Gebäude der Zukunft (I)
Teil I des Vergleichs – Energieautarkes Haus + Elektromoblität: Neben der Energieversorgung steht in Zeiten der Energiewende ebenso der Energieverbrauch in der Diskussion. Der Energiebedarf unseres täglichen Lebens spiegelt sich nicht zuletzt in unseren Gebäuden wieder. Neben der energetischen Sanierung von Altbauten stehen gerade neue Gebäudekonzepte für den Wandel unserer Zeit. War das Haus von gestern Energieverbraucher, Wärme und Strom mussten in das System Haus von außerhalb eingebracht werden, so erzeugt es heute seinen Energiebedarf selbst, bisweilen werden sogar Überschüsse erwirtschaftet. Dieser Artikel beleuchtet den Weg zu Gebäuden mit hoher und intelligenter Eigenversorgung mit Strom und Wärme aus der Sonne bis hin zu energieautarken Gebäuden, die mittlerweile keine Utopie mehr sind.
Strom heute: zu kostbar zum Heizen
Das energieautarke Haus basiert auf dem Standard des Sonnenhaus-Instituts. Diese sogenannten Sonnenhäuser mit über 50 Prozent solarthermischer Deckung für Heizung und Warmwasser sind bezüglich Primärenergiebedarf (5–15 kWh/m2a), CO2 Ausstoß und jährlichen Heizkosten die derzeit sparsamsten Häuser am Markt und erfreuen sich steigender Beliebtheit. Über 1000 solcher Sonnenhäuser wurden in Deutschland in den letzten Jahren errichtet. Der Sonnenhausstandard mit Langzeitwärmespeichern ist somit ein bewährtes und zunehmend marktverbreitendes Konzept. Die Sonderform des energieautarken Haus hat als serienreifes Gebäude zudem auch den Status des Prototyps längst abgestreift. Seinen Bedarf an Heizung und Warmwasser deckt es weitestgehend mit der Sonne. Dafür ist es mit einem 9 m³ Langzeitwärmespeicher (Wasser) und 46 m2 Kollektorfläche ausgestattet. Der zusätzliche Wärmebedarf wird mit einem hocheffizienten Kaminofen und etwa 1–2 fm Stückholz (für etwa 75–150 €) pro Jahr gedeckt. Die Trinkwassererwärmung erfolgt mittels Frischwasserstation im Durchflussprinzip. Dabei wird nur die jeweils benötigte Menge an Wasser hygienisch erwärmt. Das spart jede Menge Energie und verhindert zudem die Legionellenbildung. Um auch in den Zeiten mit hohem Energiebedarf und tief stehender Sonne diese optimal nutzen zu können ist die Dachfläche bewusst auf 45° geneigt. So wird auch im Herbst, Winter und Frühjahr genügend und im Sommer nicht zu viel Überschuss produziert, womit auch das Netz entlastet wird. Der Primärenergieverbrauch liegt bei 5 kWh/m2a und damit etwa 90 Prozent unter einem Standard EnEV 2009 Einfamilienhaus und etwa 80 Prozent unter einem typischen Standard Passiv- oder Plusenergiehaus.
Die Nutzung von Solarthermie zum heizen hat im Gegensatz zu Strom große Vorteile. Wärmepumpen (WP), speziell die oftmals zur Verwendung kommenden Luftwärmepumpen, erreichen in der kalten Jahreszeit nur geringe Wirkungsgrade, bei starken Minustemperaturen kann sich das Verhältnis von Stromverbrauch zur Wärmeerzeugung (Arbeitszahl) bis auf 1:1 verschlechtern. Zur Bereitstellung einer Einheit Wärme (1 kWh) wird dann die entsprechende Menge Strom (1 kWh) benötigt. In diesem Moment entspricht eine Wärmepumpe einer Stromdirektheizung. Im Rest des Jahres liegt diese Arbeitszahl bei durchschnittlich 1:3,5. Eine Solarthermieheizung mit Sonnenkollektoren und einem Langzeitwärmespeicher hat im hier vorgestellten Konzept ein Verhältnis Strom zu Wärme von über 1:100. Der Solarkollektor benötigt nur in geringem Maße elektrische Mithilfe um die benötigte Wärme zur Verfügung zu stellen. Mit einer Einheit Strom (1 kWh) wird eine ungleich höhere Wärmemenge (100 kWh) bereitgestellt.
