Babelbee - Der Elektro-Wasserhahn
Die Netzintegration von Elektrofahrzeugen: Teil 10: Im Babelbee-Projekt wurde eine Vielzahl von technischen Aspekten zusammengeführt, um einen ganzheitlichen Ansatz für das Lademanagement von Elektrofahrzeugen aufzuzeigen und auszuprobieren. Das Schema mit den einzelnen Komponenten ist in Bild 1 dargestellt und wurde im letzten Teil dieser Serie bereits ausführlich erläutert.
Nachfolgend sollen einige technischen Aspekte der Umsetzung vorgestellt und das Funktionsprinzip des Babelbee-Ansatzes anhand konkreter Beispiele erläutert werden.
Einer der zentralen Grundgedanken ist dabei, dass im Fall des Lademanagements am Ende jeder Entscheidung ein „Stromwasserhahn“ auf oder zugedreht wird. Denn der Stromfluss pro Zeiteinheit ist letztlich die relevante Einflussgröße.
Die Hierarchie der Wasserhähne
Betriebsmodelle orientieren sich an den Gesetzen der Physik. Geschäftsmodelle folgen dem Geld und den Regeln der Märkte. Diese grundlegende Unterscheidung haben wir bereits im letzten Teil etwas ausführlicher beleuchtet. Nun sollen auch hierfür einige konkrete Beispiele aufgezeigt werden. Die in Klammern gesetzten Nummern in den nachfolgenden Absätzen dienen dabei als Verweise in die Abbildungen auf diesen Seiten.
Betrachten wir den Stromlieferanten (2 oder 6). Dieser unterliegt in seinem Handeln diversen Gesetzen und Marktspielregeln. Er versucht Strom möglichst billig einzukaufen und diesen dann möglichst teuer wieder zu verkaufen. Der Stromeinkauf erfolgt meist mehr als einen Tag im voraus und das in sehr groben Zeitrastern von je einer Stunde. Die kleinste Zeitscheibe, die hier interessant ist, sind Abrechnungszeiträume von fünfzehn Minuten. Die Physik hat dabei nur eine geringe Bedeutung. Stromlieferanten fallen somit ganz klar unter die Kategorie der Geschäftsmodelle.
Ganz anders sieht es bei den Netzbetreibern (1) aus. Diese müssen sich dem Stromhandel gegenüber neutral verhalten und bekommen deshalb ihre Dienstleistungen pauschal vergütet. Netzbetreiber müssen „nur“ dafür sorgen, dass die Netze stabil bleiben und verfolgen damit ganz klar ein von der Physik diktiertes Betriebsmodell. Die kritischen, zeitlichen Betrachtungen bewegen sich im Bereich von Millisekunden bis zu Minuten.
Etwas komplexer wird die Situation bei Betreibern von Ladeinfrastruktur (2 bis 4). Meist verhalten sich diese heute ähnlich einem Stromverkäufer, gleichzeitig müssen sie aber aufpassen, dass die Zuleitungen zu ihren Ladepunkten nicht überlastet werden. Hier gibt es bereits einen Zwang zur Abwägung der Interessen. Es kann sein, dass man gerade sehr günstigen Windstrom verkaufen könnte, jedoch die Kabelquerschnitte der Ladeinfrastruktur dem Stromabsatz physikalische Grenzen setzen. Man kann nicht mehr Strom verkaufen (Geld) als man auch wirklich an die E-Fahrzeuge ausliefern kann (Physik).
Noch eine Stufe komplexer wird es bei Mobilitätsanbietern (6). Hier stehen auch ganz klar Geschäftsmodelle im Vordergrund (Geld), aber die technischen Eigenschaften des eigenen Fahrzeuges (7) definieren einen unüberwindbaren Rahmen. Ein Auto mit leerem Akku kann man nun mal nicht vermieten. Erschwerend kommt hinzu, dass es auch beim wirtschaftlichen Nutzen viele Konflikte gibt. Die Schnellladung eines Akkus ermöglicht es, dass Fahrzeug öfter zu verleihen, jedoch leidet dadurch der Akku deutlich mehr als bei einer normalen Aufladung. Die Frage der Lebensdauer des Akkus ist ein Problem, dass sich auf der Zeitachse im Bereich von Jahren abspielt. Auch das sollte der „Stromwasserhahn“ eines Mobilitätsanbieters im besten Fall berücksichtigen.
