Ressourceneffizienz
Teil 3: Recycling: Der 6. Juni 2011 war für die Anti-Atomkraft-Bewegung ein denkwürdiger Tag. Nach nur einer halben Stunde war der Atomausstieg beschlossen: Das Kabinett hatte das Gesetzespaket für das geplante Ende der Kernenergie in Deutschland bis 2022 im Turbotempo durchgewunken. Seit den erschütternden Ereignissen in Japan ist das Wort „Energiewende“ in aller Munde, und die deutsche Energiepolitik macht einen gehetzten Eindruck. Vielleicht nicht nur aus wahltaktischen Gründen, sondern auch wegen der nun bestätigten Vermutung, dass in drei Reaktoren von Fukushima eine Kernschmelze stattgefunden hat.
Als Bausteine für ein neues Energiekonzept werden jetzt vor allem innovative Technologien diskutiert. Allen voran die Erneuerbaren Energien, Speicherung von Energie, Netzausbau, E-Mobilität, Gebäudedämmung und natürlich das Zauberwort Energieeffizienz. Ein weiteres wichtiges Thema gerät allerdings in den letzten Monaten etwas in Vergessenheit: Recycling. Dabei wird das Sammeln, Verwerten und Wiederverwenden von Produkten für die rasant steigende Weltbevölkerung immer wichtiger.
Statistik und Definitionen
Jeder Rohstoff, der aus der Natur gewonnen wird und in Produktion und Konsum eingeht, wird schließlich zu Abfall. Rund 345 Millionen Tonnen Abfälle fallen jährlich in Deutschland an. Diese setzten sich pro Einwohner vor allem aus rund 199 Kilogramm Haus- und Sperrmüll, 143 Kilogramm Wertstoffen und knapp 111 Kilogramm Bioabfällen zusammen. Mehr als die Hälfte aller Abfälle sammelten die Haushalte im Jahr 2010 getrennt. Deren umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung stellt technisch, organisatorisch und wirtschaftlich eine hohe Herausforderung mit nachhaltigen Auswirkungen auf Umwelt, Ressourcen und Klimaschutz dar.
Die Abfallwirtschaft in Deutschland hat sich daher bereits seit den 1980er Jahren erheblich gewandelt. Flankiert von den strengen rechtlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW/AbfG) des Jahres 1994 und seinem untergesetzlichen Regelwerk stellt der Schritt von der Abfallbeseitigung zur Kreislaufwirtschaft eine bedeutende Entwicklung dar. Mit der aktuellen Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wird diese Entwicklung der Abfallwirtschaft zu einer ressourcen- und umweltschonenden Stoffstromwirtschaft weiter forciert. Wesentliches Element der Novelle ist die Umsetzung der neuen 5-stufigen Abfallhierarchie aus der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie. Sie räumt der Abfallvermeidung und der Vorbereitung von Abfällen zur Wiederverwendung einen Vorrang gegenüber dem Recycling, der sonstigen Verwertung sowie der umweltverträglichen Beseitigung, ein.
Wiederverwendung
Die Wiederverwendung umfasst Verfahren, bei denen Erzeugnisse bzw. Bestandteile zu demselben Zweck wieder eingesetzt werden, zu dem sie ursprünglich bestimmt waren. Die Vorbereitung zur Wiederverwendung umfasst Maßnahmen zur Prüfung, Reinigung oder Reparatur von Abfällen, so dass diese ohne weitere Aufbereitung wieder verwendet werden können. Sie ist in der Regel wenig energieaufwendig. Die Grenzen der Wiederverwendung ergeben sich im Wesentlichen aus einer Abwägung, in die einerseits der Ressourcenverbrauch, die Umweltwirkungen sowie der wirtschaftliche Aufwand und andererseits die Neuproduktion (unter Berücksichtigung des Recycling) gegenübergestellt werden müssen. Mittelbare Auswirkungen, die sich aus der Verwendung von Produkten bzw. Bestandteilen ergeben, die z.B. hinsichtlich des Energieverbrauchs, nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen, dürfen nicht vernachlässigt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der technischen Gerätesicherheit sind der Wiederverwendung enge Grenzen gesetzt.
