Erfolgsbasiertes Energiecontracting
Projektbeispiel Supermarkt - hohe prozentuale Einsparungen und sehr gute Wirtschaftlichkeit: Steigende Energiepreise und ein immer unübersichtlicheres Feld von technischen Möglichkeiten veranlassen eine zunehmende Zahl von Unternehmen dazu, externes Know-how zur Steigerung der Energieeffizienz einzusetzen. Neben der klassischen Beratung spielen dabei liquiditätsschonende Finanzierungsformen für die erforderlichen Investitionen eine zunehmende Rolle.
Grundlagen und Modelle
Beim Energiecontracting werden die erforderlichen Investitionen von einem externen Unternehmen (dem Contractinggeber oder Contractor) finanziert. Der Contractor übernimmt in der Regel auch die Planung und Durchführung der Maßnahmen. Im Gegensatz zur Finanzierung von Fremdleistungen über einen Bankkredit gibt es nur einen Vertragspartner sowohl für die finanzielle als auch die technische Abwicklung der Maßnahmen. Dieses Grundprinzip wird in unterschiedlichsten Formen umgesetzt. Grob kann man die Gestaltungen in zwei Gruppen einteilen:
- Einerseits gibt es finanzierungsorientierte Modelle, bei denen die Bezahlung der Investitionen über feste monatliche Beträge erfolgt und die einer Art Leasingvertrag mit eingeschlossener Energieberatung entsprechen. Dementsprechend liegt das Erfolgsrisiko überwiegend beim Contractingnehmer.
- Andererseits gibt es rein erfolgsorientierte Modelle. Beispielsweise wird hier vereinbart, dass der Contractingnehmer über die Laufzeit des Vertrages einen festen Anteil der erzielten Einsparungen an den Contractinggeber bezahlt. Das Erfolgsrisiko liegt hier überwiegend beim Contractinggeber, der durch sorgfältige Planung und Geräteauswahl sicherstellen muss, dass sich seine erbrachten Vorleistungen amortisieren.
Dieses Modell weist gegenüber den rein finanzierungsorientierten Lösungen mehrere Vorzüge auf:
a) Der Contractingnehmer geht kein Kostenrisiko ein. Sollten die Maßnahmen erfolglos sein, so braucht er auch nichts an den Contractinggeber zu zahlen.
b) Der Contractinggeber hat auch nach den Anfangsinvestitionen einen Anreiz, weitere effizienzverbessernde Maßnahmen durchzuführen, da er ja hierdurch weitere Erträge generiert.
c) Der Contractinggeber kontrolliert den Verbrauch regelmäßig, um die Abrechnung zu erstellen und kann den Contractingnehmer auf Auffälligkeiten hinweisen (z.B. falsch eingestellte Lüftungsanlagen, defekte Geräte mit erhöhtem Verbrauch etc.), so dass frühzeitig Abhilfemaßnahmen ergriffen werden können.
d) Die genauen Maßnahmen müssen noch nicht bei Vertragsschluss feststehen und können flexibel angepasst werden, da beide Vertragsparteien ein Interesse an der Durchführung wirtschaftlich sinnvoller Energiesparmaßnahmen haben.
Der letzte Punkt ist gerade in Bereichen wichtig, die ein hohes Innovationstempo aufweisen. So ist es beispielsweise im Bereich LED-Beleuchtung so, dass derzeit monatlich neue, teils deutlich verbesserte Produkte auf den Markt kommen. Da die Maßnahmen gewöhnlich stufenweise umgesetzt werden, kann man dann noch in der Umsetzungsphase Anpassungen vornehmen, die bei einem starren finanzierungsorientierten Contractingvertrag nicht möglich wären.
