Energiewendespeicher
Im Zuge der Debatte um die Energiewende wird verstärkt die Frage der Stromspeicherung gestellt. Doch welche Anforderungen haben Speicher in einem zukünftigen System zu erfüllen.
Es sind schon komische Zeiten. Man könnte fast glauben, dass auf einmal alle für eine Energiewende sind. Gleichzeitig wird nun aber auch scheinbar alles mit der Energiewende begründet. Wer kann schon … ja, wer darf schon etwas gegen die Projekte der Energiewende haben?
Aber hat man überhaupt verstanden, was die Energiewende ist? In vielen politischen Strategiepapieren, aber auch in Vorträgen von wissenschaftlichen Akteuren, tauchen weiterhin vor allem die Projekte der Gigantomanie auf: DESERTEC-Strom aus der Wüste, paneuropäische Höchstspannungsnetze, neue Multimegawatt-Gaskraftwerke auf der grünen Wiese und viele neue Pumpspeicherkraftwerke. Es entsteht der Eindruck, als ob nur Dinge, die man aus dem Weltraum noch sehen kann, eine Rolle spielen.
All zu oft wird - und das auf allen Seiten des Parteienspektrums - damit argumentiert, dass gerade diese Bauprojekte zwingend für eine Energiewende benötigt werden und deshalb so schnell wie möglich realisiert werden müssten. Dass viele dieser Bauvorhaben schon lange vor der medial-politischen Energiewende des Jahres 2011 aus ganz anderen Beweggründen geplant wurden, spielt keine Rolle. Dass die reale Energiewende der letzten zwanzig Jahre bereits eine massive strukturelle Veränderung eingeleitet hat, spielt dabei auch keine Rolle. Wen interessiert es schon, dass bereits heute gut 80% der Erneuerbaren Kraftwerksleistung im Nieder- und Mittelspannungsnetz sind? (Details siehe unter: www.energymap.info) Dieser Trend wird sich in Zukunft aber noch verstärken, weil Solarstrom und Blockheizkraftwerke, die mit Abstand größten Potentiale bieten.
100% Erneuerbar geht
Positiv ist zu verbuchen, dass die Bekennung zu 100% Erneuerbaren Energien - was die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie schon seit 1975 fordert - nun nicht mehr als realitätsfremde Spinnerposition abgetan wird, sondern der große politische Konsens ist.
Dass ein derartiges System mit heute bekannter Technik umgesetzt werden kann und auch im Rahmen der geltenden Gesetze der Physik funktioniert, wurde schon vielfach untersucht und grundsätzlich bestätigt. Im Zuge der Energiewende und Klimadebatte gewinnen derartige Studien aber wieder an Stellenwert.
Eine der besonders guten Arbeiten zu diesem Thema wurde unter dem Titel „Energieziel 2050“ im Juli 2010 vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht. Die Studie beinhaltet eine sehr umfassende und umfangreiche Sammlung von Energiekennzahlen und Potentialabschätzungen aus allen Sektoren.
Eines der zentralen Ergebnisse ist die erneute Bestätigung, dass auch ein Industrieland wie die Bundesrepublik sich unter bestimmten Annahmen zu 100% aus den eigenen Erneuerbaren Energiequellen versorgen kann.
Um zu belegen, dass diese Annahmen nicht nur auf einem Bierdeckel gut aussehen, wurde das skizzierte Energiesystem durch das Fraunhofer IWES (Kassel) auf der Basis von räumlich und zeitlich hochauflösenden Wetterdaten der Jahre 2006 bis 2009 simuliert.
Erzeugungsprofile
Bevor wir in die Debatte um den prognostizierten Bedarf an Stromspeichern einsteigen, eine der zentralen Fragen der Studie, sollen hier vorab ein paar Worte zum Energiemix fallen. Im Kasten auf der nächsten Seite werden typische Erzeugungsprofile für die unterschiedlichen Stromquellen aufgezeigt. Für jeden Monat sieht man, welche Energiemenge in dieser Zeit bereitgestellt werden könnte.
Dass die Erzeugung von Solarstrom sich analog zur Tageslänge und Sonnenscheindauer verhält, ist wenig verwunderlich. Interessent ist hierbei vielleicht eher, dass die Schwankungen zwischen mehreren unterschiedlichen Jahren im Vergleich zu anderen Erneuerbaren Energien relativ gering sind.
