Die Regenerativen sind natürliche Verbündete
Wärmepumpe und Solarthermie für gehobene Wärmeansprüche: Solarheizungssysteme für den Geschosswohnungsbau entwickeln sich gegenwärtig recht stürmisch. Das scheint im Gegensatz zur wirtschaftlichen Lage der Branche zu stehen. Tut es aber nicht wirklich. Vielmehr zeigen neue Entwicklungen einen möglichen Weg aus der Krise. Der Grundgedanke, nur so viel Wärme ins System bringen, wie tatsächlich nötig, sprich wirklich verbraucht wird, setzt sich langsam durch und führt zu innovativen Lösungen. An vorderster Front steht dabei die Verbindung von Wärmepumpe und Solarthermie. Wurde sie anfangs als trivalente Lösung mit Erdgas-Brennwerttechnik kombiniert, so emanzipiert sie sich neuerdings als bivalente, rein regenerative Lösung. Einer der ersten Investoren, der sich an eine rein regenerative Anlagentechnik gewagt hat, ist die Erste Wohnungsgenossenschaft Berlin-Pankow eG (EWG Pankow).
Positive Erfahrungen ohne fossiles Backup
Im Geschosswohnungsbau sind Wärmepumpen mit großer Leistungen noch selten. Denn bisher dominiert sie im Segment der EFH und ZFH. Dass es gänzlich ohne Erdgas geht, macht die EWG Pankow vor. Sie hat in der Hermann-Hesse-Str. 3 im Jahr 2009 ein Mehrfamilienhaus mit 21 Wohneinheiten und einer Nutzfläche von 1.737 m2 errichtet. Die Wärmeversorgung wird mit einer Erdwärmepumpe (52 kW) und einer Solaranlage mit einer Nettokollektorfeldgröße von 42 m2 (2,0 m2/Wohneinheit) betrieben. Der Pufferspeicher verfügt über ein Volumen von 1.700 Liter. In einem weiteren Bauabschnitt kamen zwei baugleiche Gebäude hinzu, die aktuell zur Vermietung anstehen. Alle drei Wohngebäude wurden in energiesparender Massivbauweise nach KfW 40-Standard geplant. Neben der Beheizung und Warmwasserbereitung mittels Wärmepumpe und Solarenergie sind Fußbodenheizung und wohnungsbezogene Belüftung mit Wärmerückgewinnung die wichtigsten technischen Features der Immobilie.
„Solche Anlagen liefern sehr positive Ergebnisse“, fasst Peter Mausolf, Business Development Manager von Junkers, seine Erfahrungen zusammen. Man hatte die unterschiedlichen Varianten seit längerem getestet. Dabei hat die bivalente Lösung die Nase vorn. Die beiden regenerativen Energieformen seien keine Konkurrenten, sondern sie ergänzten sich mit ihren jahreszeitlichen bzw. saisonalen Stärken, so Mausolf. „Sie sind so etwas wie natürliche Verbündete und sie garantieren hohe Wirtschaftlichkeit“.
Knackpunkt: Trinkwarmwasser
Allerdings steht die Karriere dieser Kombination erst am Anfang. Manche Investoren beharren, quasi aus psychologische Gründen, lieber auf der trivalenten Kombination mit einer zusätzlichen Erdgas-Komponente. Im Mittelpunkt der Bedenken stehen dabei weniger die technischen Qualitäten von Solarkollektoren, Solarspeichern oder der Wärmepumpe. Das ist Stand der Technik, wie Mausolf anmerkt. Dreh- und Angelpunkt sei vielmehr die Frage der Trinkwassererwärmung. Denn im Unterschied zum Einfamilienhaus bestehen für Mietshäuser hier höhere Anforderungen. Maßgeblich sind die Bestimmungen des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) im Arbeitsblatt 551 (Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums).
Wasser für den menschlichen Gebrauch muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein sein. Im Wasser können sich aber Legionellen befinden bzw. bilden. Sie sind Bakterien, die sich vor allem im Temperaturbereich zwischen 25°C bis 45°C vermehren und im menschlichen Körper Lungenentzündung (Pneumonie) oder Pontiac-Fieber verursachen können. Erst ab 60°C überleben die Bakterien in der Regel nicht mehr. Deshalb müssen laut DVGW Arbeitsblatt 551 im Mehrfamilienhaus Temperaturen am Warmwasser-Austritt von 60°C eingehalten und der Inhalt des gesamten Speichers einmal am Tag auf 60°C erwärmt werden.
