Energiemanagementsysteme
Interview mit Schollershammer in Düren: Die Einführung von Energiemanagementsystemen und Energieeffizienz in Unternehmen waren bereits in den letzten Ausgaben der SONNENENERGIE Schwerpunktthemen. Denn die geltenden besonderen Entlastungsmöglichkeiten für das produzierende Gewerbe (UdPG) bei der Strom- und Energiesteuer laufen Ende 2012 aus. Dabei geht es um eine allgemeine Entlastung um 25 Prozent und um den so genannten Spitzenausgleich, der eine weitere Entlastung um bis zu 90 Prozent (abzüglich eines Schwellenwerts) ermöglicht.
Den rechtlichen Rahmen für die Nachfolgeregelung setzt einerseits das europäische Beihilfenrecht und andererseits – letztlich ausschlaggebend – die so genannte Energiesteuerrichtlinie. Danach können besondere Entlastungen gewährt werden, wenn „gleichwertige Regelungen“ umgesetzt wurden, mit denen Umweltschutzziele erreicht oder die Energieeffizienz erhöht wird (Art. 17 Abs. 1 lit. b EnergieStRL). Ob diese Vorgaben eingehalten werden, wird von der Europäischen Kommission überprüft. Die Neuregelung bedeutet notwendigerweise eine Systemumstellung. Denn die Rechtfertigung für den Spitzenausgleich besteht nicht mehr in einer globalen Vereinbarung, sondern soll in Effizienzmaßnahmen liegen, die von dem jeweiligen begünstigten Unternehmen erbracht werden müssen. Das gilt nicht für die derzeitige allgemeine Steuerentlastung von 25 Prozent. Diese soll unverändert bestehen bleiben. Die Neuerungen betreffen daher nur den (neuen) Spitzenausgleich, sie sehen zwei Stufen vor.
In den Jahren 2013 und 2014 soll die Entlastung grundsätzlich nur noch gewährt werden, wenn das Unternehmen ein zertifiziertes Energiemanagementsystem (EnMS) einführt. Ebenso wie fu?r den Antrag auf besondere Ausgleichsregelung §§ 40 ff. EEG soll dabei eine Zertifizierung nach EMAS oder DIN EN ISO 50001 (ehemals DIN EN 16001) erforderlich sein. Bestehende Zertifizierungen werden anerkannt. Für Unternehmen, die bislang keine solche Zertifizierung durchgeführt haben, wird grundsätzlich vorausgesetzt, dass sie 2013 mit der Durchführung beginnen und diese spätestens bis Ende 2014 abgeschlossen haben müssen. Da für kleinere Unternehmen eine Zertifizierung aber unverhältnismäßig teuer sein kann, sollen diese gleichwertige alternative Maßnahmen treffen können. Die Details hierzu wurden allerdings noch nicht festgelegt und sollen Gegenstand einer Verordnung sein, die im Nachgang zum Gesetz erlassen wird.
Lange Jahre wurde das Thema Energie für viele Unternehmen eher nebenher behandelt, einige sind mit den vielen Neuerungen überfordert. Daher möchte die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie in diesem Interview zeigen, wie die Einführung eines Energiemanagementsystems in der Praxis aussehen kann. Die Papierfabrik Schoellershammer in Düren hat die DIN 16001 letztes Jahr mit Hilfe des mod.EEM Programms (siehe Sonnenergie 1/2011) eingeführt. Hierzu und für den Aufbau eines Energieeffizienzteams wurde im Mai 2011 mit Thorsten Kaesler ein Energiemanager eingestellt. Er hat an der FH Aachen Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Energie- und Umweltschutztechnik studiert und gibt im Interview Einblicke in die praktische Umsetzung der DIN 16001. Das Interview führte der Vorsitzende der DGS-Sektion Karlsruhe/Nordbaden, Gunnar Böttger.
Böttger: Herr Kaesler, Sie sind seit neun Monaten Energiemanager bei der Papierfabrik Schoellershammer. Wie wichtig sind Ihrer Firma die Themen Umwelt und Energie?
Kaesler: Umweltschutz ist ein elementarer Bestandteil unserer Firmenphilosophie. Schon sehr früh hat Schoellershammer erkannt, dass sich Ökonomie und Ökologie höchst sinnvoll miteinander verbinden lassen. Zur Verstärkung unserer Engagements haben wir uns konkrete Einsparziele gesetzt. Bis zum Jahr 2015 wollen wir 20 Prozent Energie und 10 Prozent Frischwasser einsparen. Diese Ziele haben wir sogar in unserer Energiepolitik festgeschrieben.
Böttger: Zu Ihren ersten Aufgaben gehörte die Einführung der DIN 16001. Welches waren die Gründe für die Einführung?