Für erfolgsbasierte Contracting-Modelle ist es wichtig, dass beide Vertragspartner einen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz haben, sich um das Projekt zu kümmern. Da der Contractinggeber die Investitionen tätigt, die Beratungsleistungen erbringt und das Erfolgsrisiko trägt, erhält er auch meist den größeren Teil an den erzielten Einsparungen. Dennoch sollte der Anteil, der beim Contractingnehmer verbleibt ausreichend hoch bemessen sein, um dessen Interesse sowohl an der Durchführung überhaupt als auch an der Umsetzung verhaltensbasierter Maßnahmen (z.B. Einweisung des Personals in energiebewusstes Verhalten) sicherzustellen. Ein Wert von 30 bis 40% ist hier meist ein sinnvoller Bereich.
Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass für eine wirtschaftlich sinnvolle Abwicklung des Contractings der Jahresverbrauch mindestens in einer Größenordnung von 50.000 bis 100.000 kWh und das erzielbare Einsparvolumen bei mindestens 20 bis 25% liegen sollte. Hieraus ergibt sich eine jährliche Energiekostenersparnis von mindestens 2.000 €. Kleinere Projekte sind wegen des Aufwandes für Beratung und Vertragsabwicklung meist nicht sinnvoll. Hier sollte dann eher der Betriebsinhaber selbst investieren, sinnvollerweise auf Basis einer Energieberatung. Bei deutlich unter 20% Einsparpotenzial besteht zudem das Problem, dass Projektergebnis und Zufallsschwankungen oft nicht mehr sinnvoll zu trennen sind, da beispielsweise der Verbrauch von Klimaanlage und Kühlgeräten mit der Witterung schwankt.
Projektbeispiel Supermarkt
Ein Projektbeispiel, das hohe prozentuale Einsparungen mit sehr guter Wirtschaftlichkeit für die beteiligten Projektpartner kombiniert, sei im Folgenden vorgestellt. Das Projekt wurde auch im Rahmen des Fachforums „Energieeffizienz im Einzelhandel“ am 13.10.2011 im Bauzentrum München vorgestellt, der Vortrag mit Details zu Einsparungen durch einzelne Maßnahmen steht zum Download 1) zur Verfügung.
Beim betrachteten Betrieb handelt es sich um einen Supermarkt in Oberbayern mit einer Verkaufsfläche von ca. 700 m2 und Stromkosten im letzten Jahr vor Projektbeginn (2008) von über 38.000 €. Bezogen auf den Quadratmeter Verkaufsfläche sind dies ca. 55 € im Jahr, ein für den Lebensmitteleinzelhandel durchaus typischer Wert. So gibt das EHI Retail Institute 2) in seiner Erhebung für 2010 einen Durchschnittswert im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) von 54,35 € an.
Erster Schritt: Initialberatung
Als Ausgangspunkt für alle weiteren Investitionsplanungen empfiehlt es sich, zunächst eine von der KfW geförderte Initialberatung durchzuführen 3). Beratungskosten von bis zu 1.600 € werden hier mit 80% von der KfW bezuschusst, so dass lediglich ein Eigenanteil von 320 € zu tragen ist. In einfach gelagerten Fällen, wie typischerweise im Einzelhandel gegeben, ist die Initialberatung bereits eine ausreichende Planungsgrundlage für die Kalkulation eines Contracting-Angebotes. Der Antrag ist je nach Region bei der zuständigen IHK einzureichen, die auch eine Liste der Berater veröffentlicht, die sich für das Programm qualifiziert haben.
Aufgrund des geringen Eigenanteils lohnt sich die Initialberatung meist auch dann, wenn schließlich kein Contracting-Vertrag zustande kommt. So konnte in einem Supermarkt in Wasserburg am Inn alleine durch das bei der Initialberatung entdeckte Optimierungspotenzial in der Fahrweise der Lüftungsanlage der Gesamtverbrauch des Betriebes um etwa 4% gesenkt werden, was einer Kostenersparnis von etwa 2.000 € im Jahr entspricht.