Der Autobesitzer will nicht nur festlegen können, wann sein Fahrzeug welchen Batteriefüllstand erreicht haben soll, sondern er will eventuell auch bevorzugt den Strom seiner Photovoltaikanlage nutzen, da es für ihn finanzielle Vorteile hätte. Auch dies ist eine Mischung aus Geschäfts- und Betriebsmodell, da die Physik der Solarstromproduktion direkten Einfluss auf das gewünschte Ladeverhalten und damit den Geldertrag hat.
Und dann gibt es da ja auch noch das Elektrofahrzeug (7) an sich. Auch dort gilt es Entscheidungen zu treffen und Stromhähne auf oder zuzudrehen. Wenn das Ladegerät zu warm wird, so muss die Ladeleistung zwangsläufig reduziert werden, wenn man einen kostspieligen Schaden vermeiden will. Ähnlich eindeutig sind die Belastungsgrenzen eines Akkus definiert, auch wenn diese mit dem Füllstand und der Temperatur der Batterie in weiten Bereichen schwanken können. In allen heutigen Fahrzeugen gibt es ein internes Batteriemanagement, das penibelst über die Einhaltung der erlaubten Grenzwerte wacht. Hier geht es um Zeiträume von Sekunden und ganz klar um Physik.
Physik sticht Geld
An einem Ladevorgang sind im schlimmsten Fall alle genannten Akteure beteiligt und alle Einzelinteressen sind zu berücksichtigen. Doch wie bekommt man all diese Wünsche unter einen Hut?
Faktisch ist jeder Akteur Herrscher über einen Stromwasserhahn, den er auf und zu drehen kann. Die meisten dieser Stromhähne können heute aus technischen Gründen nur zwischen „Ein“ und „Aus“ wechseln. Doch vereinzelt sind auch Stromhähne im Spiel die stufenlose Einstellungen erlauben (z.B. das Batteriemanagement).
Für die Summe aller beteiligten Stromhähne ergibt sich immer eine ganz bestimmte Reihenschaltung. Während die Anordnung der Betriebsmodelle durch die Physik und die Stromkabel sehr eindeutig vorgegeben ist, spielen bei der Bedeutung der jeweiligen Geschäftsmodelle vor allem juristische Vereinbarungen eine Rolle.
Egal ob nun zwei oder zwanzig Stromhähne über den Ladevorgang entscheiden. Letztlich wird am Ende durch „die kleinste Öffnung“ immer nur die Höhe der Ladeleistung festgelegt: schnell, langsam oder gar nicht laden.
Auch eine weitere Banalität gilt es nicht zu vergessen. Im Zweifelsfall gilt schon immer: Physik sticht Geld! Egal wie billig der Strom auch sein mag. Ein voller Akku nimmt keine Energie mehr auf.
Harte und weiche Grenzen
In der realen Welt hat jedes Gerät seine bekannten, technischen Belastungsgrenzen. So kann beispielsweise ein bestimmtes Stromkabel dauerhaft mit 20 Ampere belastet werden, ohne durchzubrennen. Um auf der sicheren Seite zu sein, wird dieses Kabel dann mit einem Leitungsschutzschalter versehen, der eine harte Grenze von 16 Ampere festlegt. Darüber liegende Belastungen führen zu einer sofortigen Beendigung des Stromflusses, unabhängig davon, dass die echte Belastungsgrenze (20 A) noch nicht erreicht ist. Der Schutzschalter trennt die Leitung auf. Im Prinzip ist es auch denkbar, dass sich harte Grenzen über die Zeit verändern. So könnte die Umgebungstemperatur oder ein anderer Faktor mit berücksichtigt werden. Die Spielregel bleibt jedoch immer die gleiche: Wer harte Grenzen verletzt, der fliegt raus!
Im Gegensatz zu harten Grenzen, die als eindeutige Warnungen verstanden werden sollen, gibt es noch das Konzept der weichen Grenzen. Diese sollte man eher als Wünsche oder gut gemeinte Ratschläge interpretieren. Die Verletzung weicher Grenzen darf keine direkten Konsequenzen haben, doch es kann durchaus sein, dass eine Aktion (ein Ladevorgang) dadurch eventuell teurer wird. Es kann jedoch sehr gut sein, dass aus weichen Grenzen mit der Zeit harte Grenzen werden. Sie sind dann aber auch endsprechend zu kommunizieren.
Auf diese zwei Prinzipien kann man letztlich jede Form von Lademanagement abbilden.
Ein Praxisbeispiel
In der Grafik 1 soll die bisher erläuterte Theorie nun an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden. Die technischen Belastungsgrenzen der einzelnen Bausteine sind durch die grauen Kästen beschrieben. Die roten Balken definieren die harten Grenzen. Die weichen Grenzen werden als türkise Balken dargestellt.