Recycling
Dem Recycling werden erheblich mehr Abfallarten und -mengen zugeführt als der Wiederverwendung. Ziel des Recyclings ist, ressourcenrelevante Stoff- und Materialströme durch deren Aufkonzentrierung bzw. durch die Separierung von Schad- und Störstoffen zu generieren. Wichtige Maßnahmen für ein Recycling sind die getrennte Erfassung und die Lenkung in geeignete Aufbereitungsverfahren. Von besonderer Ressourcenrelevanz sind Stoffströme wie Mengenmetalle, Technologiemetalle, Kunststoffe und Mineralien, welche insbesondere aus Abfällen wie Schrotten, Elektroaltgeräten, Altfahrzeugen, Verpackungen und mineralischen Bau- und Abbruchabfällen extrahiert werden können. Dazu gehören auch die aus Bioabfällen hergestellten Gärrückstände und Komposte sowie Phosphate aus kommunalen Klärschlämmen. Zukünftig werden auch Photovoltaikmodule, Lithium-Ionen-Batterien oder Windenergieanlagen eine wichtige Rolle bei den ressourcenrelevanten Abfallströmen einnehmen. Die Grenzen des Recycling sind spätestens dann erreicht, wenn die damit einhergehenden Aufwendungen und Emissionen diejenigen der Primärstoffgewinnung überschreiten. Abfallspezifisch durchgeführte Ökobilanzen können diese Abwägung unterstützen.
Sonstige Verwertung
Die sonstige Verwertung erfasst alle übrigen Verwertungsalternativen und schließt insbesondere die energetische Verwertung von Ersatzbrennstoffen aus hochkalorischen Abfällen mit ein, welche primäre Energierohstoffe substituieren.
Ressourcenschutz erfordert ein Denken in Stoffströmen aus einer Lebenszyklus-Perspektive, das die gesamte globale Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung an berücksichtigt. Neben der Materialeffizienz bei der Produktion und dem nachhaltigen Konsum von Gütern leistet die Kreislaufwirtschaft daher einen erheblichen Beitrag zur Schonung der natürlichen Ressourcen. Bereits heute werden zumindest offiziell Siedlungsabfälle in Deutschland bis zu 64% stofflich verwertet. Inklusive der energetischen Verwertung beträgt nach Auskunft des BMU die Verwertungsrate sogar 75%. Durch die Substitution primärer Rohstoffe werden auch schädliche Umwelteinwirkungen durch deren Gewinnung reduziert. So liegt beispielsweise Gold in einer Tonne hochwertiger Leiterplatten in einer 40 bis 60 mal höheren Konzentration als in primären Erzen vor. Durch Recycling und Kreislaufführung werden desweiteren Importabhängigkeiten der deutschen Wirtschaft vermindert. Die Planungssicherheit steigt aufgrund der Dämpfung volatiler Marktpreise von Primärrohstoffen.
Ressourceneffizienz wird daher ein zentrales Thema für die europäische Umweltpolitik des Jahres 2011 werden. Im Auftrag des Bundeskabinetts erarbeitet das Bundesumweltministerium daher gegenwärtig ein „Deutsches Ressourceneffizienzprogramm“ (ProgRess), das dem Kabinett im November dieses Jahres vorgelegt werden soll.
Drei wesentliche Handlungsansätze aus diesem Entwurf sind
- Produktverantwortung stärken,
- Erfassung und Recycling ressourcenrelevanter Mengenabfälle optimieren und
- Verwertungsstrukturen in Schwellen- und Entwicklungsländern fördern, um illegale Exporte zu unterbinden.
Stärkung der Produktverantwortung
Die abfallwirtschaftliche Produktverantwortung gemäß § 22 KrW/AbfG ist ein zentrales Instrument zur Erhöhung der Materialeffizienz durch die Abfallwirtschaft. Demnach sind zur Erfüllung der Produktverantwortung Erzeugnisse möglichst so zu gestalten, dass bei deren Herstellung und Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermindert wird. Die Erzeuger sind nach der Nutzungsphase für die umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung verantwortlich. Hierdurch entsteht ein Anreiz, Erzeugnisse bereits verwertungsfreundlich zu gestalten. Diesen Ansatz verfolgt auch das PCF Projekt (PCF-Product Carbon Foodprint, www.pcf-project.de), welches den gesamten CO2-Ausstoß einer Produktion betrachtet und sich für Emissionsminderungen entlang von Wertschöpfungsketten und für den nachhaltigen Konsum einsetzt.