Kaesler: In erster Linie ging es uns darum, die Möglichkeiten der Kosten- und Stromsteuerersparnis sowie die Begrenzung der EEG-Umlage auch über das Jahr 2012 hinaus zu sichern. Überdies steht Schoellershammer als Wellpappenrohpapier- und als Feinpapierproduzent in einem hart umkämpften globalen Wettbewerb. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die Produktionskosten nachhaltig zu senken. Energie ist da ein entscheidender Faktor. Durch die Einführung der DIN EN 16001 haben wir die Mechanismen, die zu Energieeinsparungen führen, um einige Facetten ergänzt und professionalisiert. Die Erfolge werden wir in ein bis zwei Jahren deutlich sehen können.
Böttger: Beschreiben Sie unseren Lesern, wie die Einführung in der Praxis aussah?
Kaesler: Mittlerweile gibt es viele Informationen zur Vorgehensweisen, die sich gerade in den ersten Schritten kaum unterscheiden: Projektplan erstellen, Verantwortlichkeiten festlegen, Bilanzgrenzen definieren und Erfassen der IST-Situation (technisch und organisatorisch). Ab diesem Zeitpunkt sind wir dreigleisig gefahren, indem wir auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse technische Aufgaben, Energiemanagementthemen und Wissenstransfer gleichzeitig bearbeitet haben. Zu den technischen Aufgaben gehörten die Automatisierung und Erweiterung unserer Energiedatenerfassung, das Identifizieren von Einsparpotenzialen und demzufolge das Generieren und Umsetzen von Effizienzmaßnahmen. Organisatorisch wurden alle das EnMS betreffenden Prozesse definiert, die benötigten Dokumente und Aufzeichnungen erstellt und das EnMS in Betrieb genommen (Interne Audits, Management Review, Energieteamtreffen, Einkaufsrichtlinien, etc.). Da ein EnMS ohne die Mitarbeiter nicht funktioniert, haben wir direkt mit der Durchführung interner Schulungen begonnen. In einem letzten Schritt wurde das EnMS in unser bestehendes QM-System implementiert.
Böttger: Schollershammer war bereits nach §40 EEG zertifiziert. Welche Strukturen konnten Sie bei der Einführung eines EnMS entsprechend der DIN EN 16001 übernehmen?
Kaesler: Dank der §40 EEG-Zertifizierung waren die Kernelemente eines EnMS glücklicherweise bereits in Form eines schlagkräftigen Energieteams, eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs und einer guten Energiedatenbasis vorhanden. Das hat den Einstieg in die Thematik deutlich vereinfacht. Man musste eben nicht mehr bei Null anfangen. Der Sprung zur DIN EN 16001 ist dennoch gewaltig.
Böttger: Innerhalb der nationalen Klimaschutzinitiative des Bundes-Umweltministeriums wurde das webbasierte Projekt mod.EEM gestartet, welches kostenfrei von Firmen zur Einführung von Energiemanagementsystemen genutzt werden kann. Inwieweit konnte Ihnen das Programm mod.EEM der EnergieAgentur.NRW bei der Einführung helfen?
Kaesler: mod.EEM vereint alle nützlichen Werkzeuge, die für den Aufbau eines normgerechten EnMS benötigt werden. Basis des Programms ist die Übersetzung der mitunter abstrakt formulierten Norm in praxisorientierte Arbeitspakete. Diese sind zum besseren Verständnis mit Beispielen und Vorlagen hinterlegt. Die Zeitersparnis war dadurch für uns enorm. Abgerundet wird das Programm durch eine systematische IST-Standabfrage zur Selbstkontrolle. Mittels Tachometer (siehe Bild) wird der Fortschritt des EnMS dargestellt. Wir wussten jederzeit, welche Aufgaben bis zum Zertifizierungsaudit bewältigt werden mussten.
Böttger: Welche Unterstützung haben Sie von Kollegen, speziell aus der Geschäftsführung erfahren?
Kaesler: Die Unterstützung der vier Geschäftsführer ist immens. Das Kosten-, Energie- und CO2-Einsparpotenzial im Bereich Energie wurde erkannt und das unternehmerische Handeln danach ausgerichtet. Nicht zuletzt durch die oft uneingeschränkte Unterstützung der Kollegen war es letztendlich erst möglich, innerhalb eines halben Jahres ein zertifizierungsfähiges EnMS aufzubauen. Wir wollten unbedingt schon im vergangenen Jahr ein zertifiziertes Energiemanagementsystem haben und Schoellershammer hat dieses Ziel erreicht.
Böttger: Im April diesen Jahres wird die DIN 16001 von europäische DIN EN 50001 ersetzt. Bis wann möchten Sie die Voraussetzungen zur Erfüllung der DIN EN 50001 erfüllt haben?
Kaesler: Ende Oktober haben wir unser jährliches Überwachungsaudit, in dessen Rahmen wird entsprechend den Anforderungen der ISO 50001 die DIN EN 16001 in die neue Norm überführt.
Böttger: Was unterscheidet diese von der DIN 16001?
