Impulse für Nullemissionsmobilität
Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur – ein Bericht aus dem europäischen Projekt REZIPE: Welche Möglichkeiten haben Städte und Gemeinden, wenn sie sich für saubere Elektromobilität engagieren wollen, entsprechende Infrastruktur aufbauen und betreiben möchten? Dieser Frage geht das Projekt REZIPE nach. Das Akronym steht für „Renewable energies for zero emission transport in Europe“. Resultat des Projektes sollen Rezepte (recipes) für die Anwendung und den Betrieb von Elektromobilitätsdienstleistungen sein.
Dazu werden in sechs Städten in Südosteuropa bis zum Jahr 2013 Pilot-Anwendungen erprobt. Sie liefern Hinweise dafür, was Kommunen, aber auch Unternehmen, beachten müssen, wenn sie Angebote für Elektromobilität einführen und aufbauen wollen. Gefördert wird REZIPE vom Regionalentwicklungsfonds der Europäischen Union.
Übergeordnetes Ziel ist es, den europäischen Klima- und Umweltschutzzielen ein wenig näher zu kommen: durch die Einführung von emissionsfreien Fahrzeugen (ZEV) im städtischen Umfeld kann eine Verringerung von Kohlendioxiden, aber auch Stickoxiden und Feinstaub erreicht werden. Die Energie, die für ZEV verwendet wird, stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Diese Ziele adressieren also nicht nur die CO2-Problematik, sondern auch die in den osteuropäischen Ländern noch viel drängendere Situation der lokal wirksamen Emissionsbelastung durch den Kraftfahrzeugverkehr.
Praxistests
Die Praxisbeispiele decken das gesamte Spektrum eines E-Mobilitätssystems ab: von der Erzeugung und Nutzung von Erneuerbaren Energien bis zur Konzeption betrieblicher Infrastruktur und der Beschaffung von Fahrzeugen für private und betriebliche Flotten. Akteure sind dabei vor allem öffentliche Verwaltungen, die saubere und effizientere Transportmittel nutzen möchten: Die Stadtverwaltungen von Klagenfurt (Österreich), Bozen und Reggio Emilia (Norditalien) sowie die Landesverwaltung Oberösterreich in Linz. Aber auch die Unternehmen elaphe (Slowenien, Ljubljana) und PannonNovum (Ungarn, Gyõr) setzen Impulse für Elektromobilität. Beratend und zur Durchführung einer Begleitforschung sind die Forschungsgesellschaft Mobilität in Graz, das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt und das Prometni Institut in Ljubljana dabei.
Im Laufe des Projektes werden die innovativen Ansätze getestet: elektrisch betrieben als öffentliche Fahrzeuge oder in Public Private Partnerships in Städten, Solarladestellen für privat oder betrieblich genutzte Zweiräder oder Autos. Des Weiteren wurde im Rahmen des Projektes eine Planungsrichtlinie für Nullemissionsverkehr-Implementierungen erstellt, die Nachfolgerstädten und -regionen hilfreich sein soll. Sie umfasst eine Checkliste, die Verwaltungen Informationen bereitstellt, welche Aspekte beachtet werden müssen (Ausschreibung, Infrastrukturanschlüsse, Schnittstellen, rechtliche Anforderungen). Aufgabe im Projekt ist es auch, Studien zu Potentialen und Übertragbarkeit im zentraleuropäischen Raum zu erarbeiten.
Im Rahmen dieses Beitrags werden die drei bisher am weitest gediehenen Angebote dargestellt:
- das öffentliche Miet- bzw. CarSharing-Angebot in Klagenfurt,
- das Lieferfahrzeug-Sharing in Reggio Emilia,
- die Dienst-Pedelecs und Ladestationen (auch für die Öffentlichkeit) in Bozen.
Pilotstädte
Die Stadt Klagenfurt am Wörthersee engagiert sich vielfach im Bereich Elektromobilität. So existiert bereits ein Netz an Stromtankstellen in der Stadt. Im Rahmen von REZIPE sind fünf zusätzliche Ladestationen errichtet worden. Eine Photovoltaikanlage (5 kWp) speist Sonnenenergie in das Stromnetz dafür ein. Seit April 2011 können fünf batterieelektrische Kleinwagen (Mitsubishi iMIEV) ausgeliehen werden. Bürger können sich bewerben und die Autos jeweils für eine Woche leihen, damit möglichst viele Strecken ausprobiert werden können, die im normalen Alltag bewältigt werden müssen. Die Nutzer können kostenlos an den Stationen laden, oder zu Hause an einer herkömmlichen Steckdose. Bisher haben bereits über 100 Privatpersonen aller Altersgruppen die Autos getestet. Das ISOE hat Nutzer in einer kleinen Auswahl zu ihren Erfahrungen befragt. Dabei waren die Rückmeldungen überwiegend positiv.