Durch den Einsatz der Solarthermie zum Heizen anstatt Wärmepumpe wurde der Stromverbrauch des Hauses dramatisch gesenkt. Während Plusenergiehäuser überlicherweise vor allem im Sommer etwa 1,5 mal so viel Strom erzeugen, als sie im Jahr verbrauchen, erzeugt das energieautarke Haus mit nur 8,2 KW Photovoltaik etwa 3,5 mal so viel Energie, wie das Haus selbst verbraucht.
Strom: Eigenverbrauch statt Bilanz
Das energieautarke Haus erzeugt neben der benötigten Wärme ebenso seinen eigenen Strom. Mithilfe einer Photovoltaikanlage (8,2 KWP) und einem Akkuspeicher (48 kWh) ist eine vollständige solare Deckung des Strombedarfes möglich. Das Haus kann ohne Stromnetzanschluss auskommen. In den Monaten Februar bis November sind auch Überschüsse möglich, diese stehen durch den großzügigen Speicher für eine Beladung eines Elektroautos („Tankinhalt“ 10–20 kWh) auch dann ausreichend zur Verfügung, wenn die Sonne nicht scheint. Um das Elektrofahrzeug auch real laden zu können, sind entsprechend große Akkus nötig. Für eine Tankfüllung sind Akkukapazitäten von 15–20 kWh notwendig, damit der Akku nicht bereits nach einer Stunde entleert ist und das Auto nachts selbst im Sommer dann doch wieder am Netzstrom hängt.
Hintergrund: Eine vierköpfige Familie verbraucht in Deutschland durchschnittlich 4.000–5.000 kWh Elektroenergie im Jahr. Um die Stromautarkie für dieses Einfamilienhaus zu ermöglichen, musste der Haushaltstromverbrauch auf unter 1.500 kWh/Jahr gesenkt werden. Dieses Ziel wurde in durch Optimierungen auf allen Ebenen erreicht. Ein wichtiger Grundsatz dabei war die Vermeidung der Umwandlung von Strom in Wärme. Dies wurde neben der Vermeidung des Heizens mit Strom auch auf Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Geschirrspüler etc. angewendet. Die Verhinderung von standby-Verbrauch der Haushaltsgeräte, der Einsatz eines hydraulischen Pumpsystems mit geringsten Widerständen im Heiz- und Solarkreislauf sowie der Einsatz eines stromsparenden Lichtkonzeptes führten ebenfalls zur Reduzierung des Stromverbrauchs. Um den Bewohnern noch einen gewissen persönlichen Spielraum zu ermöglichen, wurde die Stromerzeugung sicherheitshalber höher ausgelegt.
Kein Ende der Solarthermie
Auch wenn Stromlobbyisten und Fachzeitschriften wie die Photon das Ende der Solarthermie bereits ausrufen. In den Szenarien wird dort vorgerechnet, dass es mittlerweile günstiger sei, sein warmes Wasser günstiger mit einer PV-Anlage und eine Wärmepumpe zu erzeugen. Elektrische Wärmesysteme ließen sich deutlich günstiger auslegen, diese würden mit sinkenden Anlagenpreisen auch noch immer billiger.
