Die Energiewende trifft alle
In Zeiten der institutionellen Energiewende haben dem Anschein nach Energieversorger wie EON und RWE, aber auch Solartechnikunternehmen wie Solarworld und Q-Cells zu leiden. Es trifft nicht nur die Dinosaurier der Branche, der forcierte Umstieg scheint vielen Akteuren nicht gut zu bekommen. Auch die vermeintlichen Nachfolger haben momentan mit großen Einbrüchen zu kämpfen.
Von der Politik überrascht?
Was ist passiert: E.ON nimmt die Energiewende als Vorwand, um bei seinem Mitarbeiterstamm Tabula rasa zu machen. Von den 85.000 Mitarbeitern könnten bald bis zu 11.000 gestrichen werden. Im ersten Halbjahr 2011 verzeichnete der „Versorger“ noch einen Gewinn in Höhe von knapp einer Milliarde Euro. Für das Jahr 2011 selbst rechnet man mit einem Minus in Höhe von 382 Millionen Euro. Als Grund wird da gerne die überraschend schnell vollzogene Rücknahme der Laufzeitverlängerung bei den Atommeilern vorgeschoben. Dieser Reflex überrascht sicherlich nicht, wirkt bei genauerer Betrachtung jedoch reichlich absurd. Bis November letzten Jahres galt schließlich noch der rot-grüne Ausstiegsfahrplan. Zwischen dem quasi Wiedereinstieg in die Atompolitik (Herbst der Entscheidung) durch die Regierungskoalition und dessen Rücknahme (der Energiewende-Wende nach Fukushima) war ja gerade mal ein halbes Jahr vergangen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man sich sicher war, dass der beschlossene Ausstieg nur auf Zeit war. Der nun endgültige Ausstieg trifft EON hart. Beiläufig räumt man ein, dass neben der Stilllegung der abgeschriebenen Atommeiler wohl auch ungünstige Gaslieferverträge und eine veraltete Verwaltungsstruktur die eigentlichen Ursachen für die geplante Radikalkur sind. Aber es erschien wohl populärer, den schwarzen Peter auch auf die Politik der Berliner Energiewendehälse zu schieben. Auch die anderen Energieriesen wurden von der Energiewende scheinbar ahnungslos überrascht. So meldeten EnBW und Vattenfall für das erste Halbjahr Verluste. Bei RWE gab es gar für das erste Halbjahr einen Einbruch des Nettogewinns um 39 Prozent.
Strategische Fehlentscheidungen
Lässt man mal die oben genannten Probleme von EON außen vor und betrachtet das Tagesgeschäft unserer vier großen Energieerzeugungsunternehmen, wird deutlich, dass sie immer noch rund 80 Prozent des deutschen Strommarktes beherrschen, in Sachen Erneuerbare Energien jedoch mögliche Entwicklung seit dem Jahr 2000 verschlafen haben. Ob dies aus Unkenntnis, wider besseres Wissens oder aus einer Position der Überheblichkeit erfolgt ist, lässt sich schwer abschätzen. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: 2009 wurde gerade einmal ein halbes Prozent des in Deutschland verfügbaren Stroms aus Wind und Sonnenkraft von den Großkonzernen geliefert. RWE selbst bilanziert den Anteil an Erneuerbarer Energie an der eigenen Produktion für das erste Halbjahr 2011 mit vier Prozent. Verglichen mit dem bundesdeutschen Schnitt von 19,2 Prozent, ist das verschwindend gering. Die Energiewirtschaft, speziell der Strommarkt, verändert sich in Deutschland rasant, so richtig wahrhaben möchte man das in den Konzernzentralen allem Anschein nach sehr langsam. Man hat, das wird immer deutlicher, ohne Not Anteile des Kerngeschäfts abgetreten, die Erzeugung von Energie wird zunehmend auch von anderen übernommen. Das Ärgerliche: nicht einmal die Bundesregierung scheint hier offensiv helfen zu wollen. Die Brennelementesteuer wurde für die Haushaltssanierung längst verplant und steht nicht für nötige Investitionen zur Verfügung. Da nutzen die Zugeständnisse bei Offshore und Stromtrassen nicht allzu viel.
Solarbranche am Scheideweg?
Des einen Leid ist des anderen Freud? Nicht ganz. Die junge Solarbranche kämpft aktuell ebenso, auch dort ist von Jobabbau und Sparprogrammen die Rede. Man hat fast den Eindruck, die Energierevolution frisst Ihre Kinder. Die Energiewende wendet sich offensichtlich auch von der deutschen Photovoltaikbranche ab. Bei den Ursachen gibt es einige Parallelen. Während die Energieversorger auf ihren Großkraftwerken sitzen und ihren Strom nicht verkaufen können, wurden bei der PV-Industrie ebenso Überkapazitäten geschaffen. Beide waren sich sicher, dass es erst einmal so weiter geht wie bisher, Investitionen wurden auf Annahmen getätigt, die nicht so recht eingetroffen sind.
Die Politik hält sich zurück
Die Solarindustrie wurde von den Regierungsparteien auch schon stärker unterstützt. So sprach vor kurzem der EU-Energiekommissar und ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Günther Oettinger in einem Interview: „In Deutschland stößt Photovoltaik an seine Grenzen. Wir sind kein Sonnenland, wo die Bauern auf einmal Orangenplantagen betreiben können“. Auch wenn man dem deutlich widersprechen muss – die vergangenen Jahre zeigen, dass Solarstrom ein wichtiger Teil unser zukünftigen Stromversorgung werden wird und inzwischen rund eine Million Hausdächer in Deutschland zur Stromerzeugung genutzt werden, zumal diese Stromerzeugung von Jahr zu Jahr günstiger wird – der Gegenwind nimmt zu. Aber auch dieser wird sich wieder legen, letztendlich sollten schließlich alle von der Energiewende profitieren.
Matthias Hüttmann