Trio Effiziente im Kornspeicher
Ein neues Heizsystem im hessischen Marburg kombiniert Solarthermie, Erdwärme und Gas-Brennwerttechnik: Ein stark ramponierter Kornspeicher Baujahr 1939 im hessischen Marburg hat sich nach einer wohldurchdachten Sanierung zu einem barrierefreien Tagungs- und Familienhotel gewandelt, das zugleich mit einem neuen Energiekonzept aufwartet. Entsprechend dem Nachhaltigkeits-Anspruch der Betreiber kommt in dem Gebäude, in dem die Wehrmacht einst die Großproduktion von Kommisbroten betrieb, eine trivalente Heizungslösung mit der Kombination von Erdwärme, Sonnenwärme und Erdgas zum Einsatz. Nach einer Komplettsanierung vom Keller bis zum Dach öffnete das Hotel im November 2009 seine Pforten. Nach rund eineinhalb Jahren sind die Betreiber, die Soziale Hilfe Marburg e.?V. (SHM), wie auch der Systemlieferant mit der Leistung des umweltfreundlichen und wirtschaftlichen Anlagenkonzeptes zufrieden.
Mit dem Umbau schlug die SHM mehrere Fliegen mit einer Klappe. Sie war auf der Suche nach neuen Räumen für ihr Zentrum für Arbeit und Kommunikation (ZAK), nachdem es in ihrer alten Dependenz zu eng geworden war. Dort halfen 20 Mitarbeiter des ZAK insgesamt 140 Menschen, ihren Alltag zu bewältigen – und wieder zurück ins Leben zu finden. „Gleichzeitig hatten wir schon länger die Idee, ein Hotel zu betreiben“, erklärt Claus Solbach, Geschäftsführer der SHM. Das Heizsystem sei ein wichtiger Baustein seines nachhaltigen Gesamtkonzeptes, das Thema Umweltschutz sollte für die Gäste spür- und sichtbar sein, so Solbach weiter. „Dazu kommt, dass sich die Energiekosten auf die Übernachtungskosten auswirken, weshalb uns eine Lösung mit einem möglichst großen Anteil regenerativer Energieträger wichtig war. Nur so bleiben die Kosten dauerhaft planbar – und die Zimmerpreise langfristig moderat.“
Energiekonzept als wichtiger Baustein
Über den Kontakt mit den Investoren und späteren Bauträgern der BG-Haus GmbH, Ulrich Burk und Olaf Gillmann, entstand die Idee für das ehrgeizige Projekt „Hotel Kornspeicher“, das dann für rund 2,5 Mio. Euro realisiert wurde. In den beiden unteren Etagen befinden sich auf 850 m2 die Arbeitsräume des ZAK, u.a. eine Näh- und Holzwerkstatt. In den oberen vier Etagen stehen dem Hotelbetrieb 25 Zimmer zur Verfügung, die auf die Bedürfnisse körperbehinderter, hörgeschädigter oder sehbehinderter Menschen zugeschnitten sind. Sie sind für Allergiker ebenso geeignet wie für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Tagungsräume mit modernster Technik stehen ebenfalls zur Verfügung sowie ein Wellness-Bereich. Insgesamt beträgt die beheizte Fläche 2.598 m2. Fußbodenheizungen sorgen in allen Räumen für angenehme Wärme, lediglich der Restwärmebedarf wird über Heizkörper abgedeckt, wobei diese auf die Systemtemperatur der Fußbodenheizung ausgelegt wurden. In den Zimmern stellt jeder Hotelgast selbst die für ihn angenehme Raumtemperatur ein.
Doch wie bei vielen Erfolgsgeschichten war der Weg dorthin kein einfacher. Die Idee einer Trivalenz entstand erst bei den Planungsarbeiten des Büros Javier Perugorria, als sich herausstellte, dass singuläre oder bivalente Lösungen für den Kornspeicher zwar förderfähig aber nicht wirtschaftlich waren. Beim Einsatz einer Wärmepumpe ergeben sich Konflikte, die mit dem DVGW-Arbeitsblatt?551 (Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums) zusammenhängen. Zieht man die Wärmepumpe für die Trinkwassererwärmung heran, fordert man von ihr zu hohe Temperaturen, nämlich 65°C, die nur die Arbeitszahl „zerschießen“ und die Wirtschaftlichkeit „demolieren“. Wärmepumpen gelten als „energieeffizient“ ab einer Arbeitszahl von 3,5, für die Heizung werden maximal 45°C gefordert. Hält man sie aus der Warmwasser-Erzeugung ganz heraus und überlässt dies einzig der Erdgas-Komponente, wäre die Konsequenz ein Ganzjahresbetrieb der Gastherme, was auch keine wirtschaftlich befriedigende Lösung ist.