Wer bei Solarwärme lediglich an die Trinkwarmwasserbereitung denkt, macht jedoch einen entscheidenden Fehler. So ist es doch eigentlich viel naheliegender mit einer einfachen Technologie der Autarkie näherzukommen. Ein Heizbetrieb ist mit der PV/WP-Kombination nicht wirklich möglich. Selbst von Seiten der Verbände wird bestätigt, dass je nach Anlagenkonfiguration und Größe des Pufferspeichers im Heizbetrieb maximal knapp fünf Prozent des Strombedarfs der Wärmepumpe durch die PV-Anlage auf dem Dach gedeckt werden können. Eine großzügig ausgelegte Solarwärmeanlage ist in der überwiegenden Zeit des Jahres dazu durchaus in der Lage.
Zur Erreichung einer möglichst hohen Gesamteffizienz in Zukunftsgebäuden ist es sinnvoll, die für die jeweiligen Bereiche Wärme und Strom optimalen Konzepte und Technologien einzusetzen. Die Erzeugung von Wärme aus Sonne ist um den Faktor 2 bis 3 effizienter als die Stromerzeugung. Auch die Investitionskosten für Speicherung von Wärme in z.B. Wasserspeichern sind mit 10–40 €/kWh
um den Faktor 40 niedriger als für Akkus.
Probleme werden verlagert
Im Sommerhalbjahr mit PV Strom erzeugen, im Winter mit der WP Strom verbrauchen, die Jahresbilanz stimmt, aber was bedeutet das für das Netz? Im Winter ist wesentlich weniger regenerativer Strom im Netz vorhanden, in der Regel kommt der Strom aktuell überwiegend aus fossilen Grundlastkraftwerken. Wird das Konzept der Plusenergiehäuser, die häufig mit Luftwärmepumpen ausgestattet werden in der Masse umgesetzt, wird die Netzüberlastung von fluktuierendem Solarstrom im Sommer verstärkt und im Winter müssen zur Versorgung der Wärmepumpen mehr fossile Grundlastkraftwerke zugebaut werden oder fossiler Strom aus dem Ausland eingekauft werden. Wenn mittel- und langfristig überwiegend regenerativer Strom in den deutschen Netzen verfügbar wird, dann ist dieser Aspekt wieder neu zu bewerten. Die überwiegende oder komplette Eigennutzung des erzeugten Solarstroms vor Ort hat dagegen den Effekt, dass das öffentliche Stromnetz entlastet wird. Je größer der Anteil dezentraler Energieerzeugung und –speicherung am Standort ist, umso geringer sind demzufolge die
- Kosten für Netzausbau, Reserveleistung und zentrale Speicherkapazitäten,
- Kosten für Energietransport, Umwandlung und Speicherbe– und entladung,
- Abhängigkeit von Belastungsspitzen und Störungen im Strom/Gasnetz,
- Kostenunsicherheit und Kostenbelastung für Gebäudenutzer.
Das Gebäude verfügt trotzdem über einen Netzanschluss. Zum einen kann man den möglichen Überschussstrom ins Netz einspeisen und verkaufen, zum anderen wird die Sicherheit für den Fall eines technischen Anlagendefektes erhöht. Bei einem externen Problem (z.B. Stromausfall) bietet das Gebäude den Bewohnern volle Sicherheit und Unabhängigkeit
Innovationen
Um die Vision der Energieautarkie zu erreichen mussten innovative Mess-, Steuer- und Regelsysteme entwickelt werden. Diese sind notwendig, gilt es doch die gewonnene Energie intelligent und effizient dort einzusetzen, wo sie gebraucht wird.
Sowohl Solarstrom als auch Solarwärme werden durch intelligente Verbrauchssteuerung so optimiert, dass eine kontinuierliche Strom- und Wärmeversorgung des gesamten Hauses über das ganze Jahr hinweg erst möglich ist.
Die Steuerung für die Heizungsanlage ist mit dem Internet verbunden und kann über eine benutzerfreundliche Oberfläche bedient, gewartet und durch die Eingabe entsprechender Parameter geregelt werden. Die Anlage speichert die Messdaten über einen bestimmten Zeitraum und liefert bei Auftreten von Störungen hilfreiche Informationen für eine Fehleranalyse.
Prof. Timo Leukefeld