Die unterbelichtete Technik
21. Symposium Solarthermische Solarenergie, Kloster Banz: Hinsichtlich der Teilnehmeranzahl hat sich die Solarthermiekrise nicht auf das Symposium ausgewirkt, mit 433 Besuchern war das Fachforum auch dieses Jahr wieder gut besucht. Der Unmut, welcher 2010 anlässlich des Förderstopps im Marktanreizprogramm (MAP) im Kloster zu spüren war, wich mehr der wachsenden Erkenntnis, dass es auch 2011, nach zwei mageren Jahren, nicht so recht aufwärts gehen könnte. So verbrachten die Solarexperten einen großen Teil ihrer Zeit mit Ursachenforschung und Selbstreflexion. Die Qualität der Tagung war hoch, die vorgetragenen Inhalte vermittelten viel Neues. Man konnte beinahe den Eindruck gewinnen, die Solarwärmebranche habe das Absatztief genutzt, um sich wieder intensiver mit Weiterentwicklungen zu beschäftigen. Auch wenn das sicherlich nicht der Fall ist, gab es durchaus Bemerkenswertes und auch positive Nachrichten. Beispielsweise hat bei den PVT-Kollektoren offensichtlich ein Entwicklungssprung stattgefunden, auf dem Gebiet des Dämmen und Speichern wurden interessante Neuentwicklungen präsentiert, von Seiten F&E gibt es ebenso wichtige Impulse.
Dieser Artikel beschäftigt sich nota bene nicht direkt mit dem Symposium, sondern mehr mit den offenen Baustellen der Solarthermie. Die schleppend verlaufenden Geschäftsjahre verdeutlichen um so mehr die Notwenigkeit, sich verstärkt um diese zu kümmern. Die Offenheit, mit der sich die Solarwärme-Sympathisanten auf dem oberfränkische Expertentreff jährlich begegnen, ist dabei durchaus hilfreich.
Förderung
Wesentlich gelassener als noch letztes Jahr nahmen die Teilnehmer den traditionellen Einstiegsvortrag aus dem Regierungslager auf. Kein Wunder – die überbrachte Kunde war durchweg positiv. Das MAP wurde wieder mit Mitteln ausgestattet, der Kesseltauschbonus wieder reaktiviert und es gibt auch eine Förderstrategie: Die Fördersätze sollen, ähnlich der PV-Förderung, stetig sinken. An den mittel- bis langfristigen Zielen der Bundesregierung hat sich nichts Grundlegendes geändert. Auch wenn es noch kein Jahr her ist, dass die Bundesregierung dem MAP den Hahn abgedreht hatte, war die öffentlicher Kritik, der meist bescheiden auftretenden Solarwärmebranche, sehr sparsam. Die Empörung innerhalb der ehrwürdigen Klostermauern war groß. Die Folgen der damals durchgeführten „qualifizierte Haushaltssperre“ auch, da sie ausrechnet in der wichtigsten Phase des Geschäftsjahres ausgesprochen wurde. Der Markteinbruch führte zu einem Verkaufsrückgang von mehr als 40% und Arbeitsplatzabbau bis hin zu Insolvenzen. Bis heute hat sich die Branche davon noch nicht erholt. Es ist auch nach wie vor unklar, ob sich das Auf und Ab beim MAP nicht doch nachhaltig beim Kunden ausgewirkt hat. Die DGS hatte bereits am 20. September 2010, anlässlich der Sitzung bei dem BMU festgestellt: „Um den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 20% im Jahre 2020 und auf 100% im Jahre 2050 anzuheben, müssen die bisherigen Anstrengungen vervielfacht werden. Das MAP in seiner bisherigen Form ist eher kontraproduktiv und als Förderinstrument so nicht geeignet, die gesetzten Ziele zu erreichen. Es erscheint in dem Zusammenhang immer wichtiger, dass man sich von Seiten der Solarwärme mittel- bis langfristig von der Förderung unabhängiger macht.“
Als Konsequenz eines drohenden Umsatzdauertiefs werden die Rufe nach haushaltsunabhängigen Anreizen für die Solarthermie von Seiten der Industrie wieder lauter. So forciert der BSW beispielsweise seine Bemühungen in Richtung einer Erneuerbaren-Energie-Wärmeprämie. Diese soll Anreize schaffen, die Wärmeerzeugung in Richtung Erneuerbarer Energien umzustellen. Dabei soll die Öl- und Gasbranche finanziell in die Pflicht genommen werden, sie soll die Wärmeprämie in Abhängigkeit vom Verbrauch zahlen. Der Wärmesektor soll den Umstieg von Öl und Gas auf Erneuerbare Energien selbst finanzieren, ohne den Bundeshaushalt zu belasten.