Die wichtigsten Instrumente der abfallwirtschaftlichen Produktverantwortung stellen Rückgabe und Getrennthaltungspflichten für zu Abfall gewordene Erzeugnisse seitens der Nutzer, Rücknahmepflichten seitens der Erzeuger sowie Erfassungs- und Verwertungsquoten dar. Die Produktverantwortung ist abfallwirtschaftlich bereits durch verschiedene Regelungen umgesetzt worden, etwa in der Verpackungsverordnung, dem Elektrogesetz, der Altfahrzeugverordnung, dem Batteriegesetz sowie der Altölverordnung. Um sicherzustellen, dass Produkthersteller und Abfallerzeuger diesen Anforderungen in der Praxis gerecht werden, müssen Anreize sowie andere geeignete Lenkungs- und Steuerungsinstrumente geschaffen werden. Dafür wird die Bundesregierung insbesondere die bestehenden Verordnungsermächtigungen für Anforderungen an die Produktgestaltung, an Entwicklung, Herstellung und Inverkehrbringen von Produkten weiter ausschöpfen.
Darüber ist beabsichtigt, die bereits vorhandenen abfallwirtschaftlichen Regelungen zur Produktverantwortung unter Ressourcenschutzaspekten fortzuentwickeln. Insbesondere soll die Verpackungsverordnung zu einer allgemeinen Wertstoffverordnung weiterentwickelt werden. Ziel ist, das noch im Restmüll enthaltene Potenzial verwertbarer Stoffe durch die Einführung einer bundesweiten Wertstofftonne stärker für das Recycling zu erschließen. Mit Blick insbesondere auf seltene und strategische Metalle untersucht die Bundesregierung die Möglichkeiten einer gezielteren Erfassung besonders wertstoffhaltiger Produkte, z. B. durch eine Kennzeichnungspflicht. Dies könnte Verbrauchern helfen, Produkte gezielt zu erkennen und verstärkt dem Recyclingkreislauf zuzuführen.
Optimierung der Erfassung und Recycling ressourcenrelevanter Mengenabfälle
Mengenmetalle wie Eisen, Stahl, Kupfer oder Aluminium sind praktisch ohne Qualitätsverluste recyclebar. Für solche Schrotte bestehen bereits gut funktionierende Märkte (siehe auch Beispiel Cronimet). Zur weiteren Stärkung dieser Sekundärrohstoffmärkte wird auch das Bestreben auf europäischer Ebene befürwortet und unterstützt, eine Rechtsverordnung mit Kriterien zum Ende der Abfalleigenschaften bestimmter Schrotte zu erlassen. Das betrifft auch das Bestreben der EU, vergleichbare Kriterien, die zunächst in den Bereichen Altpapier und Kunststoff sowie bei behandelten Bioabfällen vorgesehen sind, zu entwickeln. Die dort geregelten, rechtlich verbindlichen Qualitätskriterien werden die Akzeptanz der Stoffe und damit auch die Nachfrage durchgängig stärken. Auch das Recycling von Siedlungsabfällen soll wesentlich verstärkt werden. Der Entwurf des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes gibt hierfür zunächst eine Recyclingquote von 65 Gewichtsprozent vor, die weit über dem EU-Niveau liegt und bis 2020 zu erreichen ist. Als Instrument für die Verbesserung des Recycling dient die Anwendung der neuen Abfallhierarchie, die Stärkung von Getrennthaltungspflichten und nicht zuletzt die Einführung der einheitlichen Wertstofftonne. Schließlich soll auch die Verwertung von Bioabfällen gestärkt werden. Der Referentenentwurf des KrW enthält die Pflicht, Bioabfälle bundesweit spätestens ab dem 01.01.2015 grundsätzlich getrennt zu erfassen. Obwohl heute bereits jährlich mehr als 100 kg Bioabfälle pro Einwohner getrennt erfasst werden und Deutschland zu den Spitzenreitern bei der Getrennterfassung von Bioabfällen weltweit gehört, besteht hier noch weiteres Optimierungspotenzial. Bislang ist z. B. nur etwa die Hälfte der Bundesbürger an eine Biotonne angeschlossen. Mit rund 200 Mio. Jahrestonnen stellen die mineralischen Abfälle (i.W. Bodenmaterial sowie Bau- und Abbruchabfälle) den mengenmäßig größten Abfallstrom in Deutschland dar. Von den enthaltenen rund 50 Mio. Jahrestonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle wird bisher zur ein Bruchteil zu Recycling-Gesteinskörnungen aufbereitet, welche als hochwertige Beton-Zuschlagsstoffe im Hochbau eingesetzt werden können. Die Bundesregierung untersucht u.a., welche Maßnahmen zielführend zur Erhöhung der Akzeptanz solcher RC-Baustoffe sind. Mit der Vorgabe der Quote von 80 Gewichtsprozent für die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen im neuen KrW soll das hohe Verwertungsniveau in diesem Bereich langfristig gesichert werden.