Bei der Biomasse wird heute der Betrieb vor allem ökonomisch optimiert, was gerade beim Biogas zu bizarren Formen der Energieverschwendung führt. Auch im Sommer wird Biogas verbrannt, obwohl meist kein Wärmebedarf besteht. Würde man diese Energie jedoch in das Erdgasnetz einspeisen, in Gaskavernen zwischenlagern und im Rahmen der Gebäudeheizung wieder abrufen, so würde sich eine Stromproduktion gemäß unserer grünen Verteilung ergeben. Auffällig ist, wie gut sich diese Kurve mit der des Solarstroms ergänzen würde, denn beide haben eine gegenläufige Charakteristik.
Die Erzeugung aus der Windkraft (blau) schwankt regional, saisonal und von Jahr zu Jahr deutlich. In unseren Breiten kann man als einzige halbwegs verlässliche Regel festhalten, dass es im Sommer weniger Wind gibt als im Winter. Unsere Verteilungskurve ist somit nur ein, wenn auch relativ typisches, Beispiel für die reale Stromproduktion aus Wind.
Sofern man keinen Stausee hat, muss sich ein Wasserkraftwerk nach dem Pegelstand des jeweiligen Flusses richten. Die Durchflussmenge des Wasserangebots hängt neben dem Wetter auch von vielen geographischen Faktoren ab. So ist das Wasserangebot in den steilen Alpenregionen über das Jahr gesehen ganz anders, als kurz vor der Meereseinmündung. Unser türkises Verteilungsdiagramm zeigt vor allem den bei uns typischen Rückgang der Wassermengen im Herbst.
Energiemix
Das UBA-Szenario trifft eine Vielzahl von Annahmen und kommt dann auf eine mögliche Zusammensetzung des Energiemixes für 2050. Die Angaben spiegeln die installierte Nennleistung wider, welche bekanntlich nur selten real zu 100% zur Verfügung steht. In Klammern wurde zum besseren Vergleich der heutige Ausbaustand notiert.
- Solarstrom: 120 GW (20 GW)
- Windkraft (Land): 60 GW (28 GW)
- Windkraft (Meer): 45 GW (0 GW)
- Wasserkraft: 5 GW (5 GW)
- Biomasse: 23 GW (5 GW)
- Geothermie: 6 GW (0 GW)
Neben der obigen „Erntetechnologie“ gibt es in dem System auch Speichertechnologie. Mit dieser soll erneuerbarer Strom für Mangelzeiten zwischengelagert werden.
- Pumpspeicher: 9 GW (7 GW)
- Elektrolyse: 44 GW (0 GW)
Der Wasserstoff aus der Elektrolyse wird entweder direkt oder in Form von Methan im Gasnetz gespeichert und von dort bei Bedarf entnommen und mit Gaskraftwerken wieder verstromt.
- Gaskraftwerke: 50 GW (23 GW)
Zusätzlich wurden noch verlagerbare Stromverbraucher zum Ausgleich genutzt. Hierzu zählten neben Elektrofahrzeugen auch große Verbraucher in der Industrie.
Letztlich beschreibt die UBA-Studie nur eine mögliche Zukunft. Im Detail kann man sicherlich viele Annahmen zur Diskussion stellen, doch hat sich das Szenario im Rahmen der sehr feingranularen Simulation als funktionstüchtig erwiesen. 100% Erneuerbare sind möglich.
Jahre, Monate, Tage, Stunden
Nach den Gesetzen der Physik muss in einem Stromnetz zu jedem Zeitpunkt Angebot und Nachfrage ausgeglichen sein. Da man bekanntlich Sonne und Wind nicht befehlen kann, stellt sich natürlich automatisch die Frage nach dem notwendigen Lastausgleich. Je nach gewähltem Zeithorizont ergeben sich unterschiedliche Probleme.
Vor allem die Niederschlagsmengen und das Windangebot schwanken sehr von Jahr zu Jahr. Eine mögliche Lösung besteht darin andere Energiequellen bereitzuhalten. Die einzige Technologie, die eine Langzeitspeicherung erlaubt, ist hier das Gebiet der Kohlenwasserstoffe. Denn diese können ohne nennenswerte Verluste gespeichert und bei Bedarf in nutzbare Energie zurückgewandelt werden. Auch wenn man sich Schwankungen im Monatsbereich anschaut kommt es vor allem auf geringe Verluste und Speicherkosten an.