Der Netzanschluss (1) ist von seiner Kabeldicke auf 25 Ampere ausgelegt. Doch da gerade unerwartet ein Transformator gewartet werden muss, reduziert der Netzbetreiber die zulässige Belastung aller betroffenen Anschlüsse um ein Fünftel, also hier auf 20 Ampere. Gleichzeitig signalisiert er mit den weichen Grenzen, dass ihm eine noch geringere Entnahme oder gar eine Energieeinspeisung lieber wäre.
Die Powerbee (3) des Ladesäulenbetreibers kann bis zu 20 Ampere durchleiten und freischalten. Doch es ist Wochenende und aufgrund der hohen Parkplatzauslastung stehen jedem Parkplatz nur maximal 16 A zur Verfügung. Die weichen Grenzen des Netzbetreibers werden übernommen, aber auf die nun engeren harten Grenzen angepasst.
Das Geschäftsmodell des Mobilitätsanbieters wird durch die Babelbee (7) vertreten. Rein technisch kann diese bidirektional bis zu 25 Ampere dauerhaft aushalten. Der Mobiltätsanbieter hat derzeit jedoch kein wirtschaftliches Interesse an der Bereitstellung von Regelenergie und erlaubt somit die Rückspeisung von Energie nicht (harte untere Grenze bei Null Ampere), da dies nur die Lebensdauer des Akkus reduzieren würde. Der Mobiltätsanbieter hat zudem erst für den Abend einen günstigen Stromlieferanten gefunden. Er signalisiert seinen Wunsch, dass das Auto derzeit möglichst nicht Laden soll dadurch, dass es die weichen Grenzen ebenfalls auf „Null“ herunterfährt.
Das Auto kann mit bis zu 3,7 kW Laden (16 A). Eine Entladung ist bei diesem Modell aber technisch gar nicht möglich (grauer Balken). Zudem hat der Autobesitzer seinem Auto vorgegeben, dass er möglichst immer über eine Mindestreichweite von 50 Kilometern verfügen möchte. Somit wird die Autobee (7) sich über die weichen Grenzen der vorgelagerten Babelbee hinwegsetzen und dennoch einen Ladevorgang erlauben. Die der Ladeelektronik vorgegebenen harten und weichen Grenzen bleiben bei einem Ladestrom von bis zu 16 Ampere.
Eine Batterie (B) kann naturgemäß immer sowohl Energie aufnehmen als auch abgeben. Die Belastungsgrenzen für das Modell dieses Elektrofahrzeugs liegen bei 20 Ampere (bezogen auf ein 230 Volt Netz). Ohne den kühlenden Fahrtwind sind aber nur 10 Ampere erlaubt.
Nachdem alle Interessen bekundet wurden, definiert nun die engste Grenze den tatsächlich resultierenden Ladestrom (gelbe Linie).
Das Kommunikationsprinzip
Das sehr einfache Konzept der harten und weichen Grenzen reicht aus, um das erlaubte und das gewünschte Verhalten zu signalisieren.
Jeder Akteur muss in diesem System immer nur mit dem direkt vor und dem direkt nachgelagerten Partner sprechen. Die Grenzwerte sollten dabei nur dann verändert werden, wenn es dafür einen guten Grund gibt. Ansonsten sind die Grenzen des vorgelagerten Akteurs durchzureichen. Die Veränderungen an einem der Stromhähne werden so in der nachgelagerten Kette weitergegeben.
Sieht nun einer der Akteure die Notwendigkeit den Stromfluss weiter einzuengen oder gar komplett abzubrechen, so kann er dies kundtun. In Grafik 2 hat beispielsweise die Babelbee (6) festgestellt, dass der Kunde sein Zeit- oder Geldguthaben bereits vertankt hat und damit eine logische, harte Grenze erreicht wurde, die es in eine physikalische, harte Grenze umzusetzen gilt.
Egal wer in der Reihe seinen Stromhahn auf- oder zudreht, am Ende bestimmt die kleinste Öffnung den maximalen Durchfluss auf dieser Leitung.
Zentral vs. Dezentral
Wo und wie werden nun diese Entscheidungen getroffen? Eigentlich spielt es keine Rolle! Oder korrekter: Das System muss so gebaut werden, dass es keine Rolle mehr spielt.
Im sechsten Teil dieser Serie haben wir uns ausführlich den Ladeinfrastrukturtypen und Kommunikationsrollen gewidmet. Es gibt beliebig viele denkbare Varianten und jede bringt im Bereich der Geschäftsmodelle trivial einfache oder beliebig komplexe Abhängigkeiten mit sich, wenn es um die zugrundeliegenden Geschäftsmodelle geht. Grafik 3 deutet den erforderlichen Informationsaustausch als gestrichelte Linien an.