Chancen und Potentiale
Es wäre jedoch fatal, sich allein auf ungenügende Förderungen zu berufen, schließlich sollten auch andere Gründe dafür sprechen, in eine Solarthermieanlage zu investieren. Seit Jahren spricht man bei Solarwärme vom schlafenden Riesen. Um bei dem Vergleich zu bleiben, stellt sich die Frage, ob jener überhaupt realisiert, dass er so manche Entwicklung schlichtweg verschläft. Der Boom der Wärmepumpen (WP) auch zum eigenen Vorteil zu nutzen, wurde erst einmal verpasst. Wenige Anbieter hatten sich offensiv mit dem Thema befasst, auch auf dem Symposium beäugte man dieses Thema oft skeptisch. Dieses Jahr wurde man, zumindest in der Außenwirkung, von der PV überholt. Die Kombination PV-WP hat augenscheinlich mehr Charme, auch wenn ihre Sinnhaftigkeit durchaus hinterfragt werden kann.
Betrachtet man ein weiteres Segment des Wärmemarktes, den Geschosswohnungsbau, ist es ähnlich. Große Potentiale für solarthermische Anlagen liegen hier brach. „Die Mehrheit der Deutschen sind Mieter, die Mehrheit davon wohnt in Mehrfamilienhäusern“ verdeutlichte Dr. Axel Viehweger vom Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften die Situation. Speziell Wohnungsbaugesellschaften finden es oftmals wesentlich verlockender, ihre Dächer, im Zuge einer Sanierung, komplett mit Solarmodulen zu bestücken.
Die große Hoffnung, das vom BMU begleitete Projekt Grosol, „Große Solarthermische Anlagen“, fand auf dem Symposium fast nicht statt. Und das, obwohl die breit angelegte Kampagne mit Internetportal und Kompetenzzentren laut Zeitplan eigentlich gerade jetzt der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Weshalb diese Chancen ungenutzt zu verpuffen scheinen, haben wir bereits in der SONNENENERGIE (Ausgabe 2010/6: „Eine verpasste Chance“) ausführlich diskutiert.
Die Schuld der Politik zu geben, wäre auch hier zu einfach. Denn die Solarthermie erhält auch weiterhin die gleiche Unterstützung wie jeher. Ein überzeugtes Engagement kann auch anders aussehen. So fiel während der Podiumsdiskussion (Die Rolle der Solarthermie in der zukünftigen Energieversorgung) zweimal die Aussage, dass die (solare) Wärmetechnik innerhalb der Politik nach wie vor unterbelichtet sei. Bekanntgaben aus dem BMU wie auch von Seiten anderer Bundesministerien erscheinen jedoch in einem anderen Licht, betrachtet man die Wertschätzungen, die anderen Technologien – erneuerbar wie auch konventionell – entgegengebracht werden. Eine mögliche Ursache ist, das wird immer häufiger bemängelt, eine fehlende Lobbyarbeit für Solarthermie. Die aktiven Verbände vertreten nun mal auch andere Interessen, sei es die PV beim BSW, seien es Heizkessel beim BDH. Es ist schwer einzuschätzen, ob eine eigene Interessenvertretung nötig und vor allem praktikabel ist, eine (von mehreren) Ursache für das Schattendasein kann darin aber durchaus liegen.
Kosten
Die Lernkurven der Solartechnik werden gerne angeführt, wenn es darum geht, Gründe für die mangelhafte Nachfrage nach Solarwärme im Vergleich zur PV aufzuführen. Wie man in Bild 2 erkennen kann, fand bei der PV über die letzten Jahre eine deutlich rasantere Preisreduktion statt, da von Seiten der Modulhersteller auch viel nachdrücklicher in Produktionsstätten investiert wurde. Einen interessanten Aspekt hob Helmut Jäger in seinem Vortrag (siehe Bild 3) hervor: Es gibt einen deutlichen Unterschied beim Anteil der reinen Produktionskosten am Endkundenpreis. Während der Herstellung bei PV-Anbietern 82% der Kosten zugeordnet werden können, sind es bei der Wärme gerade mal 60%. Speziell bei „Marketing, Vertrieb, Service und Logistik“ gibt es eine große Differenz. Die beiden Produkte sind bei Vertrieb und Installation eben nur bedingt vergleichbar. Kostenreduktionen sind sicherlich auch bei der Thermie möglich, sie wirken sich bei der heutigen Struktur jedoch wohl weniger gravierend aus. Der wissenschaftliche Leiter des Symposiums, Prof. Matthias Rommel vom SPF aus der Schweiz, erwartet künftige Kostenreduktionen vor allem bei den Systemen.