Im Bereich von Tagen und Stunden bieten sich auch andere Alternativen. Hier kommen die bekannten Stromspeicher und die Lastverlagerung zum Einsatz. Ein typisches Problem ist der Wechsel von Tag und Nacht und die Frage, wie man das gewaltige Überangebot an Sonnenlicht in die Nacht mitnehmen könnte.
Doch auch unterhalb der Stunde, ja sogar der Sekunde, gibt es noch Bedarf an regelbaren Ausgleichssystemen. Um Spannung und Netzfrequenz auf einem stabilen Niveau zu halten, braucht man hier Technologie, die sehr schnell reagieren kann. Einen Großteil dieser Arbeit können die Wechselrichter der Solarstrom- und Windkraftanlagen auch selber erledigen. Doch auch hier können netzfreundliche Stromverbraucher einen großen Beitrag leisten.
Zu den technischen Aspekten der Netzstabilität mit all ihren Facetten haben wir im Teil 7 der Serie „Netzintegration von Elektrofahrzeugen“ ausführlich berichtet. Sie finden den Artikel in der SONNENENERGIE Ausgabe 06-2010.
Energiespeicherbedarf
Für die UBA-Studie hat das Fraunhofer IWES untersucht, welcher Fehlbetrag sich zwischen dem gewollten Stromverbrauch (Nachfrage) und der möglichen Bereitstellung (Angebot) aus Sonne, Wind, Wasser und Geothermie ergibt. Dieses Defizit (im UBA-Szenario ca. 80 TWh/Jahr) muss durch eine der Lastmanagementstrategien ausgeglichen werden. Bei einem Überangebot stellt sich die Frage, welcher sinnvollen Nutzung man es zuführen könnte. Denn die Alternative besteht in der Abregelung von Wind oder Sonne.
Auf dem Bild 1 der nächsten Seite findet man eines der gängigen Horrorszenarien der Energiewende. Aufgrund der Wetterlage hätte es in diesem Fall für gut zwei Wochen ein massives Defizit an Wind- und Sonnenstrom gegeben, denn diese hätte im Schnitt nur etwa 30% der benötigen Strommenge produzieren können. Am 20. Dezember dieses fiktiven Jahres hätte die fehlende Leistung im Stromnetz zeitweise 60 GW betragen. Da im Schnitt ein täglicher Stromumsatz von 1.400 GWh vorliegt, könnte man, grob geschätzt, von einem Defizit von rund 15 TWh in diesen zwei Wochen sprechen. Dieses Problem kann man nur mit Kohlenwasserstoffen lösen.
Doch in der Woche vor und nach diesem Ereignis gibt es einen massiven Energieüberschuss. Hier hat man die Wahl zwischen „Windräder abschalten“ oder die elektrische Energie mit eher schlechten Wirkungsgraden (unter 50%) über den Umweg des Wasserstoffs oder des künstlichen Methans zumindest teilweise zu einem späteren Zeitpunkt wieder nutzbar zu machen. Strom ersetzt auf dieses Weise kostbare Kohlenwasserstoffe aus dem Sektor der Biomassenutzung.
Die Grafik von Bild 2 zeigt den Verlauf von Mangel und Überfluss über ein ganzes Jahr. Es fällt auf, dass im Sommer die zeitlichen Abschnitte kürzer und die Wechsel häufiger sind, als im Winter. Zudem gibt es im Sommer tendenziell mehr Überangebot und im Winter mehr Mangel, der sich auch mal über Wochen hinziehen kann.
Lobenswert, aber …
Die Analysen und Berechnungen der Studie von UBA und IWES sind eine solide Ausgangsbasis für die bevorstehende Debatte um die Machbarkeit einer Energiewende und den Bedarf an Speichertechnologien.
Leider lässt die Studie auch einige der zentralen Fragen unangetastet. Es wird das Zieljahr 2050 beschrieben, doch wie kommen wir von heute dort hin? Welche Strategien sind in der Übergangsphase wichtig und bist wann müssen wir bestimmte strategische Entscheidungen fällen? Wann müssen wir anfangen damit wir 2050 fertig sind? Entsprechende Vorschläge und Analysen hätten sicherlich den Rahmen der Arbeit gesprengt, doch wird man hierauf noch Antworten geben müssen.
