Die Förderphilosophie muss neue Wege gehen
Bestandsmodernisierungkann nicht länger ausgeblendet werden: Bei der Wohnungsgenossenschaft Königs Wusterhausen (WGKW) in Brandenburg ist der Vorstand mit der Förderpolitik des Bundes nicht mehr zufrieden. Als die Genossenschaft im Jahr 2009 ein erstes Pilotprojekt einer solarthermischen Heizungsunterstützung in einem Plattenbau, Typ WBS 70, mit 40 Wohneinheiten durchgeführt hatte, schien das gewählte Förderprogramm 281 der KfW ein passendes und hilfreiches Instrument. Inzwischen betreibt die WGKW die solare Bestandsmodernisierung ihrer gesamten Plattenbauten mit dieser Solarwärmetechnik und stellt Lücken und Mängel im Förderinstrumentarium fest. „Als Wohnungsunternehmen bräuchten wir die verbindliche Zusage des Gesetzgebers, dass ein Kurs der Nachhaltigkeit, der zu einer zügigen Bestandsmodernisierung führt, dauerhaft gestützt wird“, erklärt Martina Krüger, Technischer Vorstand der WGKW.
Stur: Jedes Gebäude wird einzeln betrachtet
Alle Gebäude, die bereits Anfang der 90er Jahre bauphysikalisch auf den damaligen Stand gebracht worden waren, sollen, wie das Pilotprojekt, eine Solarwärmeanlage erhalten. Diese soll über ein Energiemanagementsystem gesteuert und in Kombination mit der bereits anliegenden Fernwärme betrieben werden. Damit kann der Heizenergiebedarf um 30 Prozent reduziert und ein Verbrauch von ca. 85 kWh/(m2.a) erreicht werden. Da sich dies warmmietenneutral umsetzen lässt, finden die Maßnahmen bei Mietern und Genossenschaftern breite Zustimmung. Zum großen Bedauern von Vorstandsfrau Krüger gibt es keine Fördermöglichkeit für ein Gesamtpaket einer solchen Bestandsmodernisierung.
Stattdessen muss jedes Gebäude einzeln beantragt werden. Dass dabei jedes Mal das komplette Antragsprozedere durchlaufen werden muss, einschließlich Beratungsgespräch, Gutachten/Simulation zum Kollektorwärmeertrag und Einreichen der Anträge über die Hausbank, sei ärgerlich. Dies erzeuge überflüssige Kosten, vor allem wenn es sich um baugleiche Anlagentechnik und Gebäude handelt. Achtzehn mal die gleiche TRNSYS-Simulation zu wiederholen, deren Ergebnis man im Voraus kenne, sie aber immer wieder neu bezahlen müsse, sei unsinnig. Da die Genossenschaft die Bestandsmodernisierung weitgehend aus Eigenmitteln bestreiten will, zieht sich dieses Vorhaben nun bis zum Jahr 2018 hin. Der 30-prozentige Tilgungszuschuss aus dem KfW-Programm 281 wirke sich zwar positiv auf die Finanzierung aus, führe aber nicht zu einer zeitlichen Straffung der Baumaßnahmen.
Auch wenn Banken sich zu solchen Fragen nicht gern öffentlich äußern, deckt sich ihre Betrachtung durchaus mit der der Genossenschaft. Einzelprojekte seien nicht wirklich interessant, der Aufwand bei KfW-Förderantrag und Darlehensbearbeitung sei zu hoch. Anders verhalte es sich, so ein Banker, wenn ein Unternehmen sich zur Bestandsmodernisierung entschließe. Da gehe man gerne mit. Betrachte man die Entwicklung des Wohnungsbestands bundesweit, sei klar, dass die Bestandsmodernisierung in der gewerblichen Wohnungswirtschaft dringend angegangen werden müsse. Am einfachsten sei es, wenn bereits vor ein oder zwei Jahrzehnten die entsprechenden Hausaufgaben, wie z.B. mittels Dämmmaßnahmen, gemacht wurden. Letztlich sei es aber für alle Unternehmen unumgänglich, wie auch immer sie aufgestellt seien. Anders sei der Modernisierungsbedarf im Bestand nicht zu bewältigen, meint der diskrete Banker, wohl wissend, dass ein Modernisierungsstau bei fast 20 Mio. Wohneinheiten auch mit einem höheren Mietniveau für die Branche kein Pappenstil ist.