Im Gegensatz dazu ist auf der Ebene der Physik die Kette durch den realen Kabelverlauf eindeutig festgelegt.
Für den physikalischen Ladevorgang ist es nur entscheidend, ob ein Stromhahn auf oder zu ist. Ob die entsprechende Entscheidung dezentral vor Ort oder zentral in einer Leitstelle getroffen wurde, ist eigentlich zweitrangig. Warum die Entscheidung getroffen wurde, ist für das betroffene Batterieladegerät ebenso unbedeutend. Was nicht geht, dass geht eben nicht.
Dem Autobesitzer wird es nicht egal sein, ob sein Auto schnell oder langsam lädt. Er braucht auf jeden Fall Planungssicherheit, damit er weiss, wann er seine Fahrt fortsetzen kann. Für den Fall, dass keine Ladung möglich ist, will er über den Grund informiert werden.
Während die „Physik“ also nur den Zustand der Stromhähne dokumentiert, ist es die Aufgabe des „Geld“-Bereiches (siehe Grafik 3) im Bedarfsfall zusätzliche Information bereitzustellen. Hierzu gilt es auf der „Kommunikationsebene der Physik“ primär jedem Stromhahn eine eindeutige Kennung zuzuordnen, damit nachvollzogen werden kann, wer für diesen Hahn verantwortlich ist. Entsprechende Konzepte sind aus dem Internet hinreichend bekannt (IPv6 mit einer Abbildung in das Domain Name System – DNS) und sollten hier auch angewendet werden.
Mit einer entsprechenden Kennung wäre es nun möglich zu klären, ob eine Verstellung eines Stromhahnes eventuell möglich ist (z.B. durch eine Änderung des geltenden Ladestromvertrages oder etwa dem einmaligen Einwurf weiterer Münzen am betreffenden Automaten).
Das Babelbee-System versucht nicht die Kommunikation in der „Geld“-Wolke zu definieren. Es geht erstmal nur darum, dass die Physik transparent und nachvollziehbar wird und dass es einen klar definierten Weg aus der Welt der Physik in die Welt des Geldes gibt.
Denn die Vorstellung, dass ein Kommunikationsstandard in der Lage ist alle denkbaren und in Zukunft geplanten Geschäftsmodelle („Geld“) zu beschreiben, ist geradezu naiv. Jedes in der E-Mobilität aufstrebende Energieunternehmen träumt derzeit davon die zentrale „Clearingstelle“ oder gar die zentrale „Leitstelle“ für alle Ladevorgänge zu werden. In einer gesunden Marktwirtschaft wird es aber immer den Wettbewerb der Ideen und unterschiedlichen Lösungen geben und somit neben den zentralistischen Modellen auch dezentrale, solidarische und sonstige Ansätze der Bereitstellung von Ladestrom.
Das Babelbee-Konzept soll alle Möglichkeiten offen lassen. Es soll mit der eindeutigen Kennung und den harten und weichen Grenzen lediglich eine hinreichende Grundlage auf der unstrittigen Ebene der Physik geschaffen werden. Den Rest regelt der Markt und die Zeit.
IEC 61851
Die heutige Welt der technischen Normen für die Kommunikation zum Thema „Lademanagement“ verfolgt im Kern zwei Ansätze.
Zum einen gibt es da die IEC 61851 mit den Grundlagen zu elektrotechnischen Fragen der Elektrofahrzeuge, mit einem klaren Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Ladevorgänge und die Aspekte der Gefahrenvermeidung. Technisch geht dieses Papier auf Überlegungen zurück, die gut 30 oder 40 Jahre alt sind. Eine Zeit, in der es praktisch keine Computer gab und selbst Fehlerstromschutzschalter eine Seltenheit waren. Die aktuell gültige Fassung der IEC 61851 ist auf das Jahr 2001 datiert. Eine Überarbeitung ist seit einigen Jahren in Arbeit. Die entsprechenden Prozesse dauern auf internationaler Ebene jedoch immer sehr lange.
Die Norm fokussiert auf sehr lokale (dezentrale) Aspekte. Nur wenige Zustände sind zu erkennen und zwischen Fahrzeug und Infrastruktur zu kommunizieren. Dazu gehören:
- Sicherstellung einer korrekten Verbindung des Ladekabels
- Sicherstellung einer korrekten Erdung
- Aktivierung und Beendigung des Ladevorgangs
- Erkennung der erlaubten Belastungsgrenzen für das Ladekabel und den vorgelagerten Stromanschluss.