Als größter Verbrauchsbereich kristallisierten sich bei der Analyse die steckerfertigen Gefriertruhen mit einem Anteil von 39% heraus (Verbrauchsanteil Kühlung gesamt im LEH laut EHI-Institute: 44,9%). Zugleich war hier von allen kalkulierten Investitionsalternativen die höchste Wirtschaftlichkeit zu erwarten. „Highlight“ war der Verbrauch einer einzelnen Speiseeistruhe von 30 kWh pro Tag. Bezeichnenderweise ein Gerät, das die Ladeninhaberin vom Eislieferanten „kostenlos“ zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Die Jahresstromkosten von 1.400 € für ein Gerät mit gerade einmal 1,4 x 0,9 m2 Standfläche überstiegen dabei den Anschaffungswert deutlich, insofern handelte es sich um ein echtes Danaergeschenk. Ähnliche, teils baugleiche Geräte findet man nach wie vor in zahlreichen Lebensmittelläden, Imbissbuden und Tankstellen.
Zweiter Schritt: Contractingvertrag
Auf Basis des errechneten Einsparpotenzials sowie der erforderlichen Investitionen wurde ein Contractingvertrag mit fünf Jahren Mindestlaufzeit und einer Vergütung in Höhe von 60% der erzielten Energiekostenersparnis vereinbart. Das heißt umgekehrt, die Ladeninhaberin kann 40% der gesamten Energiekostenersparnis erzielen, ohne selbst investieren oder sich näher mit technischen Details auseinandersetzen zu müssen
Dritter Schritt: Umsetzung von Maßnahmen
Die steckerfertigen Gefriergeräte wurden im September 2009 ausgetauscht, als weitere Investition wurden im August 2010 Teilbereiche der Beleuchtung erneuert. Die Grundbeleuchtung war im neueren Teil des Ladens (Baujahr 2001) bereits mit relativ effizienten Spiegelrasterleuchten mit Leuchtstoffröhren und elektronischem Vorschaltgerät ausgeführt, so dass hier ein Austausch nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Im älteren Gebäudeteil waren dagegen noch alte T8-Leuchtstoffröhren mit konventionellem Vorschaltgerät in alten unverspiegelten Leuchten verbaut. Hier erfolgte eine Umrüstung mittels T5-Adapter mit elektronischem Vorschaltgerät und Kopfspiegel. Dadurch konnte bei besseren Lichtverhältnissen als zuvor der Verbrauch halbiert werden. Dies bei einer Amortisationszeit der Maßnahme von ca. 2 Jahren bezogen auf die Gesamteinsparung, bzw. von 3,5 Jahren für den Contractinggeber.
Noch höher war das Einsparpotenzial im Bereich der Downlights. Die vorgefundenen SDWT-Leuchtmittel mit 100 W (120 W Systemleistung) finden sich trotz der hohen Betriebskosten und der hohen Kosten für Ersatzleuchtmittel noch heute in zahlreichen Einzelhandelsbetrieben. Die Systemleistung konnte hier durch Einsatz von Metalldampflampen mit sehr guter Farbwiedergabe von 120 W auf 46 W gesenkt werden.
Betriebsergebnisse
Bereits im Jahr 2010 konnte der Verbrauch um über 90.000 kWh gesenkt werden, dies entsprach einer Einsparung von 32,5% und einer Kostenersparnis von über 12.000 €. Der weitere Verlauf in 2011 lässt noch mehr erwarten. Im Zeitraum Januar bis August konnte die prozentuale Einsparung nochmals auf über 36% gesteigert werden. Aufgrund des Anstieges der Stromtarife lag die Kosteneinsparung in den acht Monaten bereits fast auf dem Niveau des kompletten Vorjahres. Die Verbrauchsentwicklung ist umso erfreulicher, als ab Oktober 2010 die Öffnungszeiten um etwa 10% ausgeweitet wurden, was mit dem alten Gerätebestand zu einem Anstieg des Verbrauchs von etwa 4% geführt hätte.
