Der Pflanzenspeicher
Biomasse ist auf natürliche weise gespeicherte Sonnenenergie. sie liefert Strom und Wärme, wann immer wie sie brauchen. doch anders als bei der direkten Sonnenstrahlung sind die Biomasseressourcen knapp und sollten sparsam genutzt werden.
Schon immer war die Sonne die wichtigste Energiequelle für die Menschen. Holz, Torf, Dung, Teer waren über Jahrtausende die Brennstoffe, die ihnen immer dann Licht und Wärme spendeten, wenn die Menschen sie brauchten. Diese Brennstoffe sind entstanden, indem Pflanzen mittels Photosynthese die Sonnenenergie einfingen, für sich nutzten und in ihrer Biomasse speicherten. Verbrennt man die Biomasse, setzt sie Licht und Wärme frei.
Zwar speichern Pflanzen nur etwa 1% der einfallenden Sonnenenergie, aber dafür können sie dies ganz ohne menschliches Zutun. Pflanzen sind daher schon seit langem der wichtigste Energiespeicher der Menschen. Unsere heutige Wirtschaft baut auf fossilen Energieträgern auf – nichts anderes als vor langer Zeit von Pflanzen gespeicherte und im Erdinneren komprimierte Sonnenenergie. Man nahm sich davon, was man brauchte und noch mehr. Daran, dass sowohl fossile als auch junge Bio-Brennstoffe begrenzt sind, dachte man lange nicht. Doch Pflanzen benötigen Platz und Zeit, um zu wachsen. Und nachhaltig ist Biomassenutzung nur dann, wenn man Biomasse nicht schneller verbraucht, als sie nachwachsen kann und fossile Brennstoffe nicht schneller, als sie sich neu bilden. Der Konsum fossiler Brennstoffe verbietet sich dadurch weitgehend, denn sie brauchen hunderttausende von Jahren, um sich neu zu bilden. Streckt man den Verbrauch des zur Verfügung stehenden Öl bzw. Gas über den entsprechenden Zeitraum, spielt es in der Energieversorgung keine Rolle mehr.
Begrenztes Potenzial
Für die nachhaltige Energieversorgung ist daher eigentlich nur die jeweils nachwachsende Biomasse relevant. Sie zu verbrennen, ist auch in Bezug auf die CO2-Bilanz nahezu neutral, da der größte Teil davon ohnehin innerhalb weniger Jahre zersetzt und das gespeicherte CO2 wieder frei würde. Um die Menge der in dieser Form zur Verfügung stehenden Biomasse zu ermitteln, muss man wissen, wie viel Fläche dafür zur Verfügung steht. Die zur Verfügung stehende Anbaufläche ist daher das wichtigste Kriterium, anhand dessen Wissenschaftler das Potenzial der Bioenergie abschätzen.
Im Jahr 2007 wuchsen auf etwa 2?Millionen Hektar Ackerland in Deutschland Pflanzen, die eigens für die Energieproduktion gezüchtet wurden. Der Bundesverband Bioenergie (BBE) geht davon aus, dass noch mehr zu holen ist. In Deutschland leben schließlich immer weniger Menschen und die Landwirtschaft steigert ihren Ertrag pro Fläche ständig. Schreibt man diese Entwicklung fort, werden im Jahr 2030 in Deutschland etwa 4 Mio. Hektar Ackerfläche für den Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung stehen, ohne dass die Fläche für den Anbau von Nahrungsmitteln knapp wird.
Neben den Äckern muss man auch die Wälder betrachten, denn sie sind ausschlaggebend für das zur Verfügung stehende Holz. Mit rund 11 Millionen Hektar Waldfläche gehört Deutschland zu den waldreichsten Ländern Europas. Mehr als 120 Festmeter Holz wachsen dort Jahr für Jahr. Genutzt – sei es als Bauholz, für die Möbelproduktion oder in Holzheizungen – werden davon laut Angaben des BBE nur etwa 60%.
Auch hier ist also Potenzial für eine Steigerung, argumentiert der BBE. Nichtsdestotrotz: eine Verdopplung der Ressourcen wird niemals ausreichen, um Bioenergie als Grundlast in die Energieversorgung einzubeziehen. Das Öko-Institut Freiburg hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums ein Szenario zur Biomassenutzung im Jahr 2020 entwickelt. Darin werden jeweils 10% des Strom-, Wärme- und Kraftstoffbedarfs mit Biomasse gedeckt. Das kann viel oder wenig sein – je nachdem, ob Biomasse gezielt für das Abfedern von Lastspitzen genutzt wird oder einfach in möglichst großen Mengen verpulvert wird, um den Energiemix statistisch zu begrünen, können 10% viel oder wenig sein.