Und dann gibt es da die reale Gefahr, dass ein derartiges Szenario unwidersprochen als Faktum angesehen wird, obwohl es selber diesen Anspruch gar nicht erhebt. Dennoch wird man auch die UBA-Studie zitieren, um zu belegen, dass wir für die Energiewende:
- (neue) Pumpspeicher brauchen.
- massiv in die Wasserstoff- bzw. Methanproduktion einsteigen müssen.
- die Gebäudeheizung auf Wärmepumpen umstellen müssen.
Hier lohnt ein kritischer Blick.
Biomasse ist böse?
Im UBA-Szenario wird im Jahr 2050 die Biomasse in Form von Biogas in hoch effizienten GuD-Kraftwerke verstromt und soll so 23 TWh Strom zum Gesamtsystem beitragen. Mehr nicht. Faktisch ist das ein dramatischer Rückgang zu heute, denn die Biomasse liefert bereits heute im Jahr 2011 mehr als 28 TWh EEG-Strom.
Auf Seite 56 erklären die Autoren warum das Biomassepotential im Jahr 2050 so gering ist, denn es wird nur die Abfallbiomasse veranschlagt. Anbaubiomasse wird „kritisch gesehen“ und deshalb komplett weggelassen. Leider klingt die Begründung sehr unwissenschaftlich und ist zudem noch inkonsistent. Denn es sollen weitere Abfallbiomassepotentiale als Energie z.B. im Verkehrssektor genutzt werden. Welche Potentiale das sein sollen, bleibt aber offen. Holz? Stroh?
Naturverträgliche Biomassenutzung im Zuge einer nachhaltigen Fruchtfolge gibt es für das UBA offenbar genauso wenig wie die Reduktion unseres exzessiven Fleischkonsums. Denn dann wären ja mindestens die Anbauflächen der Futtermittel für Energiebiomasse verfügbar.
Sind Elektroautos gut oder böse?
In der Studie werden durchaus große Ziele für die E-Mobilität bis 2050 benannt. 10 Millionen Elektroautos mit je 40 kWh Akku und 200 Kilometer Reichweite. Dazu kommen weitere 15 Mio. Plug-In-Hybride mit je 10 kWh Akku für bis zu 50 km. In Summe werden so 50% der PKW-Fahrleistung bedient und 50 TWh zusätzlicher Strom benötigt.
Alle Fahrzeuge sind zu 50% ihrer Zeit mit dem Netz verbunden und einige Anteile der Kapazitäten werden für die Lastverlagerung genutzt. Ambitioniert.
Ein Zitat von Seite 30 der Studie lässt jedoch tief blicken. Dort wird eine Einführung der Elektromobilität als „eher ungünstig“ beschrieben:
„Verliefe die Entwicklung der Elektromobilität langsamer, stünden zwar geringere Lastmanagementpotentiale zur Verfügung, doch der Stromverbrauch wäre dafür niedriger. Die Potentiale erneuerbarer Energiequellen müssten nicht so stark ausgeschöpft werden oder anstelle der Elektromobilität könnten andere Verbraucher wie Elektrolyse mit Lastmanagement betrieben werden. Dieser Wasserstoff ließe sich dann zudem für die Rückverstromung in Situationen mit geringer Einspeisung aus erneuerbaren Energien verwenden.“
Also doch lieber Wasserstoff produzieren und mit dem 3-Liter-Lupo fahren? Aber 3-Liter was? Erdöl?
Das UBA geht auch für 2050 noch davon aus, dass 50% des PKW-Verkehrs noch mit Brennstoffen erledigt werden und wünscht sich hierbei offenbar sogar höhere Anteile. Eine genaue Energiemenge wird auf Seite 21 leider nicht genannt, doch bezogen auf den heutigen Verbrauch entsprächen 50% der Fahrleistung rund 200 TWh Treibstoff. Selbst wenn man alle UBA-Holzpotentiale in die Mobilität stecken würde, so gäbe es wohl nur knapp 50 TWh Treibstoffangebot.
Doch warum würde ein Land, dass 25 Millionen Elektro(hybrid)fahrzeuge bauen kann, nicht gleich 100% aller Autos ersetzen? Rohstoffmangel wird es bei derart großen Marktanteilen nicht sein.