Verwertungsstrukturen in Schwellen- und Entwicklungsländern fördern illegale Exporte besonders wert- und schadstoffhaltiger Abfälle (insbesondere von Elektroaltgeräten) außerhalb der EU und führen tendenziell zum Verlust von Ressourcen. Sie bergen darüber hinaus in vielen Empfängerstaaten erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt, soweit es in diesen Staaten an effizienten Erfassungs-, Behandlungs- und Verwertungsstrukturen sowie an Schutzstandards fehlt. Aus dem Blickwinkel des Ressourcenschutzes sowie des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ist es daher angezeigt, Abfallexporte strenger zu überwachen. In den Entwicklungsländern sollten nachhaltige, den örtlichen Gegebenheiten angepasste Strukturen für die Erfassung der Altprodukte entwickelt und Rückgewinnungsmöglichkeiten für ressourcenrelevante Materialien und Stoffe installiert oder angeboten werden, insbesondere um die im jeweiligen Land anfallenden Abfälle aus Produkten im Sinne einer globalen Ressourcenschonung zu behandeln. Deutschland unterstützt den Aufbau einer geeigneten Entsorgungsinfrastruktur in den Entwicklungsländern durch Kooperationsangebote, Informationsvermittlung, Technologietransfer und Thematisierung in internationalen Gremien (z. B. im Rahmen der E-Waste-Africa-Initiative, dem Partnerschaftsprogrammen zu Mobiltelefonen und Computern des Basler Übereinkommens oder der RETech-Initiative). Insbesondere wird die Bundesregierung freiwillige und selbstverpflichtende Aktionen der Hersteller sowie die Einführung rechtlicher Regularien zur Übernahme der erweiterten Produktverantwortung durch die Importstaaten befürworten und anregen.
Deutschland ist Weltmeister – zumindest in der Mülltrennung
7.000 Tonnen Müll fallen in Gramacho Gardens bei Rio de Janeiro, der größten Müllkippe der Welt, jeden Tag an. Weit über 1.000 Menschen suchen in den Müllbergen nach verwertbaren Materialen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei sammelt jeder von ihnen nur einen bestimmten Stoff: PVC oder Polycarbonat, Glas oder Pappreste, Alu oder Schwermetall. Der aktuelle Kinofilm Wasteland zeigt das Leben der selbständigen Recyclingspezialisten – der Catadores, die auf der Müllkippe praktische Mülltrennung betreiben und die Idee des Künstlers Muniz, der aus dem Schrott kunstvolle Bilder gestaltet und versteigert. In Deutschland gibt es keine Catadores. Diesen Job übernehmen die Hausmüll-, Papier-, Wertstoff- und Biotonne, zudem noch Altkleider- und Glascontainer – die Deutschen trennen wie die Weltmeister. In einer neuen Wertstofftonne „Gelbe Tonne Plus“ soll noch viel mehr weiterverwertbarer Müll gesammelt werden. Denn in der neuen Wertstofftonne sollen künftig neben den Grüner-Punkt-Verpackungen nicht nur sämtliche anderen Kunststoffarten landen, sondern auch Metalle, Holz und Elektro-Altgeräte.
Minister Röttgen will mit seinen Plänen die Recycling-Quote in Deutschland weiter erhöhen. In der Branche hält man diesen Vorstoß für längst überfällig. „Als rohstoffarmes Land muss Deutschland deutlich sinnvoller mit Sekundärrohstoffen umgehen“, sagt zum Beispiel Eric Schweitzer. Derzeit lande immer noch zu viel verwertbares Material in Müllverbrennungsanlagen, wie auch eine Studie des NABU zeigt. Erste Praxistests hat die Wertstofftonne bereits bestanden. In entsprechenden Pilotprojekten in Berlin und Leipzig wird deutlich mehr Abfall aufbereitet als durch das herkömmliche Sammelsystem. Bei den beteiligten Haushalten sind die Müllgebühren kräftig gesunken. Denn während die Kosten für die Recycling-Tonne von der Wirtschaft getragen werden, erheben die Kommunen für die Restmüllentsorgung eine Umlage. Damit scheint aber auch ein neuer Streit zwischen privaten und kommunalen Entsorgern bereits vorprogrammiert. Zwar befürworten beide Seiten die flächendeckende Einführung einer Wertstofftonne. Allerdings beanspruchen auch jeweils beide die Zuständigkeit für sich.