Bioenergie ist Öko-Spitzen-Energie
Dies ist im Grundsatz den meisten Beteiligten klar. Doch nicht immer wird es umgesetzt. Ein Biomassekessel, der ohne Solaranlage ein schlimmstenfalls ungedämmtes Gebäude heizt, ist aus heutiger Sicht sicher ein Gewinn. Immerhin ersetzt er meist eine Öl- oder Gasheizung. Doch wenn wir tatsächlich all unseren Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken wollen, sollte der Löwenanteil aus möglichst direkter Sonnenenergienutzung stammen. Die Holzheizung – zum Beispiel ein kleiner Scheitholzofen im Wohnzimmer – wird nur dann angeworfen, wenn sich die Sonne im Winter über Wochen nicht blicken lässt. Es sind immer die letzten paar Prozentpunkte, die sich mit Solarwärme am schwersten decken lassen. Hier kann die Bioenergie ihren Vorteil der Speicherbarkeit voll ausspielen, wie zum Beispiel die sogenannten Sonnenhäuser zeigen.
Ähnlich sieht es beim Strom aus. Bisher speisten die meisten Biomassekraftwerke ihren Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Netz. Darüber, ob ihn jemand braucht, mussten sich die Betreiber keine Gedanken machen. Dank des EEG erhalten sie bisher einen gesicherten Preis für jede Kilowattstunde – ganz gleich, ob der eingespeiste Strom gerade fünf Mal so viel Wert ist oder die Netzbetreiber sogar Geld bezahlen müssen, um ihn wieder loszuwerden. Auch hier gilt: Dieses Vergütungsschema war sinnvoll, solange es darum ging, überhaupt erst einen Markt für Biomassekraftwerke aller Art aufzubauen. Jetzt geht es darum, Anreize für eine an den Bedarf angepasste Stromproduktion aus Biomasse zu schaffen (siehe auch „Der große Run auf die Biomasse“ in dieser Ausgabe).
Welcher Anreiz ist sinnvoll?
In der derzeit noch gültigen Fassung des EEG gibt es nur einen Ansatz, um die direkte Vermarktung des Ökostroms ohne fixe Tarife anzureizen: das Grünstromprivileg. Es ermutigt Energiehändler, Ökostrom, der eigentlich unter das EEG fallen würde, direkt vom Erzeuger zu beziehen und an den Verbraucher weiterzuverkaufen. Schafft es der Ökostromhändler, mindestens die Hälfte seines Stroms aus EEG-berechtigten Anlagen zu beziehen, wird all sein Strom von der EEG-Umlage befreit. Der Händler – beziehungsweise seine Kunden – spart also derzeit etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Das Konzept greift. Hochrechnungen zufolge werden in diesem Jahr 9,3 TWh EEG-berechtigten Stroms (8,4% des gesamten EEG-Stroms) keine EEG-Vergütung erhalten, sondern stattdessen direkt an Ökostromhändler verkauft werden. Davon stammen 4 TWh aus Bioenergie. Immerhin 15% des Stroms aus Biomasse werden also schon direkt verkauft.
Zur Spitzlast-Energie wird der Biostrom dadurch allerdings noch nicht. Die Biomassekraftwerke laufen noch immer rund um die Uhr. Lediglich Produktionsausfälle wegen technischer Probleme und Wartungsarbeiten müssen die Stromerzeuger rechtzeitig mit ihrem Abnehmer abstimmen, ein durchaus großer Schritt im Vergleich zum EEG. Den zweitgrößten Anteil an der Direktvermarktung über das Grünstromprivileg hat derzeit übrigens die Windenergie mit voraussichtlich 2,2 TWh im Jahr 2011. Die Differenz zwischen dem Angebot an Wind- und Biomassestrom einerseits und der Kundennachfrage andererseits dürfen die Grünstromhändler mit bis zu 50% Strom aus beliebigen Quellen ausgleichen, sofern dieser in der Jahresbilanz nicht mehr als 50% ausmacht.
Doch nicht alle sind vom Grünstromprivileg begeistert. Während es einerseits dafür sorgt, dass die gesamte EEG-Umlage etwas niedriger ausfällt, verteilt sie sich gleichzeitig nur noch auf die Kunden derjenigen Stromhändler, die nicht das Grünstromprivileg genießen. Für diese steigt die EEG-Umlage um 0,085 Ct/kWh. Um diesen Effekt einzudämmen, wurde das Grünstromprivileg bereits Anfang 2011 reduziert. Die Grünstromhändler sind nicht mehr von der gesamten EEG-Umlage in Höhe von etwa 3,5 Ct/kWh befreit, sondern die Umlage wird für sie nur noch um maximal 2 Ct/kWh reduziert.
Das neue EEG ab 2012
In der novellierten Fassung des EEG sollte ab 2012 die bedarfsgerechte Erzeugung von Strom aus Biomasse gefördert werden. Doch so richtig vielversprechend liest sich das Gesetz nicht. Die Anforderungen an Grünstromhändler sind härter geworden. Ein Kriterium ist die fortbestehende Deckelung der Befreiung von der EEG-Umlage auf 2 Ct/kWh.