Gestiegene Energiepreise erschweren die Modernisierung
Auch wenn der Klimaschutz wichtig sei, dürfe man einen zentralen wirtschaftlichen Aspekt nicht außer Acht lassen. Die gestiegenen Heiz- und Warmwasserkosten wendeten sich inzwischen gegen die Wohnungsunternehmen. Es gehe ein Teil des möglichen Mietertrages an die Energieversorger verloren, und die „Steuerungsfähigkeit der Unternehmen leide“. Obwohl diese ursächlich nichts dafür könnten, müssten sie nun zusehen, dass die Mieten wieder steigen.
Tatsächlich sind diese Auswirkungen einer energetischen Bestandsmodernisierung auf die Nettokaltmieten bislang wenig beachtet worden. Über die Modernisierungsumlage nach § 559 BGB wird die Modernisierung auf die Mieter umgelegt, zugleich jedoch das Mietniveau nach der Abzahlung der Maßnahme auf dieser Höhe belassen. Hier besteht vom Systemansatz her ein Unterschied zur herkömmlichen Einzelinstandhaltung auf technisch gleichem Niveau, etwa einem schlichten Kesseltausch. Mit einer energetischen Bestandsmodernisierung, die zudem warmmietenneutral durchgeführt wird, sind konfliktfrei leicht erhöhte Kaltmieten durchsetzbar.
Der Modernisierungsstau wird immer länger
Unbestritten ist, dass der Faktor Zeit für die Klimapolitik eine große Rolle spielt. Gleichzeitig besagt die Mathematik, dass der Modernisierungsstau mit jedem Jahr größer wird, in dem die Sanierungsrate deutlich unter zwei Prozent hängen bleibt. Und damit werden auch zukünftige Anstrengungen größer, aus diesem Dilemma wieder heraus zu kommen. Deswegen scheint es an der Zeit, einzelne Problembereiche des Wohnungs- und Gebäudebestandes differenziert zu betrachten. Es ist hinlänglich bekannt, dass große Defizite im Geschosswohnungsbau und bei Mietwohnungen im städtischen Raum zu finden sind. Der Dämmstandard vieler Häuser ist weit entfernt von den Effizienzhaus-Standards, welche die KfW-Programme anstreben. In der Haustechnik dominieren Altanlagen mit hohen Verbräuchen, die Mieter wie Vermieter belasten.
Solarisierung meidet Mietverhältnisse
Einzig im Bereich der Eigenheime sind neben Dämmung neue Brennwertkessel und Solarwärmeanlagen in nennenswertem Umfang vorgedrungen. Über ihre tatsächliche Energieeffizienz lassen sich allerdings kaum verlässliche Aussagen treffen. Auch hier sind Zweifel angebracht. Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen kommen in jüngster Zeit vor allem in Neubauten verstärkt zum Einsatz. Hybridsysteme, die den technischen Standard alter solarthermischer Vorwärmanlagen hinter sich lassen und die neben der Kombination mit fossilen Kesselanlagen oder Fernwärme inzwischen auch Wärmepumpen und Solarwärme kombinieren, haben sich zwar bewährt, stehen aber erst am Anfang ihrer Karriere.
Was kommt 2012?
Entgegen vieler Befürchtungen, die noch Anfang des Jahres kursierten, soll es auch 2012 Fördermittel für energieeffizientes Bauen und Sanieren geben, einzelne Punkte sind jedoch zwischen Bund und Ländern strittig. Die Regierung veranschlagte für die KfW-Programme zur Modernisierung des Gebäudebestandes 1,5 Mrd. Euro – im Jahr 2009 waren es noch rund 2 Mrd. Euro gewesen – die Länder wollen 5 Mrd. Euro. Außerdem sollen die Sanierungskosten ab 2012 steuerlich abgeschrieben werden können. Auf wessen Kosten, wird wohl erst im Vermittlungsausschuss entschieden. Noch nicht verabschiedet ist eine Mietrechtsreform und die Fortschreibung der EnEV 2009 zur EnEV2012, von der im Übrigen nicht ganz klar ist, ob sie überhaupt kommt.
Die Fördergelder sind zudem nicht wie bisher im Bundeshaushalt eingestellt, sondern stammen alle aus dem neugeschaffenen Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, der jährlich drei Milliarden Euro umfassen soll, aus dem aber auch die Forschungsförderung für Erneuerbare Energien, Energiespeicher- und Netztechnologien, die Elektromobilität und Energieberatung samt Energieeffizienzförderung bestritten werden sollen. Ob damit der Rückgang der Förderung gestoppt ist und eine Verdoppelung der Sanierungsrate erreicht wird, sowie verlässliche, konstante Rahmenbedingungen für die Zukunft geschaffen werden, scheint vielen Kritikern zweifelhaft.