Zieht man dazu eine Wärmepumpe heran, fordert man von ihr Temperaturen von 65 Grad Celsius. Um diese zu erreichen, muss die Wärmepumpe schwerer arbeiten, muss der elektrisch betriebene Verdichter mehr leisten. Das macht sich am Stromzähler bemerkbar, die Arbeitszahl und mithin die Wirtschaftlichkeit verschlechtern sich. Für die Wärmepumpe als typische Niedertemperaturheizung sind maximal 45 bis 50°C noch im wirtschaftlichen Bereich. Will man sie aus der Warmwasser-Erzeugung ganz heraushalten, ist die solare Komponente zwar eine gute Ergänzung, es bleibt aber das Problem, dass Solar diesen Job nur temporär, nämlich im Sommer und in der Übergangszeit, erledigen kann.
Legionellenschutz auch ohne Erdgas-Komponente
Verzichtet man auf eine zusätzliche Erdgas-Komponente, weil diese letztlich auf einen Ganzjahresbetrieb des Gaskessels hinaus laufen würde, muss man den Legionellenschutz über eine elektrische Zusatzheizung bewerkstelligen. Für beide Varianten braucht man eine technische Lösung, welche die Solarthermieanlage und die Wärmepumpe verbindet und ein optimales Zusammenspiel mit der dritten Komponente gewährleistet. Das sogenannte Large Solar System (LSS) 1) ist eine solche Lösung. Die LSS ist eine vormontierte Hydraulikstation mit integriertem Regelungs- und Steuerungssystem, welches das Wärmemanagement der unterschiedlichen Wärmequellen und Komponenten im Gebäude übernimmt.
Gleichzeitig verfügt der Wärmemanager über ein Online-Monitoring, das die Daten der Wärmemengenzähler per DFÜ an einen Server zur Auswertung liefert. Damit wird das System vollständig transparent, vor allem das systemische Zusammenspiel von solarer und fossiler Komponente mit der Wärmepumpe, von dem die Gesamteffizienz abhängt.
Die EWG Pankow hatte sich für einen elektrischen Durchlauferhitzer bzw. elektrischem Nachheizer entschieden. Dieser bringt mit einer speziell programmierten Anti-Legionellen-Schaltung die Wassertemperatur im Zirkulationskreis der Trinkwassererwärmung auf 60 Grad. Die Schaltung arbeitet dabei mit zwei Varianten, nämlich der solaren und der konventionellen Anti-Legionellen-Schaltung. Der Durchlauferhitzer befindet sich in der Beladeleitung des Bereitschaftsvolumenteils des Solarpufferspeichers und wird dann freigeschaltet, wenn die Temperatur am Fühler kleiner als 60 Grad ist, also die Sensorik nicht mehr genug Wärme vorfindet. Während die solare Anti-Legionellen-Schaltung zeitlich nicht vorherbestimmt werden kann, schaltet sich die konventionelle nach einem vorgegebenen Zeitplan ein.
Erste Ergebnisse: Anlagenaufwandszahl sinkt
Nach mehreren Monaten Regelbetrieb kann die bivalente Lösung mit sehr guten Ergebnissen aufwerten. Ein spezifischer Jahresendenergiebedarf von 14,33 kWh/m2 und Jahr spricht eine deutliche Sprache. Eine Beurteilung der energetischen Gesamteffizienz erfolgt gemäß den Vorgaben der EnEV 2007 über die Anlagenaufwandszahl. Dieser Parameter bezeichnet das Verhältnis des Primärenergiebedarfes zum Nutzenergiebedarf. Je kleiner er ist, um so effizienter läuft das Gesamtsystem. Die rein regenerative Lösung bei der EWG Pankow wartet mit einem Wert von 0,74 auf. Interessant ist dabei, dass die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe mit 2,75 in den ersten Betriebsmonaten noch recht niedrig ausfällt. Die Verantwortlichen beim Systemanbieter erwarten hier eine weitere Optimierung der Anlage. Aber bereits jetzt sei „Pankow unsere bisher beste Anlage“, so Mausolf.