Kombination aus drei Wärmeerzeugern
So wurde die Solaranlage zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung die dritte Säule des Energiekonzeptes. Es wurde ein Solarwärme-Managementsystem ausgewählt, welches speziell für Großanlagen in Mehrfamilienhäusern, Wohnanlagen oder Hotels ausgelegt ist. Das Large Solar Systems (LSS) fungiert als übergeordnete Energiezentrale und verbindet die Solaranlage mit den beiden anderen Wärmeerzeugern im Kornspeicher, den drei 1.000-Liter-Pufferspeichern, dem 600-Liter-Warmwasserspeicher, den Heizkreisen und den Warmwasserzapfstellen. So entstand eine Großanlage, bei der alle Komponenten von einem Anbieter stammen. Neben den 20 Solarkollektoren mit einer Gesamtfläche von rund 48 m2 sind das eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit 33 kW Heizleistung sowie ein Gas-Brennwertgerät mit 90 kW Leistung.
Das steile Süd-Dach bietet zudem ideale Voraussetzungen für eine maximale Sonnenausbeute. Von den insgesamt sechs Sondenbohrungen für die Wärmepumpe in bis zu 130 m Tiefe ist an der Stirnseite des Hotels heute nichts mehr zu sehen. Die Fäden des Energiesparsystems laufen im Keller zusammen. Alle Baugruppen sind vormontiert und vorverkabelt, sodass die Installateure nur noch die Hydraulik-, Strom- und Außenfühleranschlüsse herstellen mussten. Eine besondere Herausforderung war die Abgasführung über einen 20 m langen, versetzten Kamin. Zusammen mit einem Kaminsystem-Hersteller entwickelten die Planer hier eine raumluft-unabhängige Lösung mit Doppelrohr.
Verbrauch vor Speicherung
Die Regelung der solaren Großanlage sorgt dafür, dass die Energie je nach Verbrauch und Wetter dort genutzt wird, wo am meisten gespart werden kann. Es gilt das Prinzip „Verbrauch vor Speicherung“: So werden die drei 1.000-Liter-Pufferspeicher jeweils erst dann beladen, wenn aktuell kein Bedarf mehr für den direkten Verbrauch der Sonnenwärme besteht. Die unterschiedlichen Bausteine arbeiten sehr effizient zusammen, dadurch sinkt der Energieverbrauch deutlich. Vor allem auch der Gaskessel wird von unnötigem Takten bewahrt.
Die Auswertung von mehr als einer kompletten Heizperiode bestätigt die dominierende Rolle der nichtfossilen Nutzenergien, die zusammen weit über 70 Prozent liefern. Aus den gewonnenen Daten geht hervor, dass die Erdwärmepumpe mit 63 Prozent einen deutlichen Anteil an der Jahresheizenergie leisten konnte. Die Solaranlage unterstützte das Heizungssystem in den Übergangsperioden und lieferte in den Sommermonaten die gesamte benötigte Wärmeenergie, natürlich kostenlos. Das Gasbrennwertgerät übernahm die Spitzenlasten im Winter und lieferte die notwendige hohe Temperatur für die Warmwasserbereitung. Bei der detaillierten Analyse hinsichtlich Nutzenergie, Endenergie und Primärenergie bestätigt sich die gute Performance der Anlage (siehe Grafiken). Liefert der Brennwertkessel lediglich 30 Prozent der erzeugten Nutzenergie, so zeigt sich, dass der Strom zum Antrieb der Wärmepumpe immerhin rund 27 Prozent der eingesetzten Endenergie erfordert. Betrachtet man wiederum die Anteile der eingesetzten Primärenergie, so beträgt der Anteil der Wärmepumpe 48 Prozent und der des Brennwertkessels 44 Prozent. Auch klimapolitisch ein beachtliches Resultat.
Ein Feature des LSS besteht neben der Fernparametrierung im Online-Monitoring, das auf einer umfangreichen Anzahl von Wärmemengenzählern aufsetzt. Ohne dieses wäre eine derart detaillierte Auswertung nicht möglich. „Eine weitere Optimierung des Systems ist nach einem Betriebsjahr noch möglich“, so Jörg Vorländer, Business Development Manager des Anbieters Junkers. Vor allem das Monitoring der Kennzahlen „Solarer Nutzungsgrad“ und „Arbeitszahl“ seien die Basis für eine weitere Optimierung. Eines der Ergebnisse der Auswertung besteht darin, dass Wärmepumpe und Solar keine Konkurrenten sind, sondern sich hinsichtlich ihrer jahreszeitlichen bzw. saisonalen Stärken hervorragend ergänzen. Sie sind also so etwas wie natürliche Verbündete. Die Eignung der LSS auch für trivalente Systemlösungen wird durch das Beispiel Kornspeicher belegt. Zudem ist dies förderfähig. Jörg Vorländer, der die Anlage von Anfang an begleitet hatte, sieht darin „eine Bestätigung für die wirtschaftlich wie klimatisch sinnvolle Betriebsweise einer solchen Heizenergiezentrale“.
Klaus Oberzig