Kampf um Rohstoffe – wem gehört der Abfall?
In dem Konflikt geht es auch um Abfälle, die zwar keinen Grünen Punkt tragen, aber aus dem gleichen Material sind wie die Verpackungen mit Grünem Punkt. Die kommunale Entsorgung argumentiert, der in der „Gelben Tonne plus“ gesammelte Abfall entziehe dem Land Haushaltsabfälle und stehe damit der öffentlichen Abfallentsorgung entgegen. Doch ganz so einfach kann die Politik die Abfallentsorgung nicht komplett in die öffentliche Hand legen. Zum einen, weil die Entsorgung der Verpackungen über das Duale System ausgeschrieben wird: Hier zahlt der Verbraucher beim Kauf von Produkten mit dem Grünen Punkt, die über das Duale System gesammelt werden, die Entsorgung mit. Zum anderen, weil bei der Abfallentsorgung auch die Bundesebene ein Wörtchen mitzureden hat. Das Bundeskabinett hat Ende März das KrW beschlossen. Das stärkt den kommunlaen Entsorgern zumindest in einem Punkt den Rücken: Bis 2015 soll es nur noch eine Wertstofftonne geben, so sieht es auch eine EU-Richtlinie vor. Doch ob diese Tonne kommunal sein soll oder privat, ob die Sammlung direkt vergeben werden darf und wie das dann mit der Ausschreibung des Dualen Systems funktionieren soll, das muss noch extra geregelt werden. „Bis Ende des Jahres sollen Eckpunkte vorliegen“, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. Die DGS ist gespannt auf die Entscheidung!
Einsparungen von 7 Mrd. Euro und 204.000 Tonnen CO2 möglich
Nach Hochrechnung der privaten Entsorgungsunternehmen könnten jährlich Rohstoffimporte im Wert von gut 7 Mrd. Euro eingespart werden. „Deutschland würde damit seine Abhängigkeit von Primärrohstoffen verringern“, sagt Thorsten Grenz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Veolia Umweltservice. Alba-Chef Schweitzer sieht Deutschland zudem in der Pflicht, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. „Wir haben die Sammel- und Sortiertechniken für ein hocheffizientes Recycling, sind damit sogar weltweit Technologieführer“, sagt der Manager. Anders als etwa beim Transrapid müsse diese Technik nun auch im eigenen Land genutzt werden. „Und wenn Deutschland international eine Führungsrolle übernimmt, kommt das nicht nur der Abfallwirtschaft, sondern auch dem Maschinen- und Anlagenbau und der gesamten rohstoffabhängigen Wirtschaft zu gute.“ Darüber hinaus werde der Klimaschutz gestärkt, sagt Schweitzer mit Verweis auf eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik. Die Oberhausener Wissenschaftler attestieren zum Beispiel dem Kölner Recyclingdienstleister Interseroh jährliche CO2-Einsparungen in Höhe von 204.000 Tonnen. Um diese Kohlendioxid-Menge zu binden, wäre den Forschern zufolge eine Waldfläche von 204 Quadratkilometern nötig. Das würde in etwa der Fläche der Stadt Hannover entsprechen.
Wirtschaftsmotor Recycling
Die folgenden Beispiele zeigen, wie unterschiedliche Ideen, Produkte und Rohstoffe zu verwerten und wiederzuverwenden, ökologisch und ökonomisch sinnvoll genutzt werden können.
Leben in recycelten Möbel ist Trend
„Der verborgene Sinn weggeworfener Dinge“, den der Dadaist Kurt Schwitters in seinen künstlerischen Arbeiten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts thematisierte, wird bei „ZweitSinn“ zu realen Produkten. Aus Möbeln vom Sperrmüll entwickeln die Netzwerk-Designer moderne und qualitativ hochwertige Unikate – zum Teil schon bei Wettbewerben prämiert. Insgesamt 29 umweltschonende Möbel-Kleinserien haben die kreativen Köpfe von „ZweitSinn“ bereits entworfen, die sie über ihre Homepage vertreiben.