Hier sei nochmals auf die Bestandsmodernisierung der Wohnungsgenossenschaft Königs Wusterhausen erinnert. „Ob wir für alle Gebäude unseres kleinen Zehn-Jahres-Plans Förderung bekommen, wissen wir heute noch nicht“, sagt Martina Krüger. In diesem Jahr will ihre Genossenschaft drei Gebäude solar modernisieren, 2012 und 2013 jeweils zwei, im Jahr 2014 drei und 2018 schließlich die restlichen sechs. Die Skepsis ist verständlich, glich doch schon die bisherige Förderpolitik des Bundes einer Achterbahnfahrt.
Bei der KfW Bankgruppe verweist man darauf, dass entsprechend dem Baurecht jedes einzelne Gebäude gerechnet werden müsse. Die Erweiterung der Abruffrist für bewilligte Förderanträge auf bis zu 36 Monaten habe man 2009 bewusst so gesetzt, um langfristigeren Bauvorhaben entgegen zu kommen, erläutert Markus Schönborn, Abteilungsdirektor Produktentwicklung im Geschäftsbereich KfW-Privatkundenbank. Darüber hinaus bestehe durchaus die Möglichkeit, Anträge zu bündeln. Im Übrigen sei man bei der Frage nach neuen Programmen der falsche Adressat, dafür sei die Politik zuständig. Die KfW setze um, was politisch vorgegeben werde.
Mit einem Mix aus Fordern, Fördern und Informieren wolle die Bundesregierung ihren Sanierungsfahrplan „neu justieren“, erklärte Dr. Frank Heidrich, Referatsleiter im Bundesbauministeriums (BMVBS), zuständig für Förderung von Energieeinsparung und Klimaschutz im Gebäudebereich anlässlich der Berliner Energietage Ende Mai. Da die „Luft für Ordnungsrecht dünn ist“, so Heidrich, solle neben der Peitsche auch das Zuckerbrot liegen. Wer Zielwerte für Gebäudeeffizienz vorzeitig erfüllt, soll belohnt werden – zum Beispiel mit Steuervergünstigungen – wer zu lange braucht, bestraft werden. Wie das genau funktionieren soll, bleibt auch nach dem Gesetzespaket vom Juni offen. Das BMVBS möchte zudem neben der Einzelförderung ein Programm „Energetische Städtebausanierung“ bei der KfW auflegen, das kommunale Energieeffizienzprogramme fördert.
Fazit: nichts Neues
Letztlich sind dies alles bekannte Stellschrauben, die auch mit veränderter Gewichtung kein neues Konzept ergeben. Kennzeichnend für diese Förderphilosophie ist, dass alle Programme auf das einzelne Gebäude oder die einzelne Wärmeerzeugungsanlage fokussieren. Das bedeutet zugleich, dass die Wohnungswirtschaft als Träger großer Wohnungsbestände und Akteur einer Bestandsmodernisierung nicht wirklich angesprochen wird. Adressat bleibt auch nach den neuen Gesetzen zur Energiewende der einzelne Hausbesitzer.
Treten Wohnungsunternehmen als Fördernehmer auf, werden sie letztlich wie ein Häuslebauer behandelt, auch wenn die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, unter denen sie arbeiten, andere sind. Dies gilt auch für WEGs und die meisten Amateurvermieter. Die Zusammensetzung der Bestände im Geschosswohnungsbau hinsichtlich Alter, Größe und Zustand sind nicht vergleichbar mit dem EFH. Bildlich gesprochen versucht man dem riesigen Bestandsdefizit immer noch mit dem kleinteiligen Abarbeiten vieler einzelner Häuschen beizukommen, auch wenn die Maßgabe, wer viel spart wird stärker gefördert, richtig ist. Aber die Begrifflichkeit einer Bestandsmodernisierung kommt in den Regelwerken nicht vor, entsprechende Förderprogramme sind noch nicht einmal angedacht. Ohne dass hier neue Wege gegangen werden, die spezifisch angepasste Fördermodelle zur Bestandsmodernisierung hervorbringen, wird sich im Geschosswohnungsbau weiterhin zu wenig bewegen.
Klaus Oberzig