In der norditalienischen Stadt Reggio Emilia sind seit April 2011 fünf batterieelektrische Kleinlieferfahrzeuge (Piaggio Porter Glass Van) in ein Lieferfahrzeug-Sharing eingebunden. Seit mehreren Jahren verfolgt Reggio Emilia eine strikte Luftreinhaltepolitik und hat in der Altstadt eine Umweltzone eingerichtet. Für Einzelhändler, Dienstleister, Handwerker, aber auch Privatpersonen, die etwas transportieren müssen, soll dieses Gebiet dennoch weiterhin auf umweltfreundliche Art und Weise erreichbar sein. Zum Transport in den engen Altstadtstraßen sind die kleinen und leisen Elektrovans hervorragend geeignet. Geladen werden die Fahrzeuge an einer Ladestation an einem Park & Ride Parkplatz am Rande des historischen Stadtzentrums. Sie ist als Carport konzipiert und wird mit einem 3,7 kWp Photovoltaik-System ausgerüstet. Die Lage an dem Park & Ride Platz bietet den Nutzern die Möglichkeit, ihr herkömmliches Fahrzeug dort komfortabel abzustellen oder sogar mit dem öffentlichen Nahverkehr anzureisen.
In der Alpenstadt Bozen wird der Radverkehr seit Jahren erfolgreich gefördert. Der Radverkehrsanteil an den täglichen Wegen in der Stadt liegt bei ca. 30 Prozent. In Bozen sind Elektrofahrräder und Pedelecs bereits weit verbreitet, über 3.000 E-Bikes gibt es in der Stadt. Im Rahmen von REZIPE wurden städtischen Angestellten 15 Pedelecs als Diensträder bereitgestellt. Sie werden für Dienstfahrten und Wege zu einem außenliegenden Standort eingesetzt. Für die Ladung der Akkus werden an zwei Standorten Solarladeanlagen errichtet. Sie erbringen jeweils eine Leistung von 1,92 kWp. Dabei ist eine Ladeanlage für die städtischen Diensträder reserviert, während die zweite auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist (optisch identisch mit Bild 1, allerdings lediglich für Zweiräder). Diese wird am stark frequentierten Hautplatz der Stadt stehen, wo sie gut sichtbar ist und auch Aufmerksamkeit erzeugen soll. Zu Beginn wird das Laden an der öffentlichen Ladesäule kostenfrei sein. Außerdem werden die Dienst-Pedelecs auch anderen interessierten Firmen zum Test für ihre MitarbeiterInnen zur Verfügung gestellt.
Nutzersicht einbeziehen
Vor der Einführung der Elektrofahrzeuge an den verschiedenen Projektstandorten wurde eine Auswahl der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer vom Projektpartner ISOE befragt. Die TeilnehmerInnen äußerten sich zu ihren Einstellungen und Sichtweisen zu Elektromobilität und zu ihren Erwartungen an die Pilotprojekte. Für die Erhebung wurde die Methode der Fokusgruppe angewandt, die aus der Marktforschung stammt. Die Fokusgruppen lieferten nutzerbezogene Hinweise für die Erprobung und Einführung von Elektrofahrzeugen, Infrastruktur und Dienstleistungen im spezifischen Kontext südosteuropäischer Länder. Wesentliche Ergebnisse dieser Diskussionsrunden waren, dass noch viel Informationsbedarf zu den neuen Technologien besteht. Umgang und Nutzung mit Elektrofahrzeugen sind den meisten nur vom Hörensagen bekannt. Dies erzeugt oft Vorbehalte, die durch echtes Testen aufgehoben werden können. Beim Thema Pedelec wurde deutlich, dass jeder, der bereits einmal ein Pedelec getestet hatte, davon begeistert war (Rückenwind-Effekt) und sich eine Anwendung im Alltag vorstellen kann. So können Gruppen, für die herkömmliches Fahrradfahren im Alltag nicht (mehr) möglich ist, dafür gewonnen werden. Zum Informationsbedürfnis zählen aber nicht nur die konkrete Einsatzfähigkeit und das Thema Reichweite. Für Viele sind reflektierte Informationen zu ökologischem Nutzen, Stromherkunft, Lebensdauer und Recycling der Batterien wichtige Themen.
Dies bestätigt den Ansatz des Projektes: Es müssen konkrete Anlässe geschaffen werden, damit Nutzer, aber auch Verantwortliche in der Beschaffung und Anbieter Erfahrungen mit Elektromobilität machen können. Erst so kann es zu sinnvollen Anwendungen kommen, die ausgereifte multioptionale und umweltfreundliche Angebote entstehen lassen können.
Dr. Jutta Deffner