„Dadurch wird die Abfallmenge verringert und der Gedanke der Kreislaufwirtschaft gestärkt“, erklärt DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde. „Die Zeit ist überfällig, dass gebrauchte Materialien nicht achtlos ‚entsorgt‘, sondern systematisch als Rohstoff angesehen werden.“ Damit werde auch die Neuproduktion mit Primärrohstoffen beschränkt. „Das schont Ressourcen und mindert den Ausstoß von Kohlendioxid“, so Brickwedde.
DBU förderte wegweisende Projekte
Das 2006 gestartete Konzept hat sich auf Initiative des Instituts für Umweltforschung der TU Dortmund mittlerweile zu „Wohn-Visionen 2020“ weiterentwickelt. Ganze Zimmereinrichtungen und Raumkonzepte aus gebrauchten Materialien entwerfen die beteiligten Betriebe. Auch in der Wissenschaft hat der Recycling-Gedanke Einzug erhalten und steht jetzt auf den Lehrplänen dreier an dem Projekt teilnehmender Hochschulen für Design (Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Akademie Gestaltung im Handwerk Münster, Kunsthochschule Kassel). Die DBU förderte das Netzwerk „ZweitSinn“ mit 120.000 Euro und unterstützt aktuell „Wohn-Visionen 2020“ mit weiteren 192.000 Euro. „Ein wichtiger Bestandteil beider Vorhaben ist aber nicht nur, die Umwelt zu entlasten, sondern auch Berufsperspektiven für sozial benachteiligte Menschen zu schaffen“, betont Verena Exner, DBU-Referentin für Umweltkommunikation in der mittelständischen Wirtschaft. So werde neben der ökologischen auch die soziale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens berücksichtigt. Ob Fenster, Treppen oder Dachziegel, gut erhaltene Bauteile sind genauso wie Möbel zu schade für den Schredder. Das „bauteilnetz Deutschland“ bietet eine Plattform, wieder verwendbare Bauteile in die Kreislaufwirtschaft zurück zu führen. Durch finanzielle Unterstützung schob die DBU auch dieses bundesweite Kooperationsprojekt erfolgreich an. Seit Beginn 2006 sind mittlerweile an elf Standorten in Deutschland Bauteilbörsen entstanden.
Bremer Bauteilbörse
Dieses Konzept hat auch die Bauteilbörse Bremen in die Praxis umgesetzt. Diese hat zum Ziel, möglichst viele gebrauchte Bauteile, die bei Abbruch oder Umbau anfallen und wieder zu verwenden sind, weiter zu vermitteln. Damit wendet sich die Börse gleichermaßen an Privatleute, Handwerksbetriebe, Abrissunternehmen, Baugesellschaften, Planungsbüros und Behörden. Angebote und Nachfragen von Bauteilen werden gegen eine Einstellgebühr telefonisch in der Datenbank aufgenommen. Informationen über die angebotenen Bauteile können jederzeit über die Internetseite www.bauteilboerse-bremen.de abgerufen werden. Bei Kaufinteresse kann das Bauteil im Lager besichtigt werden oder die Börse stellt den Kontakt zum Anbieter her. Die Kunden bekommen gute und günstige Bauteile. Das trägt gleichzeitig zur Verminderung des Bauabfalls bei. Außerdem werden Rohstoffe und Energie eingespart. Es stehen zudem auch jederzeit Sachverständige für Beratungen zur Verfügung und es werden alle Dienstleistungen vom Transport bis zum Wiedereinbau angeboten. Ein überzeugendes Konzept mit vielfältigen Nutzen, welches bundesweit noch internsiver genutzt werden sollte.
(Weitere Infos: DGS Bremen, Klaus Prietzel, prietzel(at)dgs.de)
Neptutherm-Dämmung aus dem Abfall der Meere
Im Winter und Frühjahr liegen ca. 2 bis 10 cm große Bälle in großen Mengen an den Stränden rund ums Mittelmeer und laden zum Spielen ein. Diese filzigen Kugeln, die zusammen mit großen Mengen von Seegrasblättern die Strände verschmutzen, sind Sonnenanbetern und Kommunen mit Badestrand eher ein Gräuel und werden mit schwerem Gerät beseitigt. Normalerweise sind die Bälle kugelrund oder leicht plattgedrückt. Es handelt sich um die abgestorbenen und durch die Wellen zusammengeballten Reste von Blattrippen und Blattscheiden des Seegrases „Posidonia oceanica“ aus der Gruppe der Neptungrasgewächse, welches im Mittelmeer und an der Australischen Südküste in Tiefen von ca. 3 bis 40 m wächst. Die Kugelform entsteht durch die Wellenbewegung in den Flachwasserbereichen vor Sandstränden. Die Kugeln werden vielfach als „Seebälle“ oder „Neptunbälle“ bezeichnet. Neptutherm macht daraus u.a. einen fantastischen innovativen Wärmedämmstoff, der von Natur aus nicht brennt. Seit Ende 2009 forscht der innovative Erfinder Prof. Richard Meier gemeinsam mit Fraunhofer ICT in Pfinztal und der Firma X-Floc in Renningen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für das Umweltministerium Baden-Württemberg, in dem der Einsatz von Neptutherm als Einblasdämmung und Dämmmatte für die Bereiche Bauen und Automobilindustrie entwickelt wird.