Wirtschaftlichkeit
Unter dem Programmpunkt Markt und Marketing beschäftigte man sich dieses Jahr intensiv mit dem Thema Wirtschaftlichkeit (siehe auch SONNENENERGIE 2011/2: „Solarwärme-Renditen“). Erich Terbrack von De Dietrich Remeha vermutet, dass die Rendite als entscheidender Kaufanreiz vergessen wurde. Seine Idee: Mit Hilfe virtueller Speichergutschriften sollen Solaranlagen rentabel gerechnet werden. Dieser Ansatz wurde auch vom BSW aufgegriffen. Bei diesem Ansatz wird ein Teil der Anschaffungskosten des Speichers der konventionellen Heizungsanlage zugeordnet. Viele der Teilnehmer äußerten sich skeptisch ob der Chancen. Letztendlich ist das Handwerk gefragt. Inwiefern durch ein solches Gedankenkonstrukt Kaufanreize generiert werden können kann, bleibt abzuwarten.
Innovation
Plakativ lässt sich der Solarspeicher bzw. die Kessel-Speicher-Kombination im Keller vielleicht mit einem Desktop-PC vergleichen. Für den Nutzer ist das Aussehen die genaue Funktion und Leistungsfähigkeit eigentlich nicht so wichtig. Sein Interesse an der Wärmebereistellung hält sich in Grenzen. Anders bei Solarstrom, der hat schon eher den Charme eines iPads. Photovoltaik kann durchaus ein Statussymbol darstellen.
Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist nicht anzunehmen. Die Forcierung des Systemgedanken – keine Ansammlung aller möglichen Komponenten im Keller, vielmehr eine Wärmezentrale mit schönen „Features“ – könnte hier vielleicht Abhilfe schaffen. Auch Helmut Jäger von Solvis glaubt, dass man „jahrelang den Fehler gemacht hat, Solarthermie lediglich als Ergänzung zu betrachten“.
Symptomatisch gingen die Innovationspreise des Symposiums auch an drei Produkte, die sicherlich allesamt innovativ (innovativ = etwas neu Geschaffenes) sind, einen iPod-Charakter jedoch leider (noch) nicht besitzen.
- Preis: Bosch-Buderus-Junkers, integriertes Gasbrennwertgerät mit Durchlauferhitzer und Solarspeicher
- Preis: Grammer Solar, autarker Luftkollektor mit 4 oder 6 m2 Absorberfläche
- Preis: Arbeitsgemeinschaft Druckspeicher, Druckspeicher aus GfK (Bild 4)
Fazit
Sowohl der europäische Solarthermie-Industrieverband ESTIF als auch der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) kommen in ihren Szenarien zu dem nahezu identischen Ergebnis, was die Nutzenergiebereitstellung durch Solarthermie im Jahr 2050 angeht. Beide errechnen, dass 33 Prozent der Wärme aus Erneuerbaren Energie solarthermisch erzeugt werden. Ihr Prognosen bescheinigen der Solarwärme das mit höchste Potenzial und eine große Rolle in der künftigen Wärme- und Kälteerzeugung. Große Potentiale – große Ziele, die es zu erreichen gilt.
Die marginalisierte Technik - Solarthermie auf der Intersolar
2010 war es noch nicht so deutlich, 2011 allerdings nicht mehr zu übersehen. Die Intersolar ist mittlerweile keine Leitmesse für Solarenergie mehr. Ein Radiosender hat sich auch schon dazu veranlasst gefühlt, sie als die größte Photovoltaikmesse anzukündigen, was sie zweifellos ist. Die größte Solarmesse mit schrumpfendem Solarthermie-Anteil, das liegt sicherlich nicht am Veranstalter, sondern vielmehr am Markt selbst. Messegesprächen und ein Messerundgang machten es deutlich: Kollektorhersteller findet man in Photovoltaikhallen, Anbieter beider Systeme haben eher selten zwei Stände.
Matthias Hüttmann