Kaesler: Im Wesentlichen gibt es keine Unterschiede. In einigen Punkten ist die ISO 50001 etwas konkreter gefasst. Einige Begriffsdefinitionen wurden geändert.
Böttger: Wie sehen ihre weiteren Maßnahmen und Ziele zur Energieeinsparung aus?
Kaesler: Unser Ziel ist es, bis 2015 jährlich 5 Prozent Energie einzusparen. Die Ansätze, um diese Einsparungen zu erzielen, sind vielfältig. Neben dem Umsetzen von Effizienzmaßnahmen gilt es, die Transparenz der Energieverbräuche zu verbessern, unnötige Verbraucher aufzuspüren und zu beseitigen (Absenkung der Grundlast), Abläufe und den Anlagenbetrieb zu optimieren, den Aspekt Energieeffizienz in den Beschaffungsrichtlinien zu verankern und kontinuierlich die Mitarbeiter zu Neuerungen / Änderungen aus dem Energiemanagement zu schulen.
Böttger: Welches Budget steht Ihnen für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verfügung?
Kaesler: Ziel ist es, alle wirtschaftlichen Effizienzmaßnahmen umzusetzen. Ein fixes Budget für Effizienzmaßnahmen ist – Stand heute – jedoch nicht vorgesehen. In der Regel erfolgt eine Finanzierung je nach Einspareffekt und Investitionsumfang aus unserem Instandhaltungsbudget oder durch zusätzliche Investitionen. Eine Entscheidung darüber wird unter Berücksichtigung aller Faktoren für jede Maßnahme individuell gefällt. Generell ist das Ziel bei unseren Instandhaltungs- und Modernisierungsprojekten, die Aspekte Energieeffizienz und Produktionssicherheit zu vereinen. Das Energiemanagement wurde mit einem Sonderbudget für Messmittel und Dokumentationen ausgestattet.
Böttger: Stichpunkt CO2 Emmissonshandel, inwieweit ist dieser Punkt für ihr Unternehmen relevant?
Kaesler: Schoellershammer gehört zu den rund 500 energieintensivsten Unternehmen in Deutschland und ist aufgrund des betriebseigenen Kraftwerks zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtet. Schon heute ist klar, dass wir im Zuge der dritten Handelsperiode durch die damit einhergehende Verknappung der Emissionsrechte eine Unterdeckung an Zertifikaten haben werden. Bei heute unkalkulierbaren Preisrisiken müssen wir dann zum Ausgleich am freien Markt CO2-Emisisonszertifikate ordern. Auch in diesem Bereich profitieren wir also enorm von Energieeinsparungen.
Böttger: Was raten Sie Firmen, die ein Energiemanagementsystem einführen möchten?
Kaesler: Der Aufbau eines zertifizierungsfähigen EnMS ist definitiv eine Vollzeitaufgabe. Wichtig ist also, dass sich jemand ausschließlich um das Thema kümmern kann. Zudem sollte der Zeitrahmen für Aufbau und Einführung eines EnMS ausreichend gewählt sein. Idealerweise sollte dafür in etwa ein Jahr zur Verfügung stehen. Viele Zertifizierer bieten den Kunden an, vor der eigentlichen Zertifizierung ein Voraudit durchzuführen, in dem das EnMS anhand aller erforderlichen Unterlagen auf Vollständigkeit überprüft wird. Dies ist ratsam, da eine vom Zertifizierer festgestellte Abweichung ein K.O.-Kriterium für die Zertifizierung ist. Generell ist eine dritte Meinung zur Vollständigkeit des EnMS und zur Qualität der Unterlagen empfehlenswert.
Böttger: Herr Kaesler, ich bedanke mich für die interessanten Informationen und wünsche Ihnen alles Gute – natürlich auch für das Erreichen Ihrer Umweltziele.
Die DGS hat eine Energieeffizienzinitiative gestartet. Unternehmen können sich unter www.dgs.de/energieeffizienz.html registrieren und erhalten durch Experten der DGS per mail eine kostenlose Berechnung zum Energiesteuereinsparpotential!
Mod.EEM: „Modulares Energie-Effizienz-Modell“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesumweltministeriums und dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und steht für die schrittweise Einführung, Dokumentation und Aufrechterhaltung eines webbasierten Energiemanagementsystems. Es entspricht den Anforderungen eines Energiemanagementsystems nach DIN EN 16001 / ISO 50001 und ist von der Struktur so ausgelegt, dass es in bestehende Managementsysteme wie der ISO 9001, ISO 14001 oder EMAS integriert werden kann.
Mod.EEM richtet sich bundesweit an Unternehmen des produzierenden Gewerbes und kann kostenfrei in Anspruch genommen werden.
Kontakt:
EnergieAgentur.NRW
Dipl.-Ing. Gerald Orlik
Telefon: 0202 24552-33
orlik(at)energieagentur.nrw.de
Dipl.-Ing. Thomas Gentzow
Telefon: 0211 86642-295
gentzow(at)energieagentur.nrw.de
Gunnar Böttger