Handyrecyclingautomat – Handy rein, Geld raus
Wie Bitkom in seinem Bericht, auf Basis aktueller Daten des European Information Technology Observatory (EITO) mitteilt, soll die Zahl der Handynutzer weltweit bereits 2009 erstmal die 4 Milliarden-grenze überschritten haben. Da viele ihre alten Handys nicht zurückgeben und der Trend zum Zweit- bzw. sogar Dritthandy geht, gibt es auch jede Menge ungenutzter Handys. Eine Milliarde ausgediente Handys, so schätzen Experten, gammeln allein in den USA in Schubladen vor sich hin. Eco-ATM aus San Diego entwickelte daraus ein lukratives Geschäft. Die Firma des Unternehmers Mark Bowles baut seit 2009 Rücknahmeautomaten für Handys (ATM-Automated Teller Machine, deutsch: Geldautomat). Die Maschinen versuchen mit einer Abfolge von Fragen in Kombination mit Schnittstellentests (Funktioniert das Handy? Lädt der Akku?) und einer kamerabasierten Evaluation (Hat das Gerät Kratzer? Leuchtet das Display? Hat es Brüche?) den Wert eines Gebrauchthandys zu erfassen und dem Besitzer einen Preisvorschlag zu machen. Nimmt der diesen an, kann er – in Form eines Wertgutscheins, den er sich bei einem Händler auszahlen oder verrechnen lassen kann – das Handy im Automaten direkt entsorgen. Die gezahlten Preise sind moderat, reichen von Null Dollar für Schrott bis rund hundert Dollar für ein Smartphone, das nicht älter als zwei Jahre ist. Der Entsorger kann, wenn er will, diesen Betrag auch direkt am Automaten einer wohltätigen Organisation zukommen lassen.
Retrofitting: Aufbereitete Antriebe schonen Ressourcen
Die regelmäßige Wartung älterer Großantriebe ist ökologisch wie auch ökonomisch sinnvoll. Nicht nur, dass sich dadurch die Produktlebensdauer deutlich verlängert und der Antrieb schneller wieder zur Verfügung steht als beim Neubau. Die von Experten aufbereiteten Motoren sparen Ressourcen und punkten zusätzlich durch ein Plus an Energieeffizienz. Denn nur gut überholte Motoren bringen nach Aussage von Serviceleiter Volker Jennessen aus dem Mönchengladbacher Unternehmen Schorch ein Höchstmaß an Verfügbarkeit und den maximal möglichen Wirkungsgrad. Zudem erhöhe sich deren Lebenserwartung signifikant und erspare dadurch den zeit- und ressourcenintensiven Neubau, erläuterte er in einem Gespräch mit den VDI-Nachrichten.
Noch größeres Sparpotenzial sieht der Experte im Bereich Retrofitting, also dann, wenn das betagte Aggregat durch zusätzliche Ingenieurleistungen – z.B. durch die Neuberechnung der Aktivteile wie Läufer und Stator – auf den aktuellen Stand der Technik gebracht wird. „Dies ist eine kostengünstige Alternative zum Neukauf eines Motors. Schließlich betragen die Kosten für einen Retrofit-Motor nur etwa 40 bis 60% des Preises, den ein neues Aggregat mit vergleichbarer Leistung kosten würde“, erklärte Jennessen. Zudem sei der generalüberholte Motor wesentlich energieeffizienter als das bisherige Aggregat. Nach der erfolgreichen Reparatur müssen aufbereitete Aggregate ihre wiedergewonnene Leistungsfähigkeit noch in dem firmeneigenen Prüffeld unter Beweis stellen. „Dort können wir jeden Motor mit variablen Frequenzen, Spannungen und Lastzuständen auf Herz und Nieren prüfen. Hinzu kommen Schwingungsmessungen und -analysen sowie Geräuschmessungen“, betonte der Experte auf Basis aktueller EN/IEC Normen.
