Jedes Jahr eine neue Ernte
Bioenergie wächst nach, ist aber nicht unendlich verfügbar. Interessenkonflikte und ethische Bedenken begleiten ihre Nutzung. Die Förderung hat entscheidenden Einfluss auf den Einsatz.
Logisch und löblich, dass sich die SONNENENERGIE auch mit der als energiereicher Kohlenstoff gespeicherten Sonnenenergie beschäftigt. Eingebürgert hat sich dafür der Begriff Bioenergie. Nehmen wir das Getreide:
Ob wir es
- als Nahrung verwenden,
- es verfüttern, um dann das Fleisch zu genießen oder
- es energetisch nutzen (in Heiz- oder Biogasanlagen),
das Getreide ist gespeicherte Energie und der Getreidepreis hängt zunehmend von der Entwicklung der Energiepreise ab.
Viel wird darüber diskutiert, ob wir das Getreide energetisch nutzen dürfen, wenn anderswo auf der Welt Menschen verhungern. Diesen traurigen Sachverhalt gab es allerdings auch schon, als in der EU noch große Mengen landwirtschaftlicher Überproduktion subventioniert eingelagert und Flächen stillgelegt wurden. Erinnert sei an die einprägsamen Worte „Butterberge“ oder „Milchseen“.
Auch wenn es um die Verhinderung des Raubbaus an Tropenwäldern geht, lohnt ein Blick in unsere Vergangenheit: Europa war einmal fast komplett bewaldet. Heute gehört Deutschland mit 31 Prozent Wald an der Gesamtfläche zu den waldreichsten Ländern. Auf Irland z.B. gibt es praktisch keinen Wald mehr. Die seinerzeit betriebene Übernutzung ist eine Grundlage unseres heutigen Reichtums. Wenn wir nun wissen, welche ökologische Funktion der Wald hat und wollen, dass die Amazonas-Urwälder nicht gerodet werden, dann geht es um mehr als die Zertifizierung unserer Biomasse-Importe. Es geht um die Verhinderung des Raubbaus aus gewissenloser Profitgier. Es geht aber auch darum, den Menschen am Amazonas ein Leben mit etwa so viel Wohlstand wie in der alten Welt zu ermöglichen. Das anzuschieben kostet mehr als die EEG-Umlage in Deutschland!
Energiepflanzen stellen das größte einheimische Biomassepotenzial dar, 2050 könnten sie hierzulande unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Restriktionen auf bis zu 4 Millionen Hektar (heute: 1,8 Mio. Hektar) wachsen. Unter der Annahme eines Biomasseertrages von 10 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und eines Brennwertes von 18,5 GJ pro Tonne ließen sich so auf einem Hektar 185 GJ und auf 4 Millionen Hektar 740 PJ erzeugen. Voraussetzung hierfür sind hohe Erträge und effiziente Umwandlungsverfahren. Schließlich sind verschiedene Reststoffe, Koppelprodukte und Energieholz aus dem Wald verwertbar. Damit können wir nicht unseren gesamten Energiebedarf decken, aber knapp ein Viertel könnte es 2050 sein. Das heißt: aus den Vollen können wir auch mit Bioenergie nicht schöpfen. Sie wächst zwar jedes Jahr nach, aber die Flächen dafür sind begrenzt.
Aus den unterschiedlichen nachwachsenden Rohstoffen können neben Energie fast alle heute meist aus fossilem Grundstoff, also Erdöl, Erdgas und Kohle, hergestellten Materialien gewonnen werden. Erinnert sei an die momentanen Klassiker: kompostierbare Lebensmittelverpackungen z.B. aus Maisstärke und Innenverkleidungen für PKW aus Pflanzenfasern.
Aber auch neue Rohstoffquellen wie Algen kommen hinzu. Ihr „Anbau“ – z.B. in Glasröhren – konkurriert nicht um Ackerfläche. Eine weitere Effizienzsteigerung ermöglicht die Kaskadennutzung, d.h. aus nachwachsenden Rohstoffen, die zunächst chemisch-technisch genutzt wurden, gewinnt man am Ende ihres Lebenszyklus dann Energie.
Nachdem Bio-Lebensmittel zu einer festen Größe im Einzelhandel geworden sind, bekommen jetzt grüne Komponenten bei Produkten und im Verkehr eine große Rolle beim Kampf um die Gunst der Kunden. Wir können Briefe go green verschicken, eco-Lables gibt es für immer mehr Produkte usw. Da sind wirksame Maßnahmen genauso vertreten wie purer Etikettenschwindel. Nehmen wir die zwar schnelle, aber energetisch ineffiziente Variante des Personentransportes, das Fliegen. Beim Reisen mit dem Flugzeug, produzieren wir 380 g CO2 pro km. Eine Flugzeugreise erzeugt 153 Prozent mehr CO2-Emissionen als eine PKW-Reise und 950 beziehungsweise 1.900 Prozent mehr CO2 als eine Reise mit der Bahn beziehungsweise dem Bus. Nun mühen sich Flugzeugindustrie und Fluggesellschaften gerade, mit Biokraftstoffen zu punkten. Finanzielle Unterstützung für die Einführung erhalten Lufthansa und Airbus dabei vom BMWi. Den erstaunlicherweise noch günstiger als die Bahn abschneidenden Bussen dagegen hat die Regierung vor zwei Jahren mit der Besteuerung von Biodiesel den Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen ökonomisch wieder unattraktiv gemacht.
Jörg Möbius