Stromspeicher - unendliche Entwicklungen
Kongress „Energiespeicher für die zukünftige Stromversorgung“: Speicher sind das ungelöste Problem der elektrischen Energieversorgung. Das steht auch nach dem Kongress des Cluster Energietechnik Bayern Ende Juni 2011 in Nürnberg fest. „Vier Gigawatt (GW) nicht übertragbare Leistung gibt es laut unserer Netzstudie 2“, weiß Hannes Seidl von der Deutschen Energieagentur. Für viel Windkraftstrom im Norden und hohe Solarerzeugung im Süden Deutschlands soll dem politischen Willen entsprechend ein Ausgleich geschaffen werden: Durch hunderte Kilometer Höchstspannungsleitungen.
Verstärkte Nutzung von Laufwasserkraftwerken
Doch Leitungstrassen zu planen, dauert. Eine schnelle Lösung hat Prof. Oliver Mayer vom GE-Forschungszentrum Garching bei München parat: Laufwasserkraftwerke zur Spitzenstromerzeugung nutzen. Man müsste „nur“ die Staustufen in den großen Flüssen von den Netzleitwarten aus regeln können. Das Prinzip klingt einfach, gemäß den Berechnungen von Prof. Mayer würde sich allein am oberbayerischen Inn eine Regelenergie von knapp 150 Megawattstunden (MWh) ergeben. Ein technischer Umbau der Kraftwerke wäre nicht nötig. Doch es gibt ein bürokratisches Problem: Die Anlagen sind als Laufwasserkraftwerke genehmigt, und ihre Zulassung sieht ein Aufstauen des Oberwassers um 10 oder 20 cm nicht vor. Ein langes, neues Genehmigungsverfahren wäre zu durchlaufen, alle Umweltaspekte seien aus heutiger Sicht zu prüfen: Die neuen Auflagen würden viel kosten. Weshalb der Münchner Professor ein Umdenken aller Beteiligten, vor allem der Wasserwirtschaftsämter fordert, um die Energiewende zu erleichtern.
Wasserstoff und Batteriespeicher
Für Wasserstoff (H2) sieht Manfred Waidhas von Siemens große Chancen. Dessen Vorteil: „Die Verteilstruktur. Er lässt sich auch dem Erdgasnetz zumischen“, also über die Republik verteilen, ohne das Stromleitungsnetz zu erweitern.
Bei Batteriespeichern scheint sich ebenfalls etwas zu bewegen. Holger Schuh von Saft-Batterien sieht bereits den „Einstieg in die MW-Klasse“ bei großformatigen Lithium-Ionen-Energiespeichersystemen. Eine 5-MWh-LiIon-Batterie hat sein Unternehmen bereits für ein Inselnetz auf Reunion produziert und in neun 20-Fuß-Container eingebaut. Hier würden 20% des erzeugten Wind- und Solarstroms zwischengespeichert. Bei Batterieverlusten von 10–20% gingen nur zwei bis vier Prozent der Energie verloren; man sei auf einem guten Weg, meint Schuh.
Noch mehr Strom können Vanadium-Redox-Flow-Batterien speichern, erklärt Prof. Dr. Norbert Menke von der Gildemeister-Tochter A+F aus Würzburg. Das Prinzip: In zwei Tanks werden „positive und negative Energieträger“ gelagert; je größer die Gefäße, desto mehr Energie. Eine elektrochemische Zelle produziert daraus Strom – die Größe der Zelle bestimmt die Spitzenleistung. Das Ganze ist geeignet für Inselversorgungen, aber auch, um den Ausbau von Stichnetzen zu vermeiden. (siehe Artikelreihe „Reversible Elektrochemische Speicher“ in der SONNENENERGIE)
Doch „Langzeitspeicher sind dadurch nicht zu realisieren; das geht nur chemisch“, meint Prof. Dr. Jochen Fricke, der Sprecher des Cluster Energietechnik Bayern. Und diese Technologien – oft wird Wasserstoff genannt – sind auch nach Jahrzehnten Forschung noch nicht wirklich großtechnisch verfügbar.
Gebrauchte Elektroautobatterien und norwegische Speicherseen nutzen
Prof. Dr. Martin Faulstich sitzt dem Umwelt-Sachverständigenrat der Bundesregierung vor. Er schlägt „vorhandene Pumpspeicherkapazitäten in Norwegen“, vor. „Wir könnten dort 80 TWh Zwischenspeicher nutzen“ – bei einem Jahresbedarf in Deutschland von 500 TWh Strom. Nur bessere Leitungsverbindungen zwischen dem Festland und Skandinavien müssten her.
Hierzulande schlägt Faulstich „als dezentrale Speicher ausgediente Batterien aus Elektromobilen“ vor. Auch eine Veränderung der bestehenden Stromversorgungs-Dreiteilung – Erzeugung, Netz, Vertrieb – würde helfen: „Private Investoren könnten Speicher aufbauen und Marktteilnehmer werden. Dazu müsste es ein Umdenken bei den Netzbetreibern geben, die sich zurzeit um die Speicher kümmern müssen.“ Trotzdem: Das deutsche Stromnetz müsse gleichzeitig erheblich ausgebaut werden.
Doch vor dem Ausbau von Speichern und Netzen müsse Energiesparen stehen. Und „bei der privaten Solarstromerzeugung sollten wir die Energie zuerst im Haus nutzen und nur den Überschuss ins Netz einspeisen“, wünscht er sich vom Bund eine Beibehaltung der aktuellen Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Heinz Wraneschitz