Weitere Planungen
Aufgrund der guten Betriebserfahrungen laufen derzeit die Planungen, auch die Zentralkälteanlage in Angriff zu nehmen. Alleine ein großes offenes Molkereiprodukte-Kühlregal ist für etwa 15% des alten Gesamtverbrauches verantwortlich. Daneben existiert noch ein älteres steckerfertiges Gemüse-Kühlregal mit etwa 4% Verbrauchsanteil. Beide Geräte sollen im nächsten Jahr durch ein neues modulares Regalsystem ersetzt werden. Dieses verfügt über Glastüren die den Verbrauch deutlich reduzieren. Außerdem kann die überschüssige Abwärme an einen Wärmeträgerkreis abgegeben werden, der sich auch dazu nutzen lässt, für die umliegenden Gebäude Wärme für Heizung und/oder Brauchwasser bereitzustellen. Eine andere sinnvolle Option wäre es, die Rückkühlung der überschüssigen Abwärme im Sommer über Erdsonden oder Grundwasser vorzunehmen. Die Maßnahme könnte die Temperaturdifferenz zwischen Kühlregal Innenregister und Wärmeträgerkreis von etwa 40 K (45°C Luft-Rückkühler zu 5°C Kühlregister) auf etwa 10 K (15°C Grundwasser/Erdreich zu 5°C Kühlregister) senken, was eine dramatische Verbesserung des COP erwarten lässt.
Mit Austausch der Kühlregale ist das derzeit sinnvolle Potenzial an Maßnahmen im Bereich der Verbrauchsoptimierung weitgehend ausgeschöpft. Die Zielmarke der dann erreichten Gesamteinsparungen liegt bei ca. 50%, was aufgrund der bereits erreichten 36% auch durchaus als realistisch erscheint. Die bisherigen Maßnahmen haben bei Gesamtinvestitionen von etwa 35.000 € (inklusive installierter Messtechnik) Einsparungen ermöglicht, die für das laufende Jahr bei etwa 100.000 kWh liegen dürften. Je jährlich eingesparter kWh waren somit Investitionen von etwa 35 Cent erforderlich, was wieder einmal zeigt, dass Investitionen in Energieeffizienz in vielen Fällen deutlich kostengünstiger und wirtschaftlicher sind, als die Bereitstellung neuer Erzeugungskapazitäten.
Weiterführende Informationen
Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz wurden auch am 13.10.2011 im Rahmen des Fachforums „Energieeffizienz im Einzelhandel“ im Bauzentrum München umfassend dargestellt. Die Veranstaltung fand unter fachlicher Leitung des DGS-Landesverbandes Bayern e.V. in Zusammenarbeit mit der IHK für München und Oberbayern statt.
Aufgrund der guten Resonanz ist geplant, die Veranstaltung im kommenden Jahr in ähnlicher Form zu wiederholen. Die Vorträge zu Licht, Lüftung, Klimatisierung sowie Beratungs- und Förderangeboten sind dabei nicht nur für den Einzelhandel sondern z.B. auch für alle Arten von Bürobetrieben von Interesse.
Speziell für den Einzelhandel erstellt das EHI Retail Institute in Köln jährlich eine Verbrauchsanalyse auf Basis von realen Verbrauchsdaten der Unternehmen, die es erlaubt, anhand von Kennzahlen schnell eine grobe Einordung der Energieeffizienz des eigenen Betriebes vorzunehmen.
Im Dezember erscheint hierzu die Studie „Energiemanagement im Einzelhandel 2010“, ISBN: 978-3-87257-359-9, 33 Seiten, Preis: 495,00 EUR inkl. MwSt. und Versand.
Die IHKs bieten teilweise kostenlose oder stark vergünstigte vor-Ort-Beratungstermine für ihre Mitgliedsunternehmen an und sind meist auch für die Beantragung der KfW-Initialberatung zuständig
Hermann Ramsauer