Bei uns kommt das warme Wasser aus der Leitung
Anlässlich seiner Wärmekonferenz 2011 wartete der Industrieverband der deutschen Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) mit der Meldung „Schwacher Wärmemarkt torpediert Energiewende“ auf. Grund dazu waren die offensichtlich alarmierend niedrigen Umsatzzahlen. Die Prognose für 2011: 25% unter dem Stand des Jahres 2000. Aber nicht nur beim BDH schrillen die Alarmglocken. Neben den Herstellern konventioneller Heizungstechnik geraten auch die Pioniere der erneuerbaren Wärmesysteme zunehmend in Bedrängnis. Kurzarbeit und Stellenabbau im Zeitalter der Energiewende, eine absurde Situation. Der BDH analysiert: „Volatile Energiepreise, eine unstete Förderung und die zu starke Konzentration der Energie- und Umweltpolitik auf das Thema Strom behindern den energetischen Modernisierungsprozess im Wärmemarkt“. Aber ist das wirklich die ganze Wahrheit?
Eigentlich nichts Neues
Die Kosten für fossile Energie steigen seit Jahren an (siehe auch Artikel S. 29), die Bekenntnisse von dieser antiquierten Wärmeversorgung wegzukommen, ebenso (Seite 26). Auch werden die großen Einsparpotentiale im Gebäudebestand gebetsmühlenartig aufgezeigt. Aber im Endeffekt passiert leider nur sehr wenig. Die zu sanierenden Heizungen und Wohnungen werden irgendwie nicht weniger. Auf dem Weg hin zu einer regenerativen Wärmeversorgung kommt man nur in Trippelschritten voran.
Haben Sie immer Öl?
Das liegt sicherlich auch an dem außerordentlich geringen Wissen der Betreiber, was ihre Heizungsanlagen angeht. Beschäftigt man sich im Alltag mit der klassischen „Kellersituation“, so stößt man immer wieder auf interessante Einblicke. Exemplarisches Beispiel: Auf die Frage, mit was denn der Brenner im Keller beschickt wird – Öl oder Gas – bekam ein Energieberater kürzlich keine befriedigende Antwort. Erst als er nachbohrte: „Haben Sie immer Öl oder müssen Sie regelmäßig neues kaufen“ klärte sich die Situation auf. „Ja, wir haben immer Öl“ wurde ihm entgegnet. Na dann ist alles klar, dachte sich der Experte – Sie haben Gas! Der Hausbesitzer denkt sich womöglich, ich weiß gar nicht was der Kerl will, bei uns kommt doch das warme Wasser aus der Leitung.
Unattraktives im Dunklen
Diese groteske Alltagssituation zeigt deutlich, die Wärmeversorgung unserer Gebäude ist in der Prioritätenliste noch ganz weit unten angesiedelt. Ganz gemäß der Sparkassenwerbung: Meine Frau – Mein Auto – Mein Haus. Wer führt auch schon seine Gäste in den Keller und zeigt seinen neuen High-Tech-Kessel mit all den schönen „Features“. Wie schon in einer anderen Ausgabe geschrieben, lässt sich der Solarspeicher bzw. die Kessel-Speicher-Kombination plakativ vielleicht mit einem Desktop-PC vergleichen. Für den Nutzer ist das Aussehen, die genaue Funktion und Leistungsfähigkeit eigentlich nicht so wichtig. Ganz anders der Solarstrom: Der hat schon eher den Charme eines iPads. Dass Solarthermie wenig Attraktivität ausstrahlt, liegt sicherlich auch daran, dass sie nur ein Anhängsel der doch recht unattraktiven fossilen Heizungstechnik ist. Und die Heizungsbranche hat sich nicht eindringlich bemüht, den Kunden von der Bedeutung der Effizienz des Wärmeversorgers zu überzeugen. Der Fachmann kommt einmal im Jahr und schaut nach dem Rechten. Die Kesseleinstellungen sind nur ihm bekannt, abgesehen davon verharren diese oftmals auf ihren Werkseinstellungen. Der Schornsteinfeger schaut auch regelmäßig vorbei, die Ergebnisse werden meist ohne groß nachzudenken abgeheftet, die Rechnungen bezahlt. Den technikverliebten Hausherren erzählt man am besten gar nicht zu viel, um nicht noch Interesse an einer Optimierung zu wecken.
Dezentralität und Netze
Auf der Stromseite hat es das EEG vorgemacht. Auf der mindestens genauso wichtigen Wärmeseite wird die Energiewende ohne Solarwärme/Biomasse-Nahwärmenetze, ohne die Stärkung der Kraft-Wärme-Kopplung, ohne die Förderung dezentraler Energienetze und vieles mehr nicht funktionieren. Denn nach wie vor fällt der Bereich Wärme beim Energieverbrauch in Deutschland am stärksten ins Gewicht. Mehr als die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs (Strom, Wärme, Mobilität) entfällt auf das Heizen von Gebäuden und auf Prozesswärme für die Industrie. Die Potenziale zur Energie- und CO2-Einsparung sind also gewaltig.
Matthias Hüttmann