Für die technische Umsetzung wird ein Mechanismus vorgeschlagen, der aktuell auch von allen großen Autoherstellern umgesetzt wird — jedoch in teilweise inkompatibler Art und Weise:
- Ein Pilotpin im Ladestecker dient im Zusammenspiel mit einem Widerstand in der Ladebuchse des Autos, zur Erkennung des Steck- und Trennvorgangs als auch der Erdung.
- Über die Zuschaltung von zwei weiteren Widerständen in der Pilotpin-Erde-Schleife wird die Betriebsbereitschaft des Autos und der Ladesäule signalisiert.
- Eine Variation der Widerstände dient der Kommunikation unterschiedlicher Zustände (z.B. „Belüftung erforderlich, weil beim Ladevorgang evt. Wasserstoff ausgasen kann“).
- Mit einem über die Pilotpin-Erde-Schleife übertragenem Plusweitensignal (PWM) mit einer erlaubten Streuung von ±2% signalisiert die Ladesäule dem Auto welche Art von Ladetechnik und welche maximale Ladeleistung möglich ist.
Steinzeit
Während die Richtlinien der IEC 61851 zur Vermeidung von Elektroschocks und ähnlichen Gefahren als sehr sinnvoll einzustufen sind, wird bei der Kommunikation deutlich, wie schwer es behäbige internationaler Standards haben, mit der Zeit Schritt zu halten.
Zudem wurden offenbar die Widerstandswerte und Spannungstoleranzen so ungeschickt gewählt, dass bereits Kontaktverschmutzungen zu einer fehlerhaften Zustandserkennung führen können. Das in dem Ladekabel übertragene PWM-Signal ist außerdem nicht sonderlich robust gegenüber elektromagnetischen Störungen und faktisch eine Einbahnstraße. Denn es kann nur die Ladesäule mit dem Auto „reden“, aber nicht umgekehrt (sofern man von den Widerständen absieht).
Nach dem heutigen Stand der Technik würde man anstelle der Widerstände und des schwammigen PWM-Signals direkt auf ein ganz normales, digitales Industrieprotokoll (z.B. CAN oder RS485) aufsetzen. Die Fahrradindustrie ist hier mit ihrem EnergyBus der Automobilindustrie um „Lichtjahre“ voraus.
Auch die Denkweise der 61851 ist sehr veraltet, denn man betrachtet die Elektrofahrzeuge primär als passive Anhängsel einer „aktiven“ Steckdose.
ISO/IEC 15118
Erst im Jahr 2009 wurde eine neue Arbeitsgruppe bei der IEC und ISO ins Leben gerufen, die das Thema der Kommunikation im Kontext der energiewirtschaftlichen Einbindung von Elektrofahrzeugen lösen soll.
Als Basis werden in der 15118 Norm aktuelle (teils sehr schnelllebige) Internet-Technologien herangezogen. Als technisches Übertragungsmedium wird eine Powerline-Technologie (HomePlug Green PHY) favorisiert. Die Übertragungsform des Kabelfunks wurde bereits in der 61851 skizziert und bietet für die Einbindung in ein häusliches Energiemanagement viele Vorteile. Doch ist bei Kabelfunk keine exakte räumliche Zuordnung von Sender und Empfänger möglich und damit ist diese Technologie zur Gefahrenvermeidung nicht nutzbar (also kein Ersatz für die „Steinzeit“ der 61851).
Für eine abschliessende Bewertung der 15118 ist es noch zu früh, da gerade mal die ersten Entwürfe zur Debatte gestellt wurden. Man kann jedoch schon das große Motto erkennen und das nennt sich „zentrale Leitstelle für Ladevorgänge“. Der Standard soll nicht nur Energieprofile und Preisprognosen übertragen, sondern auch Fragen der Zugangskontrolle und Zahlungsabwicklung definieren. Damit bewegt sich die 15118 im Bereich „Geld“ der Grafik 3, liefert aber immer noch keine Lösung auf die Fragen der „Physik“ (Welche Absicherung hat das Kabel an dem das E-Auto hängt?).
Der goldene Mittelweg?
Den Babelbee-Ansatz der dynamischen harten und weichen Grenzen für den bidirektionalen Energieaustausch kann man derzeit mit keiner der beiden zur Diskussion stehenden Normen umsetzen.
Wir werden auch weiterhin versuchen unsere Ideen von robusten, günstigen, dezentralen Systemen und intelligenten Elektrofahrzeugen in die Debatte einzubringen.
Tomi Engel