Hinzu gekommen ist die Anforderung, dass mindestens 20% des Stroms der Grünstromhändler aus fluktuierenden Quellen wie Wind und Sonne stammen muss – schließlich will man ja das Zusammenspiel verschiedener Energiequellen erproben. „Der Anteil ist nicht das schlimmste“, sagt Daniel Hölder, Vorstandsmitglied des BBE. „Das Problem ist, dass dieses Kriterium nicht nur im Jahresmittel erfüllt sein muss, sondern auch in acht von zehn Monatsbilanzen“. Doch im Sommer ist das Angebot an Windenergie gering – und für Photovoltaikanlagen lohnt sich die Teilnahme am Handel nicht. Will ein Grünstromhändler nun bis in den Frühsommer mindestens 20% Windstrom im Angebot haben, hat er im Winter viel zu viel davon. Insgesamt kann er aber nur so viel Strom aufnehmen, wie er an seine Endkunden verkaufen kann.
Hinzu kommt, dass sich die Teilnahme am Handel nur für diejenigen Bioenergieanlagen lohnt, die nach dem EEG eine geringe Vergütung erhalten würden, also Altholzanlagen, Anlagen mit Abfallvergärung und vor allem Grubengas-Anlagen. Insgesamt geht man beim BBE nicht davon aus, dass die neue Fassung des Grünstromprivilegs zur Marktintegration der Bioenergie beiträgt.
Ab 2012 beinhaltet das EEG auch erstmals eine weitere Art der Marktintegration, die lange diskutierte Marktprämie. Die Grundidee: EEG-Anlagen-Betreiber verkaufen ihren Strom an der Strombörse. Am Ende jedes Monates bekommen sie die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Börsenpreis und ihrem jeweiligen EEG-Tarif einschließlich der Boni erstattet. Obenauf gibt es eine sogenannte Managementprämie für den zusätzlichen Aufwand. Ab 2014 soll diese Form der Vermarktung für alle Biogasanlagen ab 750 kW sogar zur Pflicht werden.
Auf den ersten Blick scheint es, als würde die Marktprämie einen Anreiz bieten, die Stromproduktion in Spitzenlastzeiten zu verlagern, denn dann kann man an der Börse den höchsten Preis für den Strom erzielen. Doch in der Praxis sind die Preisdifferenzen an der Börse dafür nicht hoch genug. Drosselt der Betreiber einfach in Niedriglastzeiten die Einspeisung, entgeht ihm Geld. Will er die Stromproduktion verlagern, muss er in Spitzenlastzeiten seine Leistung gegenüber dem Status quo erhöhen können. Er braucht also nicht nur einen Gasspeicher, sondern auch ein deutlich größeres Blockheizkraftwerk (BHKW) – muss also investieren.
Dieses Problem sahen auch die Politiker und nahmen ein drittes Instrument ins EEG auf, die sogenannte Flexibilitätsprämie. Diese wird mit der Marktprämie kombiniert und hat als erstes Instrument das ausdrückliche Ziel, die bedarfsgerechte Nutzung der Bioenergie zu fördern. Sie fördert im Wesentlichen die nötige Überdimensionierung des BHKW, und zwar mit 130 Euro pro kW und Jahr. Eine Beispielrechnung: Ein Landwirt würde angesichts seiner Gasproduktion normalerweise ein 500-kW-BHKW kaufen und damit im Jahr – Wartungsarbeiten eingerechnet – eine Durchschnittsleistung von 455 kW erzielen. Er installiert nun aber stattdessen ein BHKW mit einer elektrischen Leistung von 1 MW. Dieses betreibt er aber nur zu Spitzenlastzeiten und kommt ebenfalls auf eine Durchschnittsleistung von 455 kW. Um die höheren Investitionen in das große BHKW auszugleichen, bekommt er eine Prämie von jährlich 130 Euro pro kW zusätzlicher Leistung, also von 65.000 Euro. Die Flexibilitätsprämie gilt für neue und bestehende Biogasanlagen – allerdings nicht für Holzheizkraftwerke und Pflanzenöl BHKW.
Das Konzept der Prämie scheint sinnvoll. Doch ein paar Haken gibt es. Zum einen wird sich zeigen müssen, ob die Anreize hoch genug sind, dass die Biostrom-Erzeuger mitziehen. Zum anderen greift die Flexibilitätsprämie nur zusammen mit der Marktprämie. Diese sorgt wiederum dafür, dass der Strom über die Börse gehandelt wird – und so automatisch seinen Status als Ökostrom verliert. Mit der Marktprämie wird also Grünstrom zu Graustrom. Obwohl sich also die meisten Beteiligten einig sind, dass die Speicherbarkeit einer der besonderen Vorzüge der Bioenergie ist, wird dieser Vorzug noch viel zu wenig ausgespielt. Stattdessen wird Biomassestrom auf absehbare Zeit weiterhin rund um die Uhr ins Netz fließen, anstatt zu helfen, Nachfrageschwankungen auszugleichen.
Eva Augsten