Antworten auf diese Fragen wären schon interessant, denn genau hier liegt einer der Dreh- und Angelpunkte des UBA-Szenarios. Unterstellt man, dass es die 200 TWh Treibstoff tatsächlich irgendwo gibt, dann stellt sich die Frage, warum man nicht lieber komplett auf E-Mobilität umstellen und die Treibstoffmenge zur Stabilisierung des Stromnetzes verwenden sollte. Je nach Technik könnte man so 50 bis 100 TWh Strom und 150 bis 100 TWh Heizwärme bedarfsgerecht erzeugen. Gleichzeitig bräuchte man keine 100 TWh Strom für die dann unnötige Herstellung von Wasserstoff/Methan sondern könnte damit problemlos die zusätzlichen E-Fahrzeuge versorgen. Unter dem Strich würde sich der Stromverbrauch im Szenarios sogar reduzieren. Warum nicht?
Wasserstoff ist wichtig?
Die Einspeisung von Wasserstoff in das Erdgasnetz ist sicherlich eine interessante Strategie. Dies gilt auch für die künstliche Erzeugung von Methan. Doch leider entsteht im UBA-Szenario der Verdacht, dass man auch hier „von hinten her“ denkt. Der Beitrag der Wasserstoff- bzw. Methanerzeugung wird, wie oben bereits angedeutet, nach der Rückverstromung mit 25 bis 45 TWh Strom veranschlagt.
Heute liefert die Anbaubiomasse schon 28 TWh Strom und ein leichter Zubau auf 40 TWh bis 2020 ist durchaus nicht unmöglich. Muss man sich vor 2030 um Elektrolysetechnologie Gedanken manchen? Braucht man davon wirklich 44 Gigawatt? Oder treibt gerade diese Strategie die Systemkosten in die Höhe?
Sind Pumpspeicher auch nur eine Brückentechnologie?
Auch bei den Pumpspeichern lohnt sich ein kritischer Blick. Zugegeben, es gibt diese Anlagen heute schon. Aber muss man wirklich neue bauen?
Aufgrund der Kostenstruktur sollten Pumpspeicher möglichst jeden Tag laufen. Rund 20 GWh Strom werden so über einige Stunden verschoben, was bei täglich rund 1.400 GWh jedoch gerade einmal 2% der Energiemenge darstellt. Wie systemrelevant kann eine Technologie mit dieser geringen Menge sein?
Selbst die Bleiakkus der heutigen Benzinautos könnten schon alle Pumpspeicher ersetzen (siehe Tabelle). Von den Akkus der Elektrofahrzeuge ganz zu schweigen. Im UBA-Szenario sind immerhin 550 GWh Autoakkus im Einsatz, doch wird im Schnitt pro Tag nur eine Kapazität von 140 GWh genutzt. Warum kann man diesen Anteil nicht um unbedeutende 20 GWh erhöhen? Weil es dann gar keinen Bedarf mehr für Pumpspeicherkraftwerke gäbe?
Die Debatte darf beginnen
Es ist bekannt, dass Szenarien nur eine mögliche Entwicklung beschreiben. Doch die Strukturen sind wichtig. Eine der ganz zentralen Fragen bleibt: Wie schnell werden die Elektrofahrzeuge kommen?
Denn wenn sie nicht kommen, dann haben wir keine Antwort auf eine der zentralen Herausforderung der Energiewende: Wie organisieren wir langfristig unsere Mobilität?
Verhelfen wir jedoch den Elektrofahrzeugen zur Massenproduktion, so wird es Auswirkungen auf das gesamte Energiesystem haben und nicht nur auf die Mobilität. Pumpspeicher wären dann in Deutschland eher eine Brückentechnologie für die nächsten ein- bis zwei Jahrzehnte. Einen Neubau mit der Energiewende zu begründen erscheint bei systemischer Betrachtung sehr fragwürdig.
Dass Kohlenwasserstoffe als Langzeitspeicher benötigt werden, ist unstrittig. Aber ob die Gaseinspeisung von nachhaltiger Anbaubiomasse oder erneuerbarem Wasserstoff die bessere Strategie ist, kann letztlich nur durch die reale Marktentwicklung entschieden werden.
Trotz all der kritischen Worte sei nochmal betont, dass die UBA-IWES Studie ein sehr lesenwertes Dokument ist. Doch sie ist nicht das Ende der technischen und gesellschaftlichen Debatte, sondern gerade mal der Anfang.
Tomi Engel