Cronimet: Recycling von Edelstahlschrott schont Umwelt und Rohstoffe
Vor 30 Jahren gründete Günter Pilarsky das Familienunternehmen Cronimet. Damals erkannte er seine Chance für einen Zukunftsmarkt, denn die Wiederverwertung von Edelstahlschrott schont Umwelt und Rohstoffe.
Seit drei Jahrzehnten liefert Cronimet bereits Rohstoffe für die Edelstahl produzierende Industrie. Als Familienunternehmen ist es in diesem wichtigen Versorgungszweig zu einem Weltkonzern gewachsen. Da die Ressourcenschonung zukünftig immer wichtiger wird, strebt der Konzern die weitere Erschließung dieser Zukunftsmärkte an.
Cronimet ist ein weltweiter Spezialist für Edelstahlschrott, Ferrolegierungen und Primärmetalle. Heute ist das Unternehmen in den drei Wirtschaftszonen Europa, USA und Asien-Pazifik mit über 50 Niederlassungen, Beteiligungen und Repräsentanzen auf den weltweiten Beschaffungsmärkten für Sekundär- und Primärrohstoffe etabliert. Über 4.000 Mitarbeiter machen den Konzern im Bereich Edelstahlschrott, Recycling und Mining weltweit führend.
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für kommende Generationen ist elementarer Bestandteil der Unternehmensphilosophie von Cronimet. Bereits heute wird fast die Hälfte des weltweit benötigten Metalls aus Altmetall gewonnen – Tendenz deutlich steigend. Durch Stahlrecycling werden allein in Deutschland jährlich rund 1,2 Milliarden Euro Materialkosten eingespart; die Energiekosten sinken um weitere 1,1 Milliarden Euro. Dies schont nicht nur die globalen Rohstoffreserven, zugleich sinkt auch der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2). „Durch das Einschmelzen von einer Tonne Edelstahlschrott werden im Vergleich zur Verwendung von Primärrohstoffen mehr als 4,5 Tonnen CO2 eingespart. Das ergab eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts UMSICHT aus dem Jahr 2010“, so Joachim Pilarsky, Geschäftsführer der Cronimet Holding GmbH.
Ausblick
„Wir denken, dass wir uns in einer Situation befinden, in der das Ölangebot nicht ausreichend ist, um die Nachfrage zu decken“, sagte kürzlich ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama. Ein trocken klingender Satz, der aber eine für die Weltwirtschaft potentiell dramatische Entwicklung ausdrückt. Denn Öl ist der Treibstoff der Weltwirtschaft und Konsum die Grundlage zur Sicherung unserer Lebensqualität. Der meist finanzierte, maßlose Konsum von Produktionsgütern ist allerdings auch der größte Ressoucenverbraucher und Emissionstreiber. Allein der private Konsum von Waren und Dienstleistungen ist verantwortlich für ca. 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Ein Produktdesign, das komplexe Produkte aus leicht demontierbaren Elementen gestaltet, könnte die Emissionen durch Recycling wesentlich verringern. Diese Einsicht ist seit Jahren unstrittig, aber der Trend der industriellen Praxis geht leider noch in die entgegengesetzte Richtung. Das PCF Projekt, in dem Firmen mehr zur Produktverantwortung herangezogen werden sollen, oder auch die Einführung einer Ressourcenbesteuerung könnten diesem Trend entgegenwirken. Werden jedoch die ökonomischen Triebkräfte, die zu immer weniger Reparatur und Langlebigkeit geführt haben, nicht gezielt angegangen, dann ist nur mit einem Teilerfolg der vorgestellten deutschen Ressourceneffizienzstrategie zu rechnen. Wir brauchen einen gerechteren, klima- und ressourcenverträglichen Konsum, der aber von einer Vielzahl komplexer Wertschöpfungsketten zwischen Unternehmen und Verbrauchern abhängt. Und diese sind wiederum in einen gesellschaftlich-politischen Kontext eingebunden. Eine umwelt- und klimaverträgliche Gestaltung von Produktionsketten und Nutzungsarten setzt daher die Zusammenarbeit verschiedenster Unternehmen und Akteure, vor allem aber auch die zielgerichtete Aufklärung und Einbindung des Endverbrauchers voraus.
Gunnar Böttger