“ optieren, ist die Frage eigentlich noch relevant, ob ihre PVA Gewerbe ist oder nicht.
„Das Einfamilienhaus mit PV auf dem Dach hat ein negatives Gewerbemerkmal: Es ist keine Vermögensverwaltung“, eine Gewerbepflicht bestehe also für Privat-PVA-Betreiber nicht, bekennt Baumbach mit Blick auf die insgesamt „acht Gewerbemerkmale“, die zu beachten sein. Doch „in der Praxis lohnt sich eine PVA nur dann, wenn sie als Gewerbe geführt wird“, des Vorsteuerabzugs wegen. Will heißen: Unternehmer gleich IHK-Mitglied.
Zwar hat der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht (BLA) bei seiner Frühjahrssitzung 2010 „einen neuen Beschluss zur gewerberechtlichen Behandlung von PVA gefasst“, wie am 8. Juli 2010 das Energieministerium Nordrhein-Westfalen seine Bezirksregierungen informierte. Und die anderen Bundesländer sehen das wohl genauso. Doch ob es PVA-Betreibern „auf dem Dach selbst genutzter Gebäude an einer gewissen Intensität des Gewinnstrebens fehlt“, darf bezweifelt werden. Aber nur solche PVA werden „im Ergebnis sogenannte Bagatellfälle und als gewerberechtlich irrelevant qualifiziert“, schreibt das NRW-Ministerium weiter. - „Wenn ich Unternehmer bin, muss ich auch noch in die Berufsgenossenschaft. Das kostet wieder.“
Falsch: „Wenn der Besitzer eines Häuschens nebst PVA ein Unternehmen anmeldet, kann er sich bei der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft für die Energiewirtschaft, die BGETEM freiwillig gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichern. Die Unfallversicherung gilt allerdings ausschließlich für seine unternehmerische Tätigkeit, also nur für Tätigkeiten, die mit dem Betrieb der PVA zu tun haben“, schreibt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGUV.
Was bringt eine IHK-Mitgliedschaft?
Gut, es heißt: „Was nichts kostet, ist nichts wert. Doch wenn ich keinen IHK-Beitrag berappen muss, hab ich auch nichts zu erwarten.“ Doch das stimmt nicht. Ein Kleinunternehmer hat dieselben Rechte wie ein Großkonzern. Will heißen: Beratung durch die IHK-Geschäftsstelle in allen möglichen Themenbereichen, von Steuern bis Umweltvorschriften. Mitgliedschaft in Arbeitskreisen, die sich oft auch um Energie drehen. Information durch die Kammern über Neuerungen, Förderprogramme, Termine, Veranstaltungen. Relativ preisgünstige Seminare und Weiterbildungen. Vermittlung von Geschäftskontakten über die Auslandskammern. Und nicht zuletzt: Die Chance auf Öffentlichkeitsarbeit über die jeweilige Kammerzeitung.
Sind PV-Anlagenbetreiber ehrbare Kaufleute oder nicht?
Die Grundsätze eines „ehrbaren Kaufmann“ reichen bis ins Mittelalter zurück – ausgehend von der gleichnamigen Organisation Hamburger Kaufleute. Das seit dieser Zeit entwickelte Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ hat über die Jahrhunderte jedoch nicht an Aktualität verloren. Denn insbesondere vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise rückt das verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Heinz Wraneschitz