Ausblick
Doch die Entwicklung wird weiter gehen. Statt den Legionellenschutz über zentrale Systeme zu sichern, kommt zunehmend die dezentrale Frischwassertechnik in den Blick. Bei kleineren Gebäuden gilt sie längst als Stand der Technik. Dabei wird auf die Bevorratung von Warmwasser ganz verzichtet. Eine Frischwasserstation kann jeder einzelnen Wohneinheit zugeordnet werden und bedient dort über einen Wärmetauscher den aktuellen Warmwasserbedarf. Über den Wärmetauscher wird das Frischwasser aus der Leitung wie bei einem Durchlauferhitzer erwärmt. Heißes Wasser aus dem Heizkreislauf fließt am frischen Trinkwasser vorbei und erwärmt es. Das heiße Wasser wird also bedarfsgerecht zubereitet. So vermeidet man die Legionellen-Problematik. Die vorgeschriebene Aufheizung entfällt, weil es keine stagnierenden Warmwasserareale im Versorgungssystem mehr gibt.
Am Ende lösen sich die technischen Details in Kosten auf. Um Fett in der Spüle zu lösen, reichen 44 Grad Celsius völlig aus, zum Duschen und Baden ist selbst das zu heiß. Je höher die Temperatur des warmen Wassers ist, desto mehr Kaltwasser muss man beimischen, damit sich der Nutzer nicht verbrüht. Eine unsinnige Verfahrensweise. Senken die Systemanbieter also über eine alternative Warmwasserbereitung die Systemtemperaturen, senkt das den energetischen Aufwand und verbessert die Wirtschaftlichkeit. Das kommt nicht nur der Wärmepumpe entgegen, sondern auch den Temperaturen aus den Kollektoren. Nach Jahren des Stillstandes bei solarthermischen Heizungen im Geschosswohnungsbau könnte dieser Ansatz zu einem neuen Schub für die Branche führen.
Anlagenaufwandszahl
Die DIN V 4701 – Teil 10 ermöglicht die energetische Bewertung und den Vergleich von Anlagensystemen. Als Ergebnis erhält man die so genannte Anlagenaufwandszahl, die einen Kennwert für die gesamtenergetische Effizienz der betreffenden Heizungs-, Warmwasser- und Lüftungssysteme darstellt. Die Anlagenaufwandszahl beschreibt das Verhältnis von Aufwand an Primärenergie zum erwünschten Nutzen (Energiebedarf) eines Gesamtsystems. Sie berücksichtigt die Art der eingesetzten Brennstoffe, den Einsatz regenerativer Energiequellen, die Verluste der Wärmeerzeuger und der Verteilung und der benötigten Hilfsenergie (Lüftung, Pumpen etc.).
Eine niedrige Anlagenaufwandszahl deutet auf eine effiziente Nutzung von Primärenergie hin. Wird zum Beispiel für ein Gebäude eine Anlagenaufwandszahl von 1,5 ermittelt, bedeutet dies, dass für den Energiebedarf für Heizung, Kühlung, Warmwasser zusätzlich 50% an Primärenergie aufgewandt werden muss.
Jahresarbeitszahl
Gegenüber öl- oder gasbefeuerten Heizungsanlagen zeichnen sich (erdgekoppelte) Wärmepumpenanlagen durch bis zu 50% geringere Verbrauchskosten sowie einen um bis zu 50 % geringeren Primärenergieeinsatz aus. Als Kennzeichen für ihre jeweilige Performance gilt die Jahresarbeitszahl (JAZ).
Die JAZ einer Wärmepumpe ist definiert als das Verhältnis von jährlich erzeugter Wärme am Ausgang zum notwendigen Strom an deren Eingang. Laut der Deutschen Energieagentur (dena) in Berlin und des RWE in Essen muss die Jahresarbeitszahl größer als JAZ = 3 sein, um Wärmepumpen als „energieeffizient“ und größer als JAZ = 3,5 sein, um sie als „nennenswert energieeffizient“ bezeichnen zu können